Kaum jemals werden wir selbst Auslöser dafür sein und kaum jemals lässt sich Glück steuern oder gar zwingen. Das ist der Unterschied zur Freude, die können wir uns selbst herbeiholen.
Glück? Das kommt oftmals wie ein unerwarteter Besuch von lieben Menschen. Und wessen Leben einigermaßen gelingen soll, der muss auch ein Quäntchen Glück dabei vorfinden. Vieles ist machbar, doch ohne Glück, ohne die vom Schicksal ausgewählten richtigen "Bahnen" werden wir auch mit noch so viel Bemühen eher durch unser Leben stolpern als erfüllt und froh dahinzubrausen.
Wer Glück hat, der wird in eine lebensfreundliche Umgebung hineingeboren. Wer Pech hat, dessen Boden ist verseucht und für ein gedeihliches Heranwachsen nicht geeignet. Dazu ein Beispiel aus der Natur. Zwei Samen der gleichen Sorte fallen auf zwei verschiedene Standplätze. Der eine mit herrlichem Boden und genügend Platz zum Wachsen und Gedeihen, der zweite auf steinigen Untergrund mit gerade genug Erde, um anzuwachsen. Eng ist zudem die Stelle und Licht bekommt unser Sprössling auch nur dürftig. Wen wundert es, wenn anstatt eines stattlichen Baumes am Ende ein Kümmerling in der Landschaft steht. Schief gewachsen und schon in jungen Jahren mit dürren Ästen und Zweigen versehen, während der andere ein richtiges Prachtexemplar geworden ist.
Das meine ich mit Glück. Und das setzt sich fort in beinahe allen Lebensabschnitten. Immer wieder ist wohl auch Glück erforderlich, damit etwas gelingt. Wer Pech hat, der landet im Rollstuhl oder kränkelt anderweitig dahin. Wer Glück hat, erfreut sich Zeit seines Lebens an Gesundheit und äußeren wie auch inneren Kräften. Und nicht immer sind wir unseres Glückes eigener Schmied, auch wenn das manche steif und fest behaupten und stur an ihrer Meinung festhalten, dass alles machbar ist. Zu solchen Ansichten kann ich nur den Kopf schütteln und irgendwann werden diese Menschen bestimmt vom Gegenteil erfahren. Hoffentlich nicht schmerzlich am eigenen Körper.
Vieles im Leben scheint mir schicksalhaft angelegt zu sein, vieles auch vom Zufall mitbestimmt und viel weniger als wir meinen, liegt in unserer eigenen Macht. Der Fleißige, Stabile und zügig Vorwärtsstrebende hat eben Glück, diese Eigenschaften bereits mit in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Ein von der Natur mäßig Ausgestatteter kann sich in seinem Leben noch so abstrampeln - seine "Lebens-Ernte" wird dennoch von ähnlichem Ertrag sein wie die Ernte eines Bauern, auf einem ausgelaugten Boden gesät und vielleicht zudem vom Hagel zerschlagen. Wobei wir für den Hagel Schickschalsschläge hernehmen können. Vor denen ist keiner gefeit und glücklich der, dessen Leben von solchen weitgehend verschont bleibt.
Dazu ein Beispiel: Mein Vater verspürte sicherlich auch manchmal das Gefühl von Glück in sich. Zumindest wünsche ich mir, dass er dann und wann davon ein wenig naschen konnte. Doch ganz und gar nicht glücklich war sein Ende: An Parkinson erkrankt, kämpfte er mehr als zehn Jahre gegen den unerbittlichen Feind in ihm. Ohne Chance, dabei siegreich bleiben zu können. Als er seine Augen für immer schloss, handelte es sich vielleicht sogar um so etwas wie Glück, nicht noch länger leiden zu müssen.
Anders der Lebensgefährte meiner Mutter, zu dem sie einige Jahre nach dem Tod meines Vaters gezogen war, weil sie nicht allein leben wollte. Der hatte das Glück, einen wunderschönen Lebensabend verbringen zu können. Mit Harmonie, in Gesundheit und gelassener Freude. Sein Tod? Eine ebensolche Glücksnummer. Mit 98 legte er sich am Abend ins Bett und starb in Ruhe und Frieden. Es würde sich wohl jeder von uns glücklich preisen, so von dieser Welt gehen zu können.
Weg vom Tod, weg vom Alter und zurück zum Glück.
Wie strahlen doch frisch Verliebte vor Glück! Das ist für mich so ähnlich wie wenn der Frühling in der Natur erwacht. Mit einem Blütenmeer, mit duften und grünen, hervorquellen, gluckern und sprießen. Oder das Glück leuchtet auch in der Lebensmitte noch manchmal richtiggehend aus dem einen oder anderen Gesicht. Wenn Erfolge Glücksgefühle mit sich bringen oder wenn wir dann und wann einen "Glückstreffer" landen - nicht nur materiell.
