Hoffnung - das vielleicht stärkste Medikament, das jemals erfunden wurde. Nicht von uns Menschen, eher bereits von der Schöpfung mitgegeben in unser Dasein. Ein Erbgut sozusagen, das in uns lebt und auch mit noch so viel Wollen kaum jemals zur Gänze in uns auszulöschen ist. Nicht einmal der Tod schafft das, weil die allermeisten Menschen ja doch irgendwie hoffen, dass ihre Seele weiterlebt, und manche Völker und Glaubensgemeinschaften sogar an eine Wiedergeburt glauben und das erhoffen.
Hoffnung, das ist vielfach der Balsam auf nicht heilen wollende Wunden, und einzig und allein dieses Gefühl lässt den einen oder anderen Todgeweihten durchhalten und alle Schmerzen und alles Leid irgendwie ertragen. Wenn auch die Hoffnung für mich oftmals wie ein scheues Reh zu sein scheint: kaum zu erblicken und schon gar nicht mit bloßen Händen zu erhaschen. Und in unzähligen Fällen handelt es sich um vergebliches Hoffen, wenn alles Hoffen umsonst war und sich die damit einhergehenden Bitten nicht erfüllen. Das Flehen um Heilung, das Hoffen auf Gnade und Gerechtigkeit, ebenso wie das Wimmern um Barmherzigkeit, das nicht selten vor einem Marienaltar zu vernehmen ist.
Sehr gut kann ich mich noch an den Tag erinnern, als ich zu einer meiner Prüfungen für die Externisten-Matura in Wien weilte und nach einer derart bestandenen Prüfung mit der "Bim" noch kurz zum Stephans-Dom fuhr. Nicht allein deshalb, weil ich mich bedanken wollte, ich hatte schon immer eine Vorliebe für Kirchen, Kathedralen oder Dome. Die Stille in solchen Häusern, die Besinnlichkeit, das Flackern der Kerzen an Marienaltären, die Farbenpracht der Fresken und das Licht an den Glasmalereien der Fenster haben mich schon immer irgendwie verzaubert. Und wenn die Sonne in diesen Gotteshäusern ihre Strahlen an die Fenster wirft, dann hat dieses Licht etwas zutiefst Geheimnisvolles an sich und prägt sich mit all den anderen Eindrücken jedes Mal tief in meine Seele ein.
Ich trat ein, bekreuzigte mich mit Weihwasser, ging einige Schritte nach vor und nahm in einer der hinteren Bänke Platz. Meine Augen suchten die verschiedenen Lichtquellen auf und am Altar brannte das "Ewige Licht" in einer rötlich schimmernden Öllampe ruhig vor sich hin. Nur wenige Menschen waren im Dom und ich genoss die Atmosphäre der Ruhe, des Friedens und der Besinnlichkeit. Leise drangen Orgelklänge an mein Ohr und an verschiedenen Seitenaltären brannten Kerzen. Manche Besucher standen, andere saßen, etliche knieten in den Bänken, und einige dieser Knieenden murmelten Gebete vor sich hin. Ich atmete ruhig und tief, saß aufrecht in der Bank und hatte meine Hände zwar nicht zum Gebet, aber doch gefaltet. Nach etlichen Minuten des inneren Friedens und der in mir Platz genommenen Andacht hörte ich plötzlich ein Schluchzen hinter mir. Kaum zu vernehmen zuerst, dann folgte ein ebenso leises Wimmern und gleich darauf wieder Schluchzen. Diesmal heftiger. Ich getraute mich nicht, umzusehen. Ganz augenscheinlich hatte jemand einen tiefen Kummer und war mit diesem Kummer und dem damit einhergehenden Leid in den Dom gekommen.
