10. Gebot: Du sollst dich auf deinen Lebens-Winter vorbereiten!
Der
Herbst unseres Lebens ist gekommen und der Winter wird bei dem einen
oder anderen von uns nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.
Es
liegt an uns, wie wir einen zu raschen Wintereinbruch verhindern
könnten, ihn jedoch total von uns fernzuhalten, wird nicht möglich
sein. Aber es ist ein Unterschied, ob wir schon jetzt manchmal frieren
und uns vor den langen Winternächten graut - oder ob wir vorhaben,
aufrecht durch den Schnee zu stapfen und uns an den vom Himmel
segelnden Flocken zu erfreuen, die an manchen Tagen wie Diamanten im
Schnee glitzern, wenn die Wintersonne sie zu diesem Leuchten bringt und
uns damit zeigt, wie wunderschön die Natur auch in dieser Zeit sich zu
schmücken versteht.
Der Winter hat durchaus seine Reize, nicht nur in
der Natur, auch für uns Menschen könnte dieser letzte Abschnitt unseres
Lebens noch Erfreuliches mit sich bringen. Vor allem dann, wenn wir für
diese Phase vorgesorgt haben und auch verstehen richtig damit
umzugehen.
Wie macht ein Bauer seinen Hof winterfest? Diese
naturverbundenen Menschen, von denen wir in vieler Hinsicht lernen
können, was Lebensfreude und Lebenssinn für unser Dasein angeht.
Unnötiger Kram wird weggeräumt, Wiese und Feld von Unrat gesäubert,
Scheune, Keller und Speisekammer mit Vorrat gefüllt - für die Tiere
ebenso wie für die Menschen.
Doch nicht nur Essbares wird eingelagert,
auch genügend Brennmaterial muss herbeigeschafft werden, um
sturmumtobte Wintertage mit klirrendem Frost überstehen zu können. Wenn
das Feuer im Herd knistert und es behaglich warm vom Kachelofen
strahlt, dann kann der Sturmwind ruhig ums Haus wehen, sofern die
Winterfenster eingehängt wurden und die Türen gut abgedichtet sind, so
dass die Wärme nur zum Lüften kurz ins Freie gelassen wird. Wenn wir
klug sind, dann sollten wir Senioren auch bei uns selbst diese Art von
Winterfest-Machen vornehmen!
Wie könnte so etwas aussehen?
Räumen auch wir unnötigen Kram weg und
kippen wir all den Müll aus uns, den wir in den letzten Jahren
womöglich mit uns herumgeschleppt haben und der uns oftmals das Dasein
vergällt hat. Müll in Form negativer Gedanken, Müll in Form
unglückseliger Beziehungen, Müll, der noch immer in uns und rund um
unser Leben entsteht durch schlechte Gewohnheiten, denen wir energisch
die Tür weisen sollten! Ziehen wir Bilanz: Was bedrückt uns vielfach
und wie könnten wir das ändern? Was wirkt immer wieder negativ auf
unser Befinden ein und gibt es Möglichkeiten, etwas dagegen zu
unternehmen?
Das erfordert natürlich einiges an Energie und
ganz ohne Plan wird diese oder jene Veränderung hin zum Positiven kaum
möglich sein. Aber wir wollen uns ja dem Altern mit festen Schritten
entgegenstemmen und uns möglichst lange gesund und einigermaßen
leistungsfähig erhalten. Menschen, die so denken und danach handeln,
denen sieht man das auch an. Aber sie werden nicht nur besser aussehen,
auch ihre Körpersprache ist eine total andere. Solche Menschen gehen
aufrechter, sie sprechen deutlicher, sie lachen öfter, sie nehmen
manche Unbill des Lebens gefestigter hin und sie sind schnell wieder
bereit, eventuelle Widrigkeiten auszumerzen oder sich zumindest nicht
von ihnen unterkriegen zu lassen. Von Widrigkeiten, die manchmal
unvermeidbar sind. Solche Menschen jammern nicht in einem fort, sie
sind wesentlich toleranter zu sich selbst und vielfach auch zu ihrer
Umwelt und sie suchen immer wieder nach Möglichkeiten, ihr Leben
möglichst lebenswert zu gestalten. Wer sich bereits in so einem
Fahrwasser befindet und seinem Winterziel gesichert zusteuert, der hat
es geschafft und muss nur noch acht geben, nicht vom Kurs abzukommen.
Für all die anderen könnten einige nachfolgende Tipps zumindest ein
Denkanstoß sein, um hoffnungsfroher und gelassener dem heranrückenden
Alter entgegenblicken zu können.
In einer Zeitschrift habe ich
einmal einen Artikel verfasst, der sich mit "Nacktheit" beschäftigt
hat. Jedoch nicht mit körperlicher Nacktheit, sondern mit einem
Sich-nackt- Fühlen in gewissen Situationen unseres Lebens.
Wie
ungeschützt und dem Dasein ausgeliefert fühlt man sich doch manchmal,
wenn einem eine solche Nacktheit förmlich allen Lebensmut raubt und man
sich am liebsten irgendwohin verkriechen möchte, um nicht ungeschützt
den Augen der Umwelt ausgesetzt zu sein. Welch wohlige Wärme umgibt uns
andererseits, wenn wir uns mit einem Panzer gegen alle Unbill des
Daseins umgeben und damit auch die unangenehmsten Widrigkeiten an uns
abprallen, ohne wirklichen Schaden anrichten zu können.
Ähnlich
verhält sich das auch bei unserem Altern. Ungeschützt und unbewehrt
wird das Alter von uns Besitz ergreifen, ohne dass wir viel dagegen
machen können, und die Falten werden sich in unsere Gesichter eingraben
und Spuren hinterlassen, wie Regengüsse dies an Schotterstraßen machen.
Ungeschützt wird sich unsere Lebensfreude von uns verabschieden wie die
Abendsonne, wenn sie der Dunkelheit den Weg freigibt. Und weil wir das
auf keinen Fall ohne Weiteres hinnehmen wollen, deshalb sollten wir uns
nach solchen Panzern umsehen, die unseren Körper, unseren Geist und
auch unsere Seele möglichst lange vor diesem Verfall schützen sollen.
Über
die Ernährung haben wir ja bereits gesprochen und dass wir von unserem
Körper wohl kaum eine gute Leistung erwarten dürfen, wenn wir ihn nicht
mit einem möglichst guten Treibstoff versorgen. Ähnlich einem Motor,
der nur dann gut funktionieren wird, wenn ihm der richtige Kraftstoff
in den Tank gefüllt wird. Wenn wir einen Treibstoff von schlechter
Qualität tanken, so wird die Karre nur noch dahintuckern, qualmen und
stinken.
Mit einem Auto ist unser Körper natürlich nicht zu vergleichen und doch - wenn wir
all das, was wir allein in einem Jahr in uns geschlungen haben, am Ende
des Jahres vor uns aufgestapelt sehen könnten, dann würde uns dieser
Berg wohl zumindest in Erstaunen versetzen. Würde jemand Kompetenter
diesen Berg sortieren und die für unsere Ernährung guten Produkte auf
die eine und die schlechten auf die andere Seite räumen, dann würden
wir mit einem Blick sehen, was wir unserem Körper eigentlich zumuten.
Und dennoch fordern wir von ihm eine beständig gute Leistung -
eigentlich ein Hohn, wenn man das richtig bedenkt.
Natürlich
wollen wir zudem einigermaßen gut aussehen und manchen Senioren gelingt
das auch in bewundernswerter Weise. Viele lassen sich jedoch gehen, sie
ernähren sich schlecht und bei solchen Ernährungs-Sündern grenzt es
beinahe an ein Wunder, dass ihr Körper noch funktioniert und sie nicht
schon lange auf dem "Pannenstreifen" zum Stillstand gekommen sind.
Manche von uns sind das wohl auch bereits, wobei der Pannenstreifen die
ärztliche Ordination oder das Krankenhaus ist, und wenn wir es mit
unserer Ernährung zu bunt getrieben haben, dann landen diese Schlemmer
nicht selten dort, wo sie nicht mehr "sündigen" können, weil es die
Organe einfach nicht mehr geschafft haben, die immer wieder zugeführten
Schadstoffe zu verarbeiten und den Müll, der ihnen täglich zugeführt
wird, auszuscheiden.
