Es war einmal ein stattlicher Wolf, der wohnte in einem Wald mit dicken, hoch zum Himmel ragenden Bäumen. Auch sein "Baum" war stattlich, und der stattliche Wolf strotzte nur so vor stattlicher Manneskraft. Doch irgendwann hatte seine Wolf-Gemahlin genug vom Lecken mit seiner roten langen Zunge über ihre erogenen Zonen und seinem Keuchen, wenn er auf ihrem Wolf-Mädchen-Rücken wie ein Verrückter vor und zurück zuckte und ganz einfach nicht genug bekommen konnte von diesemTun. Nach so einer wilden Wolfs-Liebes-Nacht erwachte unser Wolf am Morgen - doch wo war seine Gemahlin?
Müde rieb er sich seine grauen Wolfsaugen, er schaute nach ihr aus und rief mit seiner stattlichen Stimme heulend nach ihr. Doch sie war nirgendwo zu erblicken, und als er missmutig darüber aus seinem Bett stieg und sich mit seinen stattlichen Beinen zur Wohnküche hin begab in seiner stattlichen Wolfshöhle, da sah er ihn liegen, den Zettel auf dem Küchentisch. Darauf stand geschrieben: "Adieu, mein stattlicher Gemahl! Du bist mir ganz einfach in vieler Hinsicht zu stattlich und zu wild! Ich werde mich in den Wald zurückziehen und mir ein bisschen Ruhe für die nächsten Tage gönnen. Sei nicht allzu traurig. Vielleicht komme ich ja doch bald zurück in unsere Höhle."
Da wurde der stattliche Wolf ganz traurig, und er wedelte keinesfalls erfreut mit seinem stattlichen Schweif, sondern zog ihn ein wie ein geprügelter Hund, dem sein Herr und Meister soeben einen Fußtritt versetzt hatte. Anstatt sich ein Frühstück zu richten, trabte er mit seinen stattlichen Beinen hinein in den Wald, um seine Frau Gemahlin zu suchen. Schon oft war der stattliche Kerl ja in den Wald gelaufen, um für sich und seine bessere Hälfte ein Reh zu reißen oder einen im Zick-Zack springenden Hasen, aber diesmal würde er wohl noch viel tiefer in den Wald hineinlaufen müssen, denn all sein Rufen und Heulen half nichts - sein Weib war nirgendwo zu finden.
Den ganzen lieben Tag lief er durch den Tann, sah Eichhörnchen hurtig an Baumstämmen in die Höhe klettern, so sehr erschreckte sie sein Heulen und seine stattliche Erscheinung und ängstlich blickten sie aus den Baumkronen herab zu dem Kerl, der mit heraushängender Zunge des Weges trabte und seine Schnauze immer wieder hin zum Boden richtete, um vielleicht doch eine Spur seiner Gemahlin zu wittern. Schon wurde es Abend, der Mond war hinter einem Bergrücken am Himmel empor geklettert und warf sein Licht gespenstisch hin zu unserem Wolf, der, vom vielen Laufen müde, sich an einem Bächlein labte und mit seiner riesenlangen Zunge das Nass in seinen stattlichen Rachen beförderte. Er saß am Ufer des Bächleins, als er plötzlich Rauch witterte. Da wird doch nicht jemand ein Feuerchen entzündet haben, dachte sich der Wolf, machte noch zwei, drei Lecker aus dem Bach, streckte seine stattlichen Nüstern in die Luft und machte sich schnurstracks auf den Weg, um zu sehen, woher der Rauch wohl kommen würde.
So lief er hurtig durch den Tann und einmal stolperte er sogar, weil er zu sehr auf den Geruch achtete und einen Ast übersah, der auf dem Boden lag. Doch dann sah er, woher der Rauch kam: Dunkel stand es vor seinen Augen - ein Haus, weder groß noch klein, und er sah, wie aus einem der Fenster ein Lichtschein drang. Vorsichtig schlich unser Wolf näher und plötzlich sah er, dass die Wände des Hauses mit Brettern beschlagen waren und dass an diesen Brettern riesige Lebkuchen hingen. Der Wolf hatte Hunger und leckte sich sein stattliches Maul. Lebkuchen war an und für sich nicht das, was er sich jetzt wünschte, lieber wäre ihm eine Rehkeule gewesen oder ein Hasenschenkel - aber er kannte Lebkuchen von Weihnachten, denn seine Gemahlin, die buk für dieses Fest immer Kekse und auch Lebkuchen war darunter. Und am Heiligen Abend langten die beiden ordentlich zu und auch die eine oder andere Karaffe voll mit Glühwein war stets dabei. Den ließen sie immer genüsslich durch ihre Wolfskehlen rinnen. Einfach herrlich und immer waren sie dann berauscht und das Kopfweh plagte sie meist am nächsten Tag. Schuld daran hatte wohl der Fusel aus dem Supermarkt, der zwar billig, aber vielleicht doch von nicht allzu stattlicher Güte war. Wie dem auch sei, jetzt stand unser Wolf vor dem Fenster und seine stattlichen Augen spähten ins beleuchtete Innere. Und, was er sah, das ließ ihn die Zunge über sein stattliches Maul lecken ...