Als ich wenig später aufbrach, sah ich beim Hinausgehen eine junge Frau in der Bank knien. Ganz allein und schwarz gekleidet. Die Hände hatte sie vor ihrem Gesicht zusammengefaltet, kein Laut kam mehr über ihre Lippen. Wahrscheinlich war sie in Gedanken versunken, und wenn das Leid, das momentan anscheinend so sehr auf ihre Seele drückte, auch wahnsinnig groß zu sein schien, so wird sie vielleicht dennoch in diesem Raum voll von Gebeten und einer wohltuenden Ruhe und Besinnlichkeit so etwas wie ein Gefühl der Hoffnung verspürt haben.
Glaube, Hoffnung, Liebe. Das sind die drei vielleicht wichtigsten Bestandteile unseres Lebens und ohne sie wäre wohl ein Dasein kaum vorstellbar. Eher müssten wir dann von einem Dahinvegetieren sprechen. Zum Glauben und zur Liebe komme ich weiter hinten. Bleiben wir jedoch noch für einige Augenblicke bei der Hoffnung. Dieses Wort wirkt wie eine Lichtquelle, die niemals versiegt. Auch nicht im tiefsten Dunkel und auch dann nicht, wenn dieses Licht der Hoffnung herabgebrannt ist bis auf einen winzigen Schimmer, der dennoch nicht zur Gänze erlischt. Manchmal kommt mir diese Hoffnung vor wie das Sonnenlicht, weil es auch die dunkelste aller Nächte nicht schafft, dieses Licht für immer zu verbannen und es mit dem neu hereinbrechenden Morgen wieder zurückkommt, und auch dann da ist, wenn der Himmel mit den schwärzesten Wolken verhangen ist.
Und dieses Licht, diese Hoffnung begleitet uns durch unser ganzes Leben. Bereits im Mutterleib verspüren wir womöglich diese Wirkung, wenn nicht nur die Schwangere hofft, ein gesundes Baby zur Welt zu bringen. Wenn diese Hoffnung durch unsere Kindheit mitwandert wie ein guter Freund und Eltern, Freunde, Verwandte und Bekannte und auch uns selbst immer wieder hoffen lässt, dass dies oder das gut gelingen möge. Dass ein gedeihliches Heranwachsen möglich ist, dass bei mancher Krankheit, bei dem einen oder anderen kleineren oder größeren Missgeschick sich alles wieder zum Guten hinwenden möge und dass selbst bei größtem Leid und tiefstem Schmerz ein höherer Sinn hinter allem stecken könnte. Nicht nur in den Marien-Wallfahrts-Stätten Fatima und Lourdes wird gehofft und gebetet. In jeder Familie, in jeder Liebesbeziehung, an Sportstätten, in Krankenhäusern, Pflegeheimen, in Jets und auf den größten Ozeandampfern lebt die Hoffnung und ist nirgendwo wegzudenken. Die Mächtigsten der Weltpolitik hoffen ebenso wie die Ärmsten der Armen in Afrika, wenn eine Dürrekatastrophe die andere jagt, wenn Bürgerkriege toben, Seuchen wüten und der Hungertod Tausende Kleinkinder hinwegrafft. Überall wird gehofft. Auf Besserung, auf Veränderung, auf einen letztlich guten Ausgang der ganzen Sache. Manchmal kommt mir Hoffnung vor wie ein Rettungsboot, das zu Schiffbrüchigen unterwegs ist. Auch wenn es nicht immer gelingt, die im Meer Treibenden zu retten.
Doch nicht nur bei der Geburt, auch am Ende unseres Lebens wird sehr oft gehofft. Denken wir nur an die zig Tausenden Pflegefälle in Heimen und Familie. Wo sehr viele dieser dem Ende Entgegensiechenden hoffen, endlich sterben zu können. Mit der Hoffnung auf ein Weiterleben im "Himmel", wie immer der auch aussehen möge. Und sogar jene, die nicht an solche Dinge glauben, hoffen. Hoffen, mit ihrem Hinscheiden erlöst zu sein. Mit ewigem Frieden und ewiger Ruhe. Womit Hoffen und Wünschen oftmals ineinander verwachsen. Wobei für mich Hoffen um die Spur weiter weg von unserem Einfluss ist als Wünschen. Nicht umsonst lautet ein Spruch: "Da kann man nur noch hoffen!" Und der Prozentsatz dieser Hoffnungen, die sich irgendwie erfüllen könnten, liegt oftmals in ganz niedrigen Bereichen. Von 1:99 bis vielleicht hin zu 50:50 im besten Fall. Sofern wir die Erfüllung unserer Hoffnungen in Prozenten ausdrücken wollen.