Doch es gibt es auch die andere Seite -
diejenigen unter uns, die sehr darauf bedacht sind, sich bei der
Ernährung Gutes zu tun. Solchen Menschen kann man dazu nur gratulieren.
Doch Vorsicht! Zu viel des Guten könnte sich auch hier ungünstig
auswirken.
Ich kenne Gesundheitsfanatiker, die sogar in Bio-Läden jedes
Produkt fünf Mal wenden und alles akribisch besehen, ehe das wenige
Auserwählte schließlich im Einkaufskorb landet. Diese Menschen sind
nicht selten dünn und nervös und ihr Lachen dringt genauso hell durch
ihre Wohnungstüre wie der Gesang eines Taubstummen die Ohren der
Zuhörer erfreuen könnte.
Weil wir ja von der Wichtigkeit der
Toleranz gesprochen haben und auch davon, dass jeder auf seine Weise
glücklich werden sollte, so halte ich das auch hier so. Wenn ein
positives Lebensgefühl mit diesem jeglichem Fett absagenden und der
Dürre huldigenden Ernährungs-Wahn einhergeht, dann sollen diese
Menschen damit weitermachen. Richtig gesund wird jede Art von
Übertreibung allerdings nicht sein. Das gilt auch für die Ernährung und
ist für mich so ähnlich wie der Umgang mit der körperlichen Fitness.
Man kann sich auch durch zu viel Bewegung eher schaden als nützen, was
sowohl für den Herz-Kreislauf-Bereich als auch für unseren
Bewegungsapparat gilt, wenn durch zu große Anstrengungen unser Herz,
unsere Gelenke, Muskeln, Sehnen und Knochen Abnützungen erleiden und
wir damit irgendwann genauso leistungsschwach dastehen, als wenn wir
gar nichts gemacht hätten. Oder womöglich noch schlechter dran sind,
weil Stress und Überforderungen nicht nur unserem Bewegungsapparat
Schaden zuführen könnte, sondern auch unsere Seele damit ungünstig
belastet wird - was zu psychosomatisch bedingten Erkrankungen bis hin
zu Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfällen führen könnte. Um nur einige
Möglichkeiten der Schädigung durch ständige Überforderungen aufzuzählen.
Zur
Fitness habe ich bereits einige Gedanken gebracht. Nur so viel noch
dazu als Ergänzung: Je besser wir in diesem Bereich sind, desto
gelassener können wir unserem Lebens-Winter entgegenblicken. Und fit
halten können wir uns am ehesten mit Bewegung und einigen vorne
beschriebenen Kräftigungs-Übungen.
Leider hat unser Körper hier kein
Warnsystem eingebaut bekommen, wie das bei der Ernährung mit dem
Hungergefühl bestens funktioniert, und wer nicht für Nachschub bei der
Ernährung sorgt, der steht sehr bald ebenso kraft- und saftlos da wie
ein Autofahrer neben seiner Karre, wenn ihm das Benzin ausgeht. Wer seinen Muskeln und seinem Bewegungsapparat nicht zu einer
Kräftigung verhilft, wird sich früher oder später eher durch sein Leben
schleppen als aufrecht und der Zukunft optimistisch entgegenblickend,
dahinzugleiten.
Wer sitzt und faulenzt und kaum noch Bewegung
macht, darf sich nicht wundern, wenn ihm oder ihr irgendwann bereits der Gang
zur Toilette als Anstrengung erscheint. Glücklich diejenigen, die
täglich über etliche Stiegen steigen müssen, weil ihr Wohnbereich das
erfordert. Aufzüge sind gut für viele Dinge, jedoch mit einer
Einkaufstasche zwei Stockwerke über die Stiegen zu steigen, das könnte
nicht nur unserem Herzen und unserer Lunge, den Beinen und Armen, es
könnte unserem ganzen Wohlbefinden zugute kommen. Doch dazu müssen wir
zuvor unsere Bequemlichkeit ausschalten und für diese Mehrarbeit den
Befehl von unserem Gehirn bekommen, ist dort doch die Kommando-Zentrale
für all unsere Handlungen beheimatet. Wessen Geist auch noch im Herbst
und Winter seines Lebens einigermaßen klar arbeitet und erkennt, was
für ihn gut und was weniger gut ist und damit die richtigen Anordnungen
erteilt, bei dem wird das Alter um einige Jahre länger auf der Lauer
liegen müssen, um erfolgreich in sein Leben eingreifen zu können.
Unser
Geist steuert unseren Lebenskahn durch den Ozean unseres Daseins. Für
ein möglichst gesundes und lebensbejahendes Altwerden ist unser Geist
ebenso bedeutungsvoll, wie der Wind das beim Wetter ist, wenn er die
Wolken verjagt und für zumindest einige Zeit für Schönwetter in uns
sorgt. Auch wir können mit Hilfe unseres Geistes die Wolken entweder zu
uns treiben oder sie von uns verbannen. Doch dazu müssen wir unseren
Geist schärfen und stärken, damit er sich durchzusetzen lernt und nicht
trotz all seiner Bemühungen womöglich der Bequemlichkeit und der
oftmals damit verbundenen geistig-körperlichen Inaktivität unterliegt.
"Der
Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach!"
Wir alle kennen diesen
Ausspruch und auch ich muss nicken, wenn ich an seine Bedeutung und an
seine Richtigkeit denke. Immer wieder gibt es auch in meinem Leben
Situationen, in denen mein Geist einen einigermaßen günstigen Weg für
eine Lebenssituation in mir ausgearbeitet hat und mir aufzeigt, wie ich
mich da oder dort am besten verhalten sollte oder was für mein
momentanes Leben oder die Zukunft günstig für mich wäre. Aus diesem
Verständnis heraus lenkt er meine Gedanken, in der Hoffnung, ich würde
seinen Ratschlägen folgen. Doch was geschieht vielfach? Ich bin ganz
einfach zu schwach, um durchzuhalten, oder zu bequem, um konsequent zu
bleiben. Oder zu unsicher, zu nervös, zu feige, um solche Befehle
meines Geistes ausführen zu können. Nicht selten schlage ich den
momentan leichter zu bewältigenden Weg ein, wohl wissend, dass es nicht
die beste Variante für mein Leben ist. Oder zumindest in manchen
Dingen ahnend, dass ich mir damit eher schade als nütze.
Nicht
nur mir wird es immer wieder so gehen. Denken wir nur an die vielen
Übergewichtigen, denen ihr Geist mit Ratschlägen zur Seite steht, wie
sie in Zukunft besser mit ihrer Ernährung und damit mit ihrem Aussehen
und wohl auch mit ihrer Gesundheit zurechtkommen könnten, doch nur
wenige schaffen es tatsächlich, auf den richtigen Weg zu gelangen und
dort auch zu bleiben.
Hunger-Kuren werden begonnen und nach einigen
Wochen wird dennoch wieder geschlemmt. Nicht nur unsinnige Hunger-Kuren
werden wieder abgebrochen, auch durchaus günstig scheinende
Diät-Ernährungs-Programme, für die der eigene Geist alle Ampeln auf "grün" gestellt hat und die bei konsequentem Einhalten der Diät über
Jahre hinaus ganz bestimmt erfolgreich verlaufen würden, verpuffen
oftmals schneller als den damit befassten Personen lieb ist.
Der Grund
des Scheiterns? Der Wille ist zu schwach, um durchzuhalten und bei
solchen Menschen ist das In-sich-Schlingen von Nahrung, von Süßigkeiten
oder anderweitigen Dickmachern sehr oft mehr als nur Mittel zum Zweck -
es ist mit einiger Wahrscheinlichkeit irgendein Ersatz für ein Manko im
seelischen Bereich. Denken wir nur an die vielen Kummer-Esser, die aus
Frust zu Über-Dosierungen greifen und aus Mangel an wohlwollende Zuwendung
Schokolade und andere ihr Leben versüßende Schleckereien in sich
stecken, um damit zumindest für kurze Zeit für Wohlbehagen in ihrem
Inneren zu sorgen - auch wenn ihr Geist verzweifelt die Hände ringt und
ihnen zuruft, es doch bitte bleiben zu lassen, weil das Herz und andere
Organe das überschüssige Fett kaum noch bewältigen können und ihre
körperlichen Leistungen zunehmend nachlassen.