Wie hell leuchtete das Glück doch in meinem Inneren, als nach drei Mädels noch ein Bub aus seinem Gitterbettchen lachte, und welche Glücksgefühle durchströmten mich auch immer, wenn ich nach einem schweren Rennen keuchend meine Latten schulterte, den Hang hinaufblickte und mit dem Gefühl der Bestzeit in der Brust meine Schi zum Auto trug oder beim Fußball mit einem Treffer in einem hart umkämpften Match zum Sieg meiner Mannschaft beisteuern konnte. Oder endlich die in meinen Armen halten durfte, nach der bereits wochenlang alles in mir geschrieen hatte.
Kinderaugen leuchten förmlich vor Glück. Manchmal auch noch die Augen von Erwachsenen. Aber nicht mehr ganz so hell. Und dieses Leuchten wird schwächer, je gereifter und abgeklärter wir werden, und ist vielfach mit der Erfahrung verbunden, dass es sich bei allen Arten von Glücksgefühlen um Vergängliches handelt und dem Wissen, dass solche Gefühle nicht festgehalten werden können. Ähnlich einem erfrischenden Schluck Wasser, das wir aus einer Quelle mit bloßen Händen fassen, uns kurz daran laben und das Wasser danach wieder von uns rinnt.
Jeder von uns kennt wahrscheinlich den Spruch vom Glück und Glas und wie schnell beides zerbrechen kann. Oder wenn manche es mit einem Vogel vergleichen, der kurz bei uns vorbeischaut und schon sehr bald wieder seine Flügel spannt und wegfliegt. Und doch scheinen mir diese Glücksgefühle so etwas wie Munition zu sein für unsere Waffen, mit denen wir gegen manche Unbill des Lebens ankämpfen müssen.
Es scheinen auch die Glückshormone eine wichtige Aufgabe in unserem Leben zu haben, die sich bei Glücksfällen und großer Freude in uns ausbreiten. Weil sie uns stärken und so etwas wie einen Panzer gegen "Feinde" aller Art darstellen, und so wie die Freuden für ein wohltuendes Gefühl in unserer Brust verantwortlich sind.
Was mir in Sachen Glück wichtig scheint, ist die Form des "stillen Glücks" in uns. Nicht jauchzend, nicht laut aus uns polternd, kein Überschwang der Gefühle ist damit verbunden, es tritt nicht schäumend und drängend zutage. Still verharrt es in uns und entlockt uns bestenfalls ein kaum merkbares Lächeln. Es ist dieses wohltuende Gefühl, verbunden mit dem Wissen, unser Leben einigermaßen als gelungen bezeichnen zu können.
Diese Art von stillem Glück empfinden wir vielleicht wie ein Theaterstück, bei dem die Zuseher ihre Hände zum Beifall zusammenklatschen lassen. Wobei wir in diesem Fall durchaus selbst als Zuschauer auftreten können. Manchmal geht so ein Leben allerdings "in die Hose" und die Pfiffe gellen in unseren Ohren und die Buhrufe. Dann wäre es an der Zeit, umzugestalten und uns einem neuen "Stoff" zuzuwenden. Und wenn wir Glück haben, dann wird uns das auch einigermaßen gelingen.
Stilles Glück ist bei mir auch verbunden mit Gefühlen von Gelassenheit, innerer Ruhe und Kraft und dem Wissen, sich auf sich selbst verlassen zu können. Stilles Glück beinhaltet auch das Wissen um die absolute Vergänglichkeit von allem und jedem und der Gabe, Ehrfurcht in uns zu verspüren vor der Schöpfung mit all ihrer Vielfalt und den unzähligen, für uns Menschen kaum verständlichen Wundern.
Stilles Glück wird es aber für uns nur dann geben, wenn wir gelernt haben, zu verstehen und zu tolerieren. Auch jene uns scheinbar unverständlichen Dinge zu tolerieren, deren tieferen Sinn wir momentan nicht verstehen können. Somit kann für mich nicht nur der Tüchtige sich ein Stück vom Glück abschneiden, weil es ja diesen Spruch gibt, dass der Tüchtige auch Glück hat. Für mich hat Glück der, der dieses Gefühl auch dann in sich zur Entfaltung bringen kann, wenn es sich anscheinend auch um ganz winzige Kleinigkeiten handelt, die ihn oder sie glücklich machen können.
Um bei meinen Gedanken zum Thema "Glück" zu einem Ende zu kommen: Nicht umsonst gibt es noch einen Spruch, der mir wichtig erscheint: "Er hatte Glück im Unglück!" Bei einigem Nachdenken und genaueren Betrachten der Lage könnte es tatsächlich so sein, dass auch im Unglück noch ein gutes Stück vom Glück enthalten ist.
Wie immer dieses Unglück auch vorerst aussehen mag ...