Um zu einem weniger drastischen Fall von Hoffnung zu kommen, wo der Ausgang nichts mit Leben oder Tod zu tun hat, nichts mit Gesundheit oder Krankheit, nichts mit Glück oder Unglück, seelischem Leid oder Gefühlen der Freude. Am ehesten noch mit Gefühlen der Freude, wenn ich das so recht bedenke.
Irgendwann bin ich einmal durch Zufall in einem Casino gelandet, in Stätten, wo nicht nur heruntergewirtschaftete Glücksritter an diesen Stätten der Nervosität und der Schweißausbrüche das Glück zwingen wollen, und wo diese Menschen hoffen mit ein paar Scheinen mehr als beim Ankommen diese meist pompös ausgestatteten Einrichtungen wieder verlassen zu können. Wer allerdings mit beinahe leeren Taschen dort hineingeht, der braucht schon eine gewaltige Portion Glück und nach einem eventuellen Glückstreffer auch eine ebenso große Portion an Verstand, um danach sofort mit dem Spielen aufzuhören, will er das Casino mit Gewinn verlassen. Alle anderen werden auf freiwilliger Basis ausgequetscht wie Zitronen, und ebenso sauer wie diese verlassen sie zumeist diese Stätten der Verlockungen und der zumeist unerfüllten Hoffnungen. Ich war blauäugig genug, um mich in solche Höhlen zu wagen und hoffte und zitterte. Hoffte bei kleinen Einsätzen meinerseits, zitterte, wenn ich meinte, dem "bösen" Spiel endlich auf die Schliche gekommen zu sein und mein Glück erzwingen wollte mit höheren Einsätzen und damit auch mit wesentlich besseren Aussichten auf Erfolg. Geblieben ist mir die Hoffnung. Dass ich irgendwann einmal dem dort anscheinend laufenden System auf die Schliche komme. Was mein Gehirn sofort verneint, weil derartige Systeme immer wieder geändert werden und selbst die eingefleischtesten Profi-Spieler mit peinlichst genauen Aufzeichnungen der Zahlen und stundenlangem Mitverfolgen der Vorgänge diese Systeme nicht durchschauen, und es demzufolge auf Dauer nur einen Sieger geben kann: das Casino. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass eine derartige Einrichtung Pleite gegangen wäre wie andere Firmen das tagtäglich vorexerzieren? Wären die Chancen für die Spieler und das Casino zumindest gleich gut, so könnten nicht die dafür zuständigen Angestellten am Ende eines Tages Tausende Jetons einsammeln und horten. Was ich mir von Casinos erhoffe? Dass sich diejenigen Menschen, denen es ohnehin nicht allzu rosig geht in ihrem Leben nicht mit falschen Hoffnungen in solche Stätten der zumeist unerfüllten Hoffnungen begeben, um sich dort die letzten Euros aus den Taschen ziehen zu lassen. Nicht selten ist diese Spielleidenschaft der Anfang vom Ende aller vorerst in solche Institutionen gesetzten Hoffnungen, und so mancher Spieler landet wegen Betrügereien im Gefängnis oder baumelt mit dem Strick um den Hals an einem Baum, nachdem er seinen letzten Jeton in den Fängen des Casinos verschwinden sah.
"Die Hoffnung stirbt zuletzt!" Das sind keine leeren Worte und sie scheinen tatsächlich zu stimmen. Hoffnung und Hoffen in Hunderttausenden verschiedensten Variationen. Gestorben und begraben erst dann, wenn der letzte Funken verglüht ist und wir ins absolute Loch der Finsternis fallen. Einzig umgeben mit Hoffnungslosigkeit. Das ist das Ende allen Glücks und aller Freude. Und wer einmal dieses Gefühl ganz tief in sich spürt, dem kann nichts und niemand mehr helfen. Oder glüht ganz weit weg vielleicht doch noch dieser winzige Funken irgendwo? Auch im trostlosesten aller Winkel?
Als Abschluss dieses Kapitels will ich noch zwei Dinge anführen, von denen ich mir selbst eine Besserung erhoffe, und wo dieser ganz winzige Funke vielleicht anfängt, irgendwie ein Feuer zu entfachen. Im ersten Fall handelt es sich um die Krebserkrankung eines mir nahe stehenden lieben Menschen, um eine Jugendfreundin meines Bruders. Sage ich hier bewusst, obwohl diese Frau durchaus auch eine Freundin von mir ist. Freundin im Sinne von Verwandtschaft, von Kindheits- und Jugend-Erlebnissen.
Erst vor kurzer Zeit 60 Jahre alt geworden und mit Leukämie im Endstadium dahinsiechend. Das ist zumindest die Auskunft der damit betrauten Ärzteschaft. Vor gut einem Jahrzehnt hat die Sache begonnen, Schwierigkeiten zu bereiten. Immer wieder Arztbesuche, immer wieder Fahrten ins Krankenhaus. Dann vor ungefähr einem halben Jahr die lang ersehnte Knochenmark-Transplantation. Aus Kanada eingeflogenes Knochenmark. Hoffnung auf Besserung. Hoffnung womöglich gar auf Heilung? Die Realität sieht momentan anders aus. Der Zustand der Patientin hat sich weitgehend verschlechtert. Beim leidgeprüften Gatten sind bestimmt bereits Gefühle von Hoffnungslosigkeit durch sein Gehirn gepoltert. Und jetzt kommt mein Beitrag dazu: Ich hoffe ganz fest, dass sich diese fremden Zellen in ihrem Körper, in ihrem Blut nach und nach erholen, festigen und dass damit die von allen erhoffte lindernde und womöglich sogar heilende Wirkung mit einhergeht! Das wäre mehr als nur schön! Die Chancen? Alle müssen ganz fest daran glauben, die Patientin und auch das ganze Umfeld. Dann und nur dann entsteht so etwas wie ein Magnetfeld, das diese Hoffnung nährt und letztendlich die von allen erhoffte Wirkung mit sich bringen kann. Ich bin mir in diesem Fall durchaus meiner Laienhaftigkeit bewusst und dennoch: ich hoffe!
Ganz zum Schluss noch eine Hoffnung speziell für die vielen Scheidungswaisen.
Die Vernunft möge über dieses wahnsinnig starke Gefühl der Begierde und der Lust mit allen damit einhergehenden Hochgefühlen und Freuden obsiegen! Damit die Welle der Scheidungen nicht genauso zunimmt wie dies Hurrikans in letzter Zeit tun und Spuren tiefster Verwüstung hinterlassen. Ganz gleich verwüsten "Gefühls-Hurrikane" mit sexuellen Ausschweifungen und der damit verbundenen Genusssucht immer öfter Familien und damit vor allem das Glück unserer Kinder. Dennoch hoffe ich, dass die Freude am Sex und die Lust an erotisch Erlebtem weiterhin in uns bleiben möge und wir nicht gefühlsmäßig abkühlen wie eine zu spät servierte Suppe und sich die Gefühle der Begierde und der Lust vielleicht doch wieder stärker dem eigenen Partner als den Kirschen in Nachbars Garten zuwenden mögen.
Die Chancen? Die stehen trotz meiner Hoffnung auch hier denkbar schlecht.