Es wird einem
willensschwachen Menschen nicht viel nützen, wenn ihm sein Geist
täglich zuruft, doch nicht so viel in sich zu stecken, um sich nicht
durch zu viel Übergewicht zu schaden. Er wird es dennoch weiter tun,
wie etwa ein dem Alkohol Verfallener, der nicht von der Flasche lassen
kann.
Die gegenteilige Variante sind die Darbenden, die Hungernden, die beinahe schon ängstlich bemüht sind, nur ja kein Gramm Fett auf sich zu laden. Auch das scheint mir, wie bereits erwähnt, nicht allzu gut für unser vor allem seelisches Befinden sein. Eine
kleine Fettschicht und der eine oder andere Genuss beim Essen sind für
mein Dafürhalten durchaus gut für ein Altern in Gesundheit und
Lebensfreude.
Welche Dinge sind es nun, die
unseren Geist mit jenem Samen versehen, der uns mit seinem Aufkeimen
vor einem zu raschen Altern in unserem Lebens-Winter schützen könnte?
Um in den Genuss in Form von Lebensfreude zu kommen, dient für mich in
erster Linie ein Sprichwort, über dessen Banalität ich früher nur
gelächelt hätte, weil das, was es aussagt, so unbedeutend zu sein
scheint. Heute erkenne ich den wahren Wert und wie sehr wir mit Hilfe
dieser Worte unsere Lebensfreude ganz entscheidend anfachen können. Es
lautet: "Gutes tun, fröhlich sein und die Spatzen pfeifen lassen!"
Beginnen
wir mit dem ersten Teil des Sprichwortes. Nehmen wir uns vor, täglich
zumindest eine gute Tat zu vollbringen, wie ich das in meiner Kindheit
bei den Pfadfindern miterleben konnte. Wer da eine besonders gute Tat
vollbracht hatte, der wurde dafür mit einem Halstuch ausgezeichnet, das
er für einen Tag tragen durfte.
Diese täglichen guten Taten kann ich
jedem wärmstens ans Herz legen, wobei es sich dabei auch um scheinbare
Kleinigkeiten handeln kann. Um ein Lächeln vielleicht, das man einem
Mitmenschen schenkt, um ein freundliches Wort zu jemandem, dem man
ansieht, dass es ihm momentan nicht allzu gut geht, um eine Geste der
Höflichkeit, indem man jemandem den Vortritt lässt, einem gebrechlichen
Menschen den Einkaufskorb zum Auto trägt oder was auch immer. Es gibt
immer wieder Möglichkeiten, Gutes zu tun, ohne dass wir deshalb einen
Teil unseres Einkommens an ein Kinderdorf überweisen müssen.
Ich hab
vor kurzem einem sich etwa in meinem Alter befindlichen Mann vor einem
Supermarkt den Euro aus meinem Einkaufswagen in seinen vor sich
gestellten Becher gegeben. Er saß am Boden und machte mit einem Zettel
auf seine Not aufmerksam - dass er operiert werden müsste und dass ihm
womöglich auch noch das zweite Bein abgenommen werden sollte. Die
Menschen hatten volle Einkaufskörbe, viele von ihnen Schmerbäuche und
so manches Doppelkinn lugte hinter einer dicken Pelzjacke hervor. Der
Mann auf dem Boden hatte auch etwas: Zerrissene Kleider und aus einem
riesigen Zahnloch ragten zwei Zähne im Oberkiefer hervor. Die sah ich,
als er sich bei mir bedankte. Oft hatte er dazu bis jetzt seinen Mund
ganz bestimmt nicht aufzumachen gebraucht, denn ich war anscheinend der
einzige Spender.
Im Grunde genommen lehne ich Betteleien eher ab und
auch die ständigen Spendenaufrufe von allen erdenklichen Institutionen
lösen in mir nicht unbedingt Freude am Dauer-Spenden aus. Aber in
diesem Fall - da sitzt ein Mann im Winter vor dem Supermarkt in eisiger
Kälte und seine Not ist ganz bestimmt keine gespielte. Eigentlich muss
ich mich schämen, nicht mehr gegeben zu haben. Ich, mit gesunden Beinen
und reichlich Geld, um mich mit allen möglichen Leckerbissen eindecken
zu können. Doch zur Beruhigung meines Gewissens: Würde nur jeder zehnte
Einkäufer wie ich den Euro aus seinem Einkaufswagen dem Amputierten in
seinen Becher geworfen haben, so hätte der zumindest für einen Tag ein
bisschen Freude erlebt, um sein wohl doch eher armseliges Dasein wenigstens für einige
Augenblicke vergessen zu können.
Gutes tun - dazu müssen wir
nicht unbedingt in die Ferne schauen. Am besten, wir beginnen damit
gleich bei uns selbst.
Auch ich versuche in letzter Zeit immer öfter,
mir selbst Gutes zu tun und damit meine Freude am Leben zu steigern.
Meinem Körper lasse ich ein ordentliches Maß an Pflege zukommen, ich
versuche, mich gesund zu ernähren und sorge zudem für ein ausreichendes
Maß an Bewegung. Auch genieße ich sehr oft wohlklingende Musik,
meditiere hin und wieder und lass dabei Ruhe in mich fließen, wobei ich
mögliche Störquellen abstelle. Hin und wieder schmökere ich in einem
Buch oder erfreue mich an einem Film im TV. Es gibt bei all dem Schrott
ja doch ab und zu Sehenswertes, wobei ich womöglich mit Schrott gerade
das bezeichne, was anderen durchaus gefallen könnte.
Da muss ich gleich
wieder die Toleranz einschalten und es sollte wirklich jeder selbst
bestimmen können, was er gerne sieht und was ihm gefällt. Ich schüttle
immer verwundert den Kopf, wenn jemand sagt, das ist das Beste, das
schmeckt am besten, das ist das Schönste usw., usf. Geschmäcker und
Ohrfeigen sind eben verschieden, wobei ich nicht weiß, warum man für
diesen Ausspruch zu den Geschmäckern auch die Ohrfeigen genommen hat.
Ist mir aber im Grunde genommen egal und belastet mich weiter nicht.
Und gerade das ist es, was wir tun sollten: Wir sollten uns nicht zu
sehr mit Dingen belasten, die unser Inneres womöglich nur verwirren.
Unser Geist wird nur dann gut arbeiten, wenn wir ihm nicht andauernd
Prügel vor die Beine werfen mit Hindernissen, die er erst wieder
wegräumen muss und die ihn aus diesem Grund schwächen und verwirren.
Womit
könnten wir uns noch Gutes tun?
Ich habe ja bereits erwähnt, dass
Geheimnisse unsere Seele erfreuen können und wir auf keinen Fall alles
von uns preisgeben sollten. Auch ich habe meine kleinen Geheimnisse und
hüte sie wie einen Edelstein. Und wenn ich sie dann und wann aus meiner "Schatztruhe" hervorhole und mich mit ihnen beschäftige, dann wird es
zumeist hell in meinem Inneren und ein wohliges Gefühl von Freude und
stillem Glück umgibt mich plötzlich. Ähnlich einem Kind, das seine
Murmeln unter dem Kopfpolster hervorholt und sie betrachtet - diese
wunderschönen Glaskugeln, die es vor kurzem gefunden hat und von denen
kein Mensch etwas weiß.
Gutes tun können wir uns natürlich auch
mit Genüssen, auf die wir uns besonders freuen. Versuchen wir mit Hilfe
unseres Geistes möglichst viele Genüsse und Freuden an uns
heranzulassen. Aber auch Freuden, die wir anderen spenden, können sehr
stark in uns wirken, und nicht wenige Menschen behaupten ja, dass sie
mehr Freude am Schenken denn am Beschenktwerden haben. Möglichkeiten,
jemanden zu beschenken, gibt es genug, doch nicht nur Menschen können
wir mit Geschenken Freude bereiten. Tiere sind sehr oft für Geschenke
dankbar und der Hund wedelt erfreut mit seinem Schwanz, wenn wir nett
zu ihm sind oder eine Katze schnurrt wohlig, wenn wir sie streicheln,
und auch die Vögel tummeln sich quicklebendig am Futterhäuschen, weil
wir für gute Körner gesorgt haben. Natürlich gedeihen auch Blumen und
Zimmerpflanzen besser, wenn sie gut gepflegt werden, und mancher meint
sogar, dass das eine oder andere nette Wort zu einer Pflanze sie ganz
besonders schön zum Blühen bringt, sofern man das täglich praktiziert.
Dieses Beschenken anderer Lebewesen, denen wir Gutes tun, sorgt für
Freude in uns, verbessert unser Aussehen und spendet uns Wohlbefinden
und Lebensfreude. Doch wer denkt schon daran? Die meisten schimpfen
eher, als dass sie sich über irgendetwas freuen - das ist das Dilemma
unserer Zeit und die absolut negative Nebenerscheinung unserer
Wohlstandsgesellschaft.
Nehmen wir unseren Geist zu Hilfe und
panzern wir uns gegen den Hauptfeind unseres Daseins: gegen die
Unzufriedenheit. Sehen wir ein bisschen über die Grenzen unseres
unmittelbaren Lebens-Bereiches hinweg, hin zu jenen Lebewesen und
Geschöpfen, denen es wesentlich schlechter geht als uns, und lassen wir
ein bisschen Dankbarkeit in uns einfließen. Dankbarkeit, auf einem
wunderbaren Planeten leben zu können, wo zumindest in unseren Breiten
ein durchaus lebenswertes Dasein möglich ist. Bemühen wir uns mit Hilfe
unseres Geistes und unserer im Leben gemachten Erfahrungen die
wesentlichen Dinge für einen sinnvollen Lebensabend zu erkennen. Sorgen
wir dafür, uns selbst damit etwas Gutes zu tun und unsere Freude am
Dasein zu erhöhen.
Damit bin ich beim zweiten Punkt des
Sprichwortes von vorhin angelangt. Beim "fröhlich-Sein".
Leicht vor sich
hingesagt, ich weiß. Wem es nicht allzu gut geht in seinem Leben, dem
wird es einigermaßen schwer fallen, fröhlich zu sein. Doch vielen geht
es gut und dennoch jammern sie eher über ihr Leben, als dass sie sich
darüber freuen. Trotz schöner Behausung, trotz sozialer Versorgung und
einem Dasein, in dem ganz allgemein für Recht und Ordnung gesorgt wird.
Trotz einer ausreichenden medizinischen Versorgung mit Apotheken,
Ärzten und Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, die den Menschen
eigentlich die Angst vor der Zukunft im Alter nehmen sollten und nicht
zuletzt trotz eines Riesenangebots aller möglichen, zumeist
erschwinglichen Konsumgüter, sofern es sich nicht um Luxusgüter
handelt, die nur von Wohlhabenden erworben werden können.
Sind Wohlhabende zufriedener mit ihrem Leben? Statistiken beweisen eher
das Gegenteil, und "einfache" Menschen scheinen zumindest in vielen
Dingen fröhlicher durch ihr Dasein zu gehen, als dies dem Leben
gegenüber anspruchsvolle Wohlstandsbürger jemals imstande wären.
Die
dicksten Brieftaschen, die schicksten Autos, sündteure Komfortwohnungen
mit allem möglichen Luxus, Schmuck und Besitztümer scheinen solchen
Erdenbürgern eher Bürden zu bereiten als Freuden zu vermitteln und kein
Gebirgsbauer mit hölzernem Wohnhaus, Frau, Kindern und einigen
Haustieren würde wohl jemals mit einem Manager einer
Millionen-Metropole tauschen, sofern er dessen hektischen Lebensstil
mit Erfolgsdruck rund um die Uhr für einige Monate miterleben müsste.
Ich wundere mich nicht, dass immer mehr dieser vom Wohlstand
übersättigten Menschen in unsere Naturparadiese drängen und auf
einsamen Almhütten zumindest für einige Tage Stress und Überforderungen
den Rücken kehren wollen. Allzu viel Geld, allzu viel Besitz und die
damit verbundenen Sorgen der Erhaltung desselben machen anscheinend
nicht glücklich und nicht selten landen Lotto-Millionäre in
Nervenheilanstalten und so mancher mit Pomp und Prunk und den unweigerlich damit einhergehenden Sorgen Ausgestattete würde wohl all seine Besitztümer dafür geben, wenn er im Tauschweg
dafür wieder unbeschwert fröhlich durch sein Dasein wandeln könnte.
Doch
wie steht es um die Fröhlichkeit ganz allgemein, ist die womöglich
bereits von Geburt an in uns angelegt und bleibt uns die auch erhalten?
Dazu ein Beispiel mit unseren Zähnen. Wir alle haben zumindest am
Beginn unseres Erwachsenendaseins jede Menge Zähne, doch die
Beschaffenheit dieser Zähne ist grundverschieden: Beim einen faulen sie
beinahe schon vor dem richtigen Entstehen ab und ein anderer wiederum
hat noch mit achtzig Jahren sein volles Gebiss. Dennoch wird auch ein von
Natur aus schlechtes Gebiss wesentlich besser halten, wenn wir es
pflegen, als wenn wir bei der Zahnpflege und all dem, was zur Erhaltung
eines guten Gebisses gehört, den Schlendrian walten lassen. Ebenso wird
ein von Geburt an wunderbares Gebiss ganz bestimmt Schaden nehmen, wenn
wir die Zahnpflege vernachlässigen und unser Zahnfleisch und unseren
Zahnschmelz durch äußere Einflüsse beschädigen oder verkümmern lassen.
So ähnlich läuft das auch mit unserer Fröhlichkeit. Manche Menschen
sind wahrlich mit Humor gesegnet, doch was zu dieser Anlage führt,
darüber ließe sich bestimmt viel vermuten und diskutieren. Ob die
Lebensumstände der Schwangeren, die glücklichen Monate im Mutterleib
oder das erfüllte Dasein der Vorfahren eine Rolle spielen oder am Ende
sogar die Umstände der Zeugung dafür verantwortlich sein könnten - die
Umgebung, der momentane Stand der Gestirne oder die Gefühlswelt der
Erzeuger unmittelbar vor dem Akt oder direkt dabei. All das könnte
tatsächlich mit schuld an dieser uns ins Leben mitgegebenen
Fröhlichkeit sein.
Allerdings wird auch einem mit bestem Humor
Gesegneten diese ursprünglich in sein Leben mitgegebene Gabe kaum
jemals wirkliche Freuden bereiten, wenn er in desolaten Verhältnissen
aufwachsen muss, wenn Unfälle oder andere Gebrechlichkeiten
schicksalhaft in sein Leben eingreifen und er deshalb mit
Lebensumständen konfrontiert wird, die alles andere als Frohsinn und
Daseinsfreude bewirken.
Doch wie beinahe überall im Leben gibt es auch
das Gegenteil: Ein mit wenig positiven Voraussetzungen in die Welt
gesetzter Erdenbürger erlebt durch glückliche Umstände ein helles,
freundliches Milieu und sein mäßig entwickelter Humor kränkelt zwar
nach wie vor dahin, doch ab und zu hellt sich sein Gesicht auf, weil
Mitmenschen oder Ereignisse einen Anflug von Fröhlichkeit in ihm
wecken. Und doch - ein mürrisch in sich zurückgezogener Griesgram wird
auch mit noch so viel Bemühen von allen erdenklichen Seiten kaum jemals
für längere Zeit mit lachendem Gesicht durch sein Leben laufen.