Er dachte zurück an damals, als er durch den Wald gegangen war, hin zu dieser Hütte, in der sieben Geißlein mit ihrer Mutter wohnten. Und er dachte daran, wie er schließlich mit viel List doch noch diese Ziegen in seinen Magen hinunterschlingen konnte. Auch jetzt sah er wieder sieben Stück vor sich. Aber es waren keine Geißlein, es waren seltsame Wesen mit langen Nasen und Besen in den Händen. Und noch etwas sah er: Auf jeder Schulter dieser um einen großen runden Tisch tanzenden Wesen saß eine riesige Katze. Ja, er hatte richtig gesehen, die Wesen mit den roten Wangen und den funkelnden Augen tanzten zu irgendeiner Musik, die er jetzt, als er seine Ohren näher an die Wand drückte, auch hören konnte. Doch die Wesen sprangen und hüpften nur spärlich bekleidet durch den Raum und jetzt fiel unserem stattlichen Wolf auch der Name dieser Wesen ein. Ganz augenscheinlich handelte es sich um Hexen, von denen ihm seine Gemahlin einst aus ihrem Märchenbuch vorgelesen hatte.
Ja, es waren Hexen, und plötzlich erschauderte unser stattlicher Wolf, als er sah, was sich unter dem Tisch befand, um den die Hexen tanzten und sprangen und dabei johlten und kreischten. Es war seine Liebste. Doch sie war kaum zu sehen und es schien ihm, als wären ihre Pfoten mit Stricken zusammengebunden und ein riesiger Beißkorb umgab ihre Schnauze, so dass die Ärmste wohl kaum zu atmen imstande war. Als dies unser Wolf sah, da krampfte sich sein Herz zusammen und es hätte nicht viel gefehlt und er wäre durch die Scheibe ins Innere des Knusperhäuschens gesprungen. Aber da waren Gitter vor der Scheibe, die bemerkte er erst jetzt so richtig. Da konnte er keinesfalls ins Innere, er würde wohl die Tür benützen müssen. Und, o Schreck, plötzlich bemerkte er auch die Messer und Gabeln auf dem Tisch und sah, dass die Hexen jetzt ihren Reigen beendeten und zu diesen Messern griffen. Sie würden doch nicht ...
Der Mond hatte sich hinter einer Wolke versteckt und so sah unser stattlicher Wolf kaum noch das Knusperhaus vor seinen Augen, als er sich aufmachte, die Eingangstüre aufzustöbern. Denn, wie es schien, war höchste Eile geboten - die Hexen waren anscheinend drauf und dran, seine Gemahlin abzuschlachten, um sie im Ofen zu braten und danach aufzuessen. Das musste er auf jeden Fall verhindern. Selbst, wenn ihm das selbst sein Leben kosten würde.
Er stolperte im Dunklen über einen Hexenbesen und auch eine Katze suchte schrill miauend das Weite, als er um die Ecke bog. Da hing sie ja, die Glocke an der hölzernen Eingangstüre, die mit Eisen beschlagen war. Heftig zog unser Wolf an der Glocke, so dass sie laut schellte, und mit klopfendem Herzen stand er vor der Türe und wusste nicht so recht, was er machen sollte, wenn die Hexen ihm öffnen würden. Nichts regte sich, doch dann hörte er plötzlich die Stimme einer Hexe: "Wer ist denn draußen?"
Unser stattlicher Wolf überlegte, ob er sich zu erkennen geben sollte. Doch das schien ihm nicht so günstig zu sein, womöglich würden die Hexen dann nicht aufmachen, deshalb antwortete er, ganz sanft und nur wenig stattlich heulend: "Der Wind, der Wind, das stattliche Kind." "Welches Kind?", drang es leise an seine stattlichen Wolfsohren. Der Wolf verstellte seine Stimme wieder und beinahe meckerte er, wie dies ansonsten nur Geißlein zu machen pflegen: "Das Schwarzpfoten-Kind."
