Einen Spruch an den Anfang: "Treu bis in den Tod!"
Wie wir daraus bereits ersehen ist der Begriff Treue zumeist mit etwas sehr Ernstem verbunden, ja bisweilen dehnt er sich sogar aus bis zum Tod.
Es gibt tatsächlich Menschen, die lassen sich eher umbringen, als dass sie zum Verräter werden und nicht einmal schwere Folter kann ihren Treueschwur brechen. Und ist nicht auch jede Art von Krieg etwas Ähnliches, wenn Soldaten ihre Haut fürs Vaterland zu Grabe tragen, ohne das vorerst vielleicht in diesem Ausmaß zu verspüren, weil doch jeder Einberufene hofft, dass zumindest er mit dem Leben davonkommt? Sein Leben für die Verteidigung der Seinen und des Vaterlandes einzusetzen und im schlimmsten Falle hinzuopfern, ist die eine Seite - für Machthaber, Diktatoren oder für seinen Glauben fanatisch treu in den Kampf zu ziehen, die andere. Wie das ja auch in unserer Zeit immer wieder vorkommt, wenn wir an die Kriege und an die Terroranschläge mit Offensivcharakter denken.
Ich will hier gar nicht weiter ins Detail gehen, zu widerlich ist mir diese Angelegenheit. Und unfassbar. Junge Menschen binden sich einen Gürtel mit scharf geladenen Bomben um den Körper und mischen sich mit euphorisch glänzenden Augen in eine friedliche Menschenmenge, um ihnen gänzlich unbekannte Männer und Frauen, aber auch Kinder und zahnlose Greise mit in den Tod zu reißen. Wie kann so etwas möglich sein, frage ich mich? Da müssen diese im Kopf anscheinend total Verwirrten irgendjemandem total ergeben sein. So treu, dass sie sich sogar dafür zerfetzen lassen. Treu einem Ziel etwa, einem Regime, irgendwelchen Radikalisten, die mit Hilfe solcher Zerstörungswellen die Menschen auf unserem Erdball in Angst und Schrecken versetzen wollen.
Nicht nur der 11. September in New York mit Tausenden Toten lässt uns erschaudern, auch viele wesentlich kleinere Anschläge erregen unser Gemüt. Wenn dann noch öffentlich die Köpfe von unschuldigen Geiseln abgehackt werden und dieses Abschlachten sogar im TV oder Internet zu sehen ist, dann sind wir an einem Punkt angelangt, wo ich mich allen Ernstes frage, ob wir Menschen nicht sehr leicht und sehr schnell in einen eventuellen Urzustand zurückzuführen sind: In den reißender Bestien, wie er vor Tausenden Jahren womöglich in unseren Vorfahren jederzeit verfügbar verankert gewesen sein mochte. Ganz einfach deswegen, um sich damit gegen überall lauernde "Greifer" aus der Tierwelt einigermaßen zur Wehr setzen zu können?
Entwickelten sich in diesen ersten Stadien der Menschwerdung unserer Ur-Ahnen womöglich unauslöschbar die Gefühle von Hass und Zerstörungstrieb, die durchaus abrufbar auch in der Folge in uns zu lagern scheinen? Können mit Hilfe von Hysterie und Fanatismus diese anscheinend vererbbaren Gefühle jederzeit wachgerüttelt werden, wenn es darum geht, vermutliche Feinde zu vernichten? Oder zählt der Mensch von Haus aus zu den Raubtieren, ausgerüstet mit all jenen Instinkten, die eine solche Gattung von friedliebenden Erdenbewohnern unterscheiden?
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Kommen wir zu etwas Erfreulicherem in Sachen Treue. Ich denke da an die Geschichte von "Krambambuli", dem Hund eines Wildschützen, dem dieser treu ergebene Vierbeiner tatsächlich bis in den Tod treu war. Auch wenn der Hund durch die Umstände zwischendurch in seinen Gefühlen total hin- und hergerissen gewesen sein mochte, als ihm sein neuer Herr ein besseres Dasein anbot und der Hund - sozusagen als Gegenleistung - zum Verräter an seinem ehemaligen Herrl werden sollte.
In dieser Tiergeschichte von Ebner-Eschenbach siegte schließlich die Treue, auch wenn sie mit dem Leben bezahlt werden musste. Im Grunde genommen also auch nicht erfreulich. Erfreulich nur die Tatsache, dass es echte Treue doch tatsächlich zu geben scheint. Und Hunde sind ja bekannt für ihre Treue. Nicht alle zwar, doch die meisten von ihnen schauen demutsvoll