Andererseits wird eine humorvolle Frohnatur nie ganz ihre innere
Fröhlichkeit verlieren - komme, was auch immer kommen mag. Es sei denn,
das Schicksal schlägt auf unbarmherzigste Weise zu, dann könnte auch
solchen Menschen ihr mit in die Wiege gelegter Humor abhanden kommen.
Doch ich will hier
nicht von Randpositionen ausgehen. Fakt ist, dass psychisch bedingte
Erkrankungen in erschreckendem Ausmaß zunehmen und auch die
Fröhlichkeit scheint in unserer Wohlstandsgesellschaft mit erkrankt zu
sein und immer öfter klagen nicht nur ältere Menschen über Depressionen
und Lebensüberdruss. Darüber kann auch die vor allem durch Alkohol und
Drogen herbeigeführte Vergnügungssucht mit all ihren negativen
Erscheinungsformen von Ausgelassenheit und Ausgeflipptheit nicht
hinwegtäuschen. Solche Ausschweifungen hinterlassen nach Beendigung der
Hochstimmung vielfach Spuren der Unlust und sorgen zudem zumeist für
schwere seelische Verstimmungen.
Wenn ich die Ausgelassenheit vieler
Menschen in Faschingszeiten beobachte, dann ist das für alle jene
Akteure vielleicht eine Art Ventil und ein geeigneter Anlass, um ihrem
in sich - vor allem durch Leistungsdruck und ständige Überforderungen -
aufgestauten Stress zum Überlaufen zu verhelfen und innere Spannungen
abzubauen. Ein humorvoller Mensch mit ausgewogener Seelenlandschaft
wird allerdings kaum jemals im oberen Bereich dieser allzu seichten
Vergnügungen mitwirken, johlen und kreischen, sich übermäßig betrinken,
auf Tische springen oder im Vollrausch in irgendeinem fremden Bett
landen.
Fröhlich sein bedeutet für mich auch, Freuden aufzustöbern
und unsere Seele damit zu beglücken und sie gesicherter, gefestigter zu
machen für den Fall, dass es trotz all unserer Bemühungen hin und
wieder nicht so läuft in unserem Leben, wie wir das gerne hätten. Ich
denke dabei ans Versteckenspielen in meiner Kindheit. Allerdings hätte
das Spiel nicht funktioniert, hätten sich dazu nicht einige versteckt
und einer der Mitspieler die Rolle des Suchenden übernommen. Die Freude
über ein Finden war jedes Mal von Neuem groß. Bei unserem Thema mit der
Fröhlichkeit braucht sich niemand zu verstecken, da sind die Dinge
bereits von Haus aus versteckt.
Es gibt unzählige Sachen rund um unser
Leben, die wir nur noch aufzustöbern brauchen und die beim Finden
unsere Seele erfreuen und uns mit guter Laune versorgen. Ein
wunderbares Gefühl, das nicht nur uns selbst erfreut, sondern auch alle
anderen, die mit solchen Frohnaturen zu tun haben. Dieses vermehrte
fröhlich Sein formt unsere Umgebung mit, und unsere Sprache, unser
Auftreten und die Art, wie wir eine Sache anpacken oder ein Problem zu
lösen versuchen, wird damit an Qualität gewinnen. Und wenn wir nach
einem geglückten Tag mit dem Suchen und Finden von Freuden vor dem
Zu-Bett-Gehen in den Spiegel schauen, dann werden uns aus dem Spiegel
zwei Augen zulächeln, und dieses gute Gefühl wird uns einen wesentlich
erholsameren Schlaf bringen als in Zeiten, wo wir unser Leben eher
lustlos dahinplätschern ließen.
Wessen Geist allerdings
verkümmert ist oder falsch programmiert, weil er seinem Besitzer eher
falsche als richtige Ratschläge einflüstert, ein solcher Mensch wird
nicht zu dem wohligen Gefühl echter Lebensfreude kommen. Bleiben wir
wachsam, beobachten wir aufmerksam, was uns gut tut oder was eher das
Gegenteil bewirkt bei all unseren Handlungen und Bemühungen um unser
Wohlergehen. Denn was für den einen oder anderen unserer Mitmenschen
durchaus günstig ist, das muss noch lange nicht für uns selbst gelten.
Weil wir nicht nur körperlich verschieden geformt sind und geistig auf
verschiedenen Ebenen unser Leben abwickeln, sondern vor allem unsere
Seelen, unsere Empfindungen und Gefühle total unterschiedliche
Strukturen aufweisen.
Damit sind wir bei der Seele angelangt.
Sie spielt bei unserem Vorhaben, uns für unseren Lebenswinter zu
wappnen, ganz entscheidend mit. Nicht nur wie die Pauke in einem
Orchester oder die Oboen, die Querflöten, die Hörner oder die
Bratschen. Die Seele stellt so etwas wie die "erste Geige" in all
diesen angesprochenen Bereichen dar und ohne ihr wohlwollendes
Mitwirken werden wir unser Ziel nicht erreichen. Sie ist zuständig für
die Stimmungen in uns und speichert all die Freuden, die wir mit Hilfe
unseres Geistes immer wieder anfachen sollten. Zu diesem Suchen und
Aufstöbern von Freuden haben wir bereits einiges gehört und wenn wir
wollen und uns ein bisschen bemühen, dann werden wir dabei auch
erfolgreich sein - egal, ob wir nun wohlhabend sind und sozusagen aus
dem Vollen schöpfen können oder eher einfach und bescheiden unseren
Lebensunterhalt bewältigen müssen.
Irgendwann habe ich mir
Gedanken darüber gemacht, wie unvorteilhaft es in vielen Bereichen
unseres Lebens eigentlich ist, wenn wir von der Natur mit zu viel
Sensibilität ausgestattet wurden. Vielleicht, weil ich mich selbst zu
diesen Menschen zähle, die tief empfinden können und denen damit dies
oder das an die Seele dringt, was stumpfere Zeitgenossen kaum jemals
berührt. Nicht nur einmal habe ich mir gewünscht, mich nicht bereits
von Kleinigkeiten aus dem inneren Gleichgewicht bringen zu lassen - wie
dies der Wind mit Balkonblumen macht, wenn er sie auf den Boden kippt
und sie danach wieder in ihre richtigen Positionen zurückgestellt
werden müssen.
Auch bei mir haben innere Stürme nicht selten für
Unordnung gesorgt und ich musste danach mit den Aufräumungsarbeiten
beginnen, um mein Inneres wieder ins Lot zu bringen, was mir nicht
immer gelang, und oftmals hab ich mich danach gesehnt, gefestigt und
gelassen durch mein Leben gehen zu können. Mit dem inneren Lächeln und
der Ruhe eines Yogi, den kaum jemals etwas erschüttern kann. Dann
wieder denke ich, dass es eigentlich eine besondere Gabe ist, tief
fühlen zu können und starke Empfindungen in mir zu verspüren. Das
bringt die Lichter in mein Leben und in solchen Stunden bedauere ich
all jene, deren Innenleben eher einer Schottergrube als einer
Sommerwiese gleicht.
Die Natur selbst hat solche Unterschiede
vielleicht ganz bewusst herbeigeführt und damit zu einer Art Ausgleich
gesorgt und es wird wohl kaum irgendwo einen Vorteil geben, mit dem
nicht auch ein Nachteil verbunden ist.
Wer tief fühlen kann, den
beunruhigen bereits Banalitäten und kleine Unannehmlichkeiten sorgen
damit viel eher für Unruhe und Stress, als dies bei einem eher stumpfen
Charakter der Fall ist. Andererseits können sich sensible Naturen
bereits an Kleinigkeiten ergötzen und Erlebnisse, die bei feinfühligen
Menschen reihenweise Glückshormone durch die Gegend purzeln lassen,
nehmen abgestumpfte Charaktere kaum jemals wahr. Beispiele gäbe es
bestimmt viele zu dieser Verschiedenartigkeit des seelischen Empfindens
und der damit einhergehenden verschieden angelegten Gefühlswelt in
jedem von uns.
Ich getraue mir nicht zu sagen, dass der tief Fühlende
besser bedient ist als der eher Unsensible, wenn man alle Vor- und
Nachteile abwägt und einzelne Details aus verschiedensten
Lebenssituationen herausfiltert. Was mir wichtig erscheint, ist jene
Form für unser seelisches Dasein zu finden, die uns bei der
Altersbekämpfung weiterhelfen könnte: Einerseits unsere Seele zu
wappnen gegen manche Widrigkeiten des Lebens, andererseits aber auch
für eine gewisse Sensibilisierung bei all jenen Dingen zu sorgen, die
im Verlauf unseres Lebens unsere Gefühle abgestumpft oder vielleicht
zur Gänze zugeschüttet haben.
Wie bereits erwähnt, habe ich
mich wegen meines unruhigen Wesens sehr oft nach mehr Gelassenheit und
innerer Ruhe gesehnt. Deshalb war ich auch immer anfällig für
Experimente, die mir zu so einer Ruhe verhelfen könnten. Ich
interessierte mich für alle möglichen Entspannungstechniken und auch
Angebote verschiedenster Meditations-Möglichkeiten haben stets mein
Interesse geweckt.
Einiges davon hab ich ausprobiert und mit speziell
einer Meditations-Methode habe ich tatsächlich zu solchen in mir
ruhenden Freuden gefunden. Als Leiter eines Internates für
Mittelschüler eines Oberstufen-Realgymnasiums hatte ich täglich einiges
an Stress um die Ohren. Eines Tages habe ich von Transzendentaler
Meditation gehört und schließlich an einem derartigen Lehrgang
teilgenommen. Einem Lehrgang, wo mittels Räucherstäbchen, Blumen,
Yoga-Übungen und Gesprächen über eine gesunde Ernährung eine wunderbare
Atmosphäre erzeugt wurde. Danach habe ich täglich zweimal meditiert, am
Morgen und auch irgendwann im Verlauf des Tages, wenn ich dazu Zeit
fand. Das erforderte allerdings ein noch früheres Aufstehen und fiel
mir nicht immer leicht, weil ich oftmals erst sehr spät zu einer
Nachtruhe kam. Doch es war mir die Sache wert, wenn ich bei diesen
Meditationen mit Hilfe eines Klangwortes eine wohltuende Ruhe in mich
einfließen ließ und nach 20 Minuten Meditation wie neu geboren
erwachte. Weit weg schienen alle Probleme zu ziehen - wie Wolken, wenn
sie zuerst den Himmel verdecken und nach und nach dem Blau weichen.
Natürlich
konnte ich mit Hilfe meiner Meditation nicht jeden Ärger von mir
fernhalten und auch die Wirkung verpuffte nach einigen Stunden wieder -
ähnlich, wie man ja auch mit einem Essen nicht jegliches Hungergefühl für immer
verbannen kann. Irgendwann war ich wieder verspannt, doch Kleinigkeiten
waren über einen längeren Zeitraum kaum noch in der Lage, mein
Innenleben aufzuwühlen.
Mit meinen Meditations-Übungen hatte ich mir
tatsächlich so etwas wie einen seelischen Panzer angeeignet,
vergleichbar einer Regenjacke, bei der normaler Regen nicht bis an die
Haut des Trägers vordringen kann. Da musste es schon einige Zeit ganz
gehörig auf mich einprasseln, um diese Schutzhülle aufzuweichen. Doch
nicht nur zum Schutz gegen Ärger und unvorteilhafte Gefühle von
Erregung diente mir diese Quelle innerer Ruhe, sie sorgte zusätzlich
für Licht und Freude in meinem Leben, weil damit auch Erfolge
einhergingen, die ich in einem verspannten Zustand wohl niemals
errungen hätte. Ein Beispiel will ich hier anführen, weil es zeigt,
welche Wirkung tatsächlich auch in ganz normalen Alltagssituationen
davon ausgehen kann.
Zwischen zwanzig und vierzig hatte ich an
so manchem regionalen Schirennen teilgenommen, ich war fasziniert vom
Schirennsport und das Flitzen durch die Tore war für mich ebenso
erregend wie etwa ein Rendezvous mit einer hübschen Lady. Bei beiden
Dingen bleibt die Freude jedoch aus, wenn dieses Tun nicht auch von
einem gewissen Erfolg begleitet ist.
Als ich mit dem Schi-Rennfahren
begann, war ich einfach zu nervös, zu fahrig und vielfach auch zu
verkrampft, um dabei erfolgreich zu sein. Doch eines Tages hatte ich
diese Variante mit dem Aufspüren von innerer Zuversicht und damit auch
von Vertrauen in meine eigene Leistung gefunden. Ich hatte bei meinen
Ausbildungen für Schi, Tennis, Fußball, Langlauf und Schwimmen Formen
der Auto-Suggestion entdeckt und mit diesen meine Nerven stärkenden
Übungen gesellte sich eines Tages auch der Erfolg dazu. Ich saugte
sozusagen Ruhe in mich und zapfte auf diese Weise innere Kraftquellen
an. Diese Selbst-Beeinflussung hat mir tatsächlich geholfen, denn sehr
oft stand ich bei der Siegerehrung unserer vorwiegend regionalen Wettkämpfe auf dem Stockerl und lächelte mit
dem Pokal in der Hand vom Podium.
Natürlich hätten diese
Meditationen wenig genützt ohne mein technisches Rüstzeug, ohne gutes
Material und ohne die dazu benötigte körperliche Fitness. Ein
Hobby-Schifahrer wird niemals ein Rennen gewinnen, sofern echte
Rennläufer mit der notwendigen Ausrüstung unter den Teilnehmern sind.
Andererseits wird bei annähernd gleichem Können ganz bestimmt der die
Nase vorn haben, der für diese kurze Zeit des Hinunterbrausens ein Mehr
an Energie und auch ein Mehr an innerlicher Festigkeit zur Verfügung
hat.
Damit sind wir zurück beim Thema: dem Wappnen für unseren
Lebenswinter.
Ganz augenscheinlich können wir uns festigen und wappnen
durch Erfolge, wie immer diese Erfolge auch aussehen mögen. Ich hab
doch keine Erfolge!, werden sich manche im zunehmenden Alter dann und
wann denken, weil sie merken, dass ihre Kräfte allmählich nachlassen
und sie sich weg vom Arbeitsprozess oftmals unnütz und ungebraucht
vorkommen. Vielleicht auch deshalb, weil sie sich unter Erfolg die
falschen Dinge vorstellen und vielleicht gar nicht wissen, wie viele
Erfolge überall in jedem Leben zu finden sind, wenn wir uns nur die
Mühe machen, sie zu suchen und bereit sind, mit Hilfe unserer Seele
auch diejenigen Dinge als Erfolge einzustufen, die wir bis jetzt
unbemerkt in irgendeiner Ecke vor sich hinschlummern ließen.
Warum
pfeifen die Männer von der Müll-Entsorgung sehr oft bei ihrer im
wahrsten Sinne des Wortes zu erledigenden Dreck-Arbeit, wo dieses
Pfeifen doch ein untrügliches Zeichen von Freude und Harmonie ist und
von diesen Männern selbst kaum registriert wird? Wie kommen solch "einfache" Menschen zu Freuden, gibt es da irgendein Geheimnis? Der Job
mit dem Wegschaffen des oftmals zudem noch stinkenden Mülls kann das
doch nicht bewirken - oder ist doch der Job dafür verantwortlich und
sind die damit verbundenen sorglos-stressfreien Lebensumstände solcher
Menschen womöglich die Verursacher solcher Gefühle? Mit anscheinend
kleinen und kleinsten Vergnügungen, wenn sie sich am Abend in ihre
Stammkneipe zurückziehen und sich ungetrübter Geselligkeit hingeben.
Mit dem Kippen einiger Biere in ihre Kehlen, mit Lachen und
Karten-Spielen und dem Klatschen der Hand an das Gesäß der vollbusigen
Kellnerin, die eine solche Behandlung eher schätzt, als dass sie sich
darüber ärgert, weiß sie doch, dass sie damit den Männern zu sinnlichen
Freuden verhilft und als Gegenleistung sozusagen mit Komplimenten und
nicht selten dazu auch noch mit einigem Trinkgeld bedacht wird. Danach
geht es heim zu Frau und Kind. Auch da weiß man sich oftmals mit
kleinen Freuden am Leben zu erfreuen, wenn auch der eine oder andere
Streit durchaus möglich ist, der sich bei solchen Menschen jedoch wie
eine Gewitterfront zumeist sehr schnell wieder verzieht.
Wie
sieht die Sache bei von vielen beneideten Erfolgsmenschen aus?
Weshalb
hetzen Manager vielfach mit zusammengepressten Lippen
und versteinerten Mienen durch ihr Leben und oftmals bis spät in die Nacht dem
wirtschaftlichen Erfolg hinterher - wie eine Meute Wölfe hinter
flüchtenden Rentieren? Wie steht es bei denen um Pfeifen oder womöglich
gar Lachen? Ich vermute, dass man eher eine blühende Rose im Schnee
finden wird als ein von Herzen kommendes Lachen bei solchen dem Mammon
huldigenden Erfolgstypen. Die Freizeit wird großteils im Club
verbracht, um neue Geschäftsbeziehungen anzuknüpfen oder zu pflegen und
alle Tätigkeiten dieser Menschen sind vornehmlich darauf ausgerichtet,
sich selbst bestens darzustellen. Die Kinder sind in der Elite-Schule
untergebracht und natürlich ist alles doppelt vorhanden: der Wohnsitz
und dazu die elegante Zweitwohnung, eine pompöse Familienkutsche und
das Sportcabriolet. Und nicht selten gesellt sich zur Frau Gemahlin noch eine
heimliche sinnliche Nebenfreude, sofern die Potenz ausreicht. Doch man hat sich
ja eingedeckt mit Aufputschmitteln aller Art, ohne die geht in so einem
Leben gar nichts mehr.
Wie werden solche Menschen schließlich mit dem
Alter und dem Altern fertig, wenn sie trotz vieler Medikamente und
trotz all der angehäuften Konsumgüter merken, dass ihre Kräfte
zusehends schwinden und sie sich mit Geld zwar vieles, aber bei weitem
nicht alles kaufen können? Vor allem nicht inneren Frieden und echte
Lebens-Freude, für die ganz allein der Zustand unserer Seele
verantwortlich ist.
Kommen wir deshalb zum dritten Teil des
Sprichwortes, wo es heißt: "... und die Spatzen pfeifen lassen!"
Gerne
höre ich Features im Hörfunk und diese Dokumentarberichte über Land und
Leute aus fernen Ländern lassen mich an den verschiedensten
Lebensformen solcher Menschen für etliche Minuten teilhaben. Mit Musik
und fremden Stimmen in allen erdenklichen Höhen und Tiefen. Mit Lauten
von den in diesen Regionen lebenden Tieren und der Beschreibung wie
diese Menschen leben, wie sie sich ernähren, sich kleiden und wie sie
Feste feiern. Welche Möglichkeiten der medizinischen Versorgung sie
haben, wie sie ihre Toten bestatten, wer die Familie als Oberhaupt
anführt, welche politischen Systeme es gibt, wie für Ordnung gesorgt
wird und was mich besonders interessiert, ist, wie alt die Menschen
werden und wie erfüllt sie ihr Leben betrachten.
Ich staune immer
wieder wie oftmals die ärmsten Regionen die anscheinend zufriedensten
Bewohner beherbergen. Ich sage bewusst beherbergen, weil es mir bei
diesen Berichten immer wieder auffällt, dass die einfachsten
Lebensformen sehr oft die glücklichsten Menschen hervorbringen.
Menschen, die noch eine Einheit mit der sie umgebenden Natur bilden,
Menschen mit geringen Bedürfnissen und einem tief in ihren Herzen
wohnenden Glauben an das Gute und an das Sinnvolle in jedem Leben.
Menschen, die ihren Boden, ihr Wasser und die sie umgebenden Tiere
achten und zum Teil auch verehren. Menschen, die sehr oft ihre Hände
zum Gebet falten, Menschen, die für alle erhaltenen Gaben danken, die
aus einem fruchtbaren Boden wachsen oder die ihnen von ihren Tieren
beschert werden, oder "himmlischen" Gaben, die wahrlich von oben
kommen, wenn der Regen den Boden fruchtbar macht, die Sonne das Korn
reifen lässt oder Wolken die Hitze für einige Zeit vertreiben. Oftmals
tiefgläubige Menschen, die an überirdische Mächte glauben und bereit
sind, diesen "Göttern" Opfer zu bringen - zum Dank für alle Gaben, die
sie immer wieder empfangen oder bereits empfangen haben.
Für
ausschließlich am Gewinn orientierte, dem Mammon huldigende
Erdenbewohner in Wohlstandsgebieten sind solche Lebensformen kaum
nachvollziehbar. Bestenfalls belächeln wir die für uns damit verbunden
scheinende Naivität dieser Naturvölker. Wir sind reich an Besitz und
überfliegen in riesigen Jets die Weltmeere. Wir jagen dem Geld nach, um
uns damit all den Kram anzuschaffen, den wir zu einem erfüllten Leben
ganz einfach brauchen, stopfen in Supermärkten unsere Einkaufswägen
voll und unsere Ellbogen sind wie unsere Mäuler die allerwichtigsten
Instrumente, um uns im Leben vorwärts zu bringen. Die Pillen und
Kapseln häufen sich auf unseren Nachtkästchen und die Augen flackern im
Schein der Vergnügungen. Wir erfreuen uns nicht mit Ehrfurcht und
Dankbarkeit an den Früchten der Böden, die uns die Natur für unser
Leben zur Verfügung stellt. Viel eher neigen wir dazu, diese Natur mit
Beton zu vergewaltigen oder durch Abgase, Abwässer und Horrorunfälle
(Öl- und Giftkatastrophen) zu verschmutzen, wir saugen den Duft von
Benzin und Diesel an den ständig anwachsenden Tankstellen in unsere
Nasen und hetzen von Termin zu Termin. Wir treiben mit unseren Lügen
unsere Seelen in die Nähe tiefer Schluchten und dunkler Kanäle, aus
denen die Depression zu uns dringt wie der Gestank der immer höher
anwachsenden Müllberge. Die Gläser klirren und die Bäuche quellen auf
wie Luftballons an Rummelplätzen, wenn sie mit Gas gefüllt werden, und
schaurig hallt so manches Lachen aus den sich mehr und mehr füllenden
Nerven-Heilanstalten.
Allerdings ist auch in unserer Welt des
Wohlstands und der Vergnügungen deutlich ein Gefälle zu beobachten. Der
Wohlstand lässt hier und dort nach und die Armut nimmt auch bei uns
ständig zu. Nicht nur, was Konsumgüter anlangt, die überschwemmen nach
wie vor unser Leben - vor allem das der Reichen und Schönen. Es gibt
auch bereits bei uns Anzeichen von echter Verarmung und immer mehr
Menschen leben auch in unseren Breiten an der Armutsgrenze. Doch nicht
nur die Armen verarmen zunehmend mehr, auch die Reichen scheinen ärmer
und ärmer zu werden. Vor allem, was ihre Gefühle, ihre Herzen und ihre
Menschlichkeit betrifft. Die Gesichter werden härter, die Augen
stechender, die Stimmen klangloser - weit entfernt von dem, was wir mit
lieblich bezeichnen könnten.
Doch was hat das alles mit den "pfeifenden
Spatzen" zu tun?
Einer dieser Dokumentationsberichte handelte
von Usbekistan, diesem teilweise gebirgigen Land an der Grenze zu
Afghanistan. Ein Reporter-Team war in der Region um Bajsun unterwegs,
einem kleinen Städtchen mit nur wenigen Einwohnern, wo Esel noch die
Hauptarbeit vollbringen, wenn es sich um das Tragen von Lasten handelt,
aber auch Frauen Körbe auf dem Kopf durch die steinige Gegend
schleppen. Karg sind die Felder, zerrissen die Schuhe der
Einheimischen, die sich von ihren Ziegen und Schafen ernähren und von
Fladenbroten, die Frauen in Steinöfen backen. Bunt sind ihre selbst
angefertigten Festtagskleider und schwarzgelockte Mädchen sieht man
ebenso an den Webstühlen werken wie alte, schwarz gekleidete Frauen mit
dunklen Augen und angegrautem Haar.
Die Männer sind für die Tiere
verantwortlich und auch für den Anbau der Felder. Die Hausarbeit
erledigen die weiblichen Bewohner und auch das Anfertigen von Schmuck,
das Flechten von Körben, das Spinnen der Wolle und die Betreuung der
Kinder gehört zu ihren Aufgaben. Weit und breit gibt es keinen Arzt,
dafür jede Menge Giftschlangen, vor denen sich die Bewohner durch
Gräben und Wälle schützen, die sie um ihre aus Lehm und Steinen
angefertigten Behausungen anlegen. Doch bei aller Vorsicht - hin und
wieder beißt so eine Schlange dennoch zu. Dann wird kein Gegengift
gespritzt, nicht geschnitten und gedrückt, dann wird gebetet. Und siehe
da, in den meisten Fällen wirken diese Gebete, sowohl bei Menschen als
auch bei den gebissenen Tieren, und das Gift verliert nach und nach an
Wirkung, je länger die Gebete der um das "Opfer" Versammelten anhalten.
Es ist kaum vorstellbar, dass diese mystischen Beschwörungen Erfolg haben
könnten. Und doch - es ist so. Die Gebete scheinen in das Innere jedes
Gebissenen zu dringen und dort ebenso zu wirken wie dies ansonsten nur
ein Serum aus Gegengift machen würde, genauso, wie die Fröhlichkeit in
diese Menschen dringt und ihre Augen strahlen lässt, wenn sie an ihren
Feuerstellen sitzen, singen und feiern und ein knuspriger Hammelbraten
und selbst gebraute Getränke für Freude sorgen.
Was mich
besonders erstaunte, war die Aussage eines alten Mannes, der sein
ganzes Leben als Hirte verbracht hatte, von denen es dort sehr viele
gibt, und deren Lebenssinn es zu sein scheint, die ihnen anvertrauten
Tiere zu behüten, am Abend am Lagerfeuer zu sitzen, gemeinsam zu singen
und zu musizieren und dazwischen immer wieder einmal zu ihren Frauen zu
gehen, um auf diese Weise auch für Nachwuchs zu sorgen. Dieser alte
Mann sagte, dass er sehr dankbar für sein Leben wäre - und wenn er das
Glück hätte, wieder geboren zu werden, dann würde er das Gleiche
nochmals machen, weil er sich nichts Schöneres vorstellen könnte.
Wie
steht es da um uns, wer von uns wollte sein Leben nochmals gleich
ablaufen lassen? Würde ich mein Leben jemals wieder so leben wollen,
wie das bei mir der Fall war, bei alldem, was unter dem Strich dabei
herauskam? Allein die Tatsache, hier nachdenken zu müssen, zeugt vom
Unterschied zu diesem Hirten aus einer alles andere als zivilisierten
Gegend unserer Erde. Warum sagt dieser Mann bedingungslos Ja zu seinem
Leben und warum muss ich zuerst noch recherchieren, um zu einer Antwort
zu kommen - nicht sicher, ob ein Ja dabei herauskommt? Das ist das
Dilemma unserer Wohlstandsgesellschaft: Uns geht es zwar gut und
dennoch hadern viele von uns mit ihrem Dasein und auch die mit
Wohlstand Überhäuften finden sehr oft in ihrem Inneren ein Gefühl von
Leere und Unzufriedenheit vor.
Wie kommt es zu solch inneren
Zuständen, warum können wir uns nicht mit dem begnügen, was wir im
Leben erreicht haben? Warum überfällt uns auch dann eine ganz gewaltige
Ladung an Unzufriedenheit, wenn es uns im Verhältnis zu anderen
Erdenbewohnern mehr als nur gut geht? Warum greifen wir nach den "Sternen" und vergessen dabei all das festzuhalten, was unser Leben bis
jetzt durchaus lebenswert gemacht hat? Warum verspüren die meisten von
uns diese Art von Sehnsucht in sich, die im Sport mit "höher, besser,
weiter" beschrieben wird?
Handelt es sich dabei um einen Fluch oder
vielleicht doch um einen Segen, wenn sich der Mensch kaum jemals mit
dem begnügen kann, was er bereits hat? Würden wir womöglich noch in
Höhlen hausen und unseren Hunger mit blutigem Fleisch oder mit Wurzeln
und Beeren stillen, wäre uns dieses so starke Gefühl, immer noch mehr
zu wollen, nicht bereits von der Schöpfung mit in unsere Gene gelegt
worden? Ist es das Schicksal der Menschen, dass sie nach Neuem streben,
nach Fortschritt und Veränderungen drängen, Erfindungen machen und sich
ständig weiter entwickeln - bis hin zu einer möglichen Apokalypse und
zu dem Fall, wo sich die Natur gegen diese ihre immer mehr in den
Vordergrund drängende Vergewaltigung schließlich auf grausamste Weise
an den Verursachern rächen wird? Stehen wir vielleicht schon kurz
davor, ohne das zu wissen, oder können wir letztlich doch noch zu
Formen des Daseins finden, die für alle Lebewesen auf diesem Planeten
im Einklang mit der Natur erträglich sind, indem wir in vieler Hinsicht
genügsamer werden und tatsächlich "die Spatzen pfeifen lassen"?
Genau
zu dieser inneren Harmonie mit Toleranz, Ehrfurcht gegenüber der Natur
und zu allen Geschöpfen dieser Erde sollten wir letztlich kommen, bevor
wir eines Tages unsere Augen für immer schließen. Es liegt ganz allein
in unserer Macht, unser Leben in diesem Sinne einzurichten - ob wir arm
sind oder reich, dick oder dünn, groß oder klein, gebildet oder eher
natürlichen Instinkten folgend.
Seit der Zeit, als ich mich darauf zu
besinnen begann, welch wunderbare Gaben überall rund um unser Leben
lagern, seit dieser Zeit kann ich wieder vermehrt lachen und mich an
meinem Dasein erfreuen. An den vielfältigsten Freuden, die ich immer
wieder neu entdecke in Natur und Umwelt, durch Literatur, Kunst und
kulturelle Erfreulichkeiten und vor allem auch durch das Wissen, dass
wir Menschen ein Teil eines wunderbaren Kreislaufes sind und das Glück
haben, für einige Zeit in diesem riesigen Orchester mitzuspielen. Auch
wenn wir nicht am Dirigentenpult stehen, auch wenn wir nicht die "Erste
Geige" spielen sollten, eher nur die Pauke betätigen und uns am Klang
aller anderen Instrumente erfreuen. Auch dann an diesem Klang erfreuen,
wenn einer der Mitspieler das eine oder andere Mal danebengreift.
Vielleicht
geht es dem einen oder anderen von uns so wie einem Opfer dieser
Tsunami-Katastrophe. Von den Fluten mitgerissen und ins Landesinnere
geschwemmt, doch auf wunderbare Weise gerettet - mit nur einigen
Schrammen und dieser neu entdeckten Dankbarkeit in sich. Er richtet
seinen Blick hinauf zum Blau und schaut einigen vorbeiziehenden Wolken
nach. Dann beugt er seinen Kopf und plötzlich leuchtet es hervor,
dieses blühende Etwas - versteckt, inmitten einer Dornenhecke.
Wenn
auch wir auf irgendeine Weise im Leben "verunglückt" sind und wir
dennoch irgendwie dankbar nach oben blicken, weil wir noch am Leben
sind und uns vornehmen, unser zukünftiges Leben nach dem
Leitspruch: "Gutes tun, fröhlich sein und die Spatzen pfeifen lassen"
einzurichten, dann könnte es auch uns gelingen, dieses "blühende Etwas"
in uns zu entdecken und uns daran zu erfreuen ...