"Zeig mir zuerst deine Pfote, du Kind! Halte sie unter die Türschwelle."
Da überlegte der Wolf, ob er das machen sollte. Bei seiner riesigen und sehr stattlichen Wolfspfote würden die Hexen erschrecken und sogleich erkennen, dass es sich um einen Wolf handeln würde. Deshalb zog er rasch vier Zehen ein und steckte nur die fünfte hin zum Loch an der Türschwelle. Kaum hatte er das gemacht, da öffnete sich die Tür und eine der sieben Hexen stand in der Eingangstüre. Sie blickte hin zu unserem stattlichen Wolf und - seltsam - sie erschrak keineswegs. Vielmehr rief sie verzückt aus, als sie den buschigen Schwanz unseres Vierbeiners sah: "Das ist ja ein Ding! Da kommt ja einer mit einem sehr langen, wunderbar stattlichen Schwanz zu uns. Komm doch herein! Sei unser Gast!"
Der Wolf war erstaunt ob dieser netten Begrüßung, damit hatte er wahrlich nicht gerechnet. Eher hätte er gedacht, dass sich die Hexen vor ihm fürchten würden. Er trat ein in die Hexenküche und da sah er sie liegen, seine liebste Gemahlin. Gefesselt an allen vier Beinen und als sie ihn erblickte, kam ein leises Heulen hinter dem riesigen Beißkorb hervor, den die Hexen ihr aufs Maul gebunden hatten. Ach, wie tat sie ihm da leid. Er sah die Hexen mit den Messern in ihren Hexenhänden mit den langen Fingern, und er sah auch das Flackern in ihren Hexenaugen und die Gier, mit der die sieben ihn, den vielleicht stattlichsten aller Wölfe, anschauten. Mit denen konnte er es nicht aufnehmen, zu lang waren die Messer und zu wild fauchten die Katzen von ihren Schultern. Auch die Besen, die die Hexen in ihrer anderen Hand hielten, flößten ihm gehörigen Respekt ein, deshalb gab sich unser stattlicher Wolf friedlich. Und doch - er musste seine leise wimmernde Gemahlin ganz einfach befreien. Deshalb machte er den Hexen folgendes Angebot: "Liebe Hexen, wenn ihr meine Gemahlin freigebt, dann jage ich euch dafür zwei Rehgeißen, die schmecken euch ganz bestimmt besser als Wolfsrippen, an denen nicht sehr viel Fleisch hängt."
Doch die Hexen lachten nur, und eine sagte: "Zu essen haben wir genug. Deiner Gemahlin hätten wir nur das Fell abgezogen, um es als Bettvorleger zu benützen. Als wir sie gefangen haben, da hat sie uns erzählt, dass sie nur deshalb so tief in den Wald gelaufen wäre, weil du ein ganz wilder Sexlüstling wärest, der einfach nicht genug in dieser Hinsicht bekommen könnte, und sie deine wilden Ritte auf ihr ganz einfach nicht mehr ertragen hätte. Wenn du sie wirklich zurück haben willst, dann haben wir einen Vorschlag: Du musst jede von uns Hexen ganz ordentlich und stattlich lieben. Wenn du das schaffst, dann seid ihr beide frei. Schaffst du das nicht, werden wir euch beiden das Fell abziehen."
Wie die Sache ausgegangen ist?
So wie fast alle Märchen enden - mit einem Happy End. Seine überaus stattliche Manneskraft schaffte das beinah Unmögliche: Eine Hexe nach der anderen schmolz unter seinen Stößen dahin in dieser Nacht mit dem Vollmond am Himmel ...
Glücklich und zufrieden waren schließlich alle: Die Hexen, weil sie so etwas dermaßen Wildes noch niemals erlebt hatten, und auch unsere Wölfin hatte Grund zur Freude. Sie war wieder frei und ihr stattlicher Gemahl hatte sich derart verausgabt, dass er sie für etliche Monde nicht mehr belästigte.
Noch immer müde von seinem stattlichen Tun sah man ihn auf der Hausbank vor der Wolfhöhle sitzen und sein vormals überaus stattlicher Schwanz mit dem er einst wedelnd und vor Manneskraft strotzend durch den Tann getrabt war, der hing jetzt traurig an ihm und war mit einem dicken Verband versehen ...
Und dennoch - auch hier heilte die Zeit wohl letztlich die Wunden! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann haben sich die beiden wohl irgendwann wieder geliebt! Aber womöglich nur noch sehr zurückhaltend stattlich ...
*** Wie dies, so hört man nicht nur in den Märchen, ja auch bei lange verheirateten Ehepaaren durchaus der Fall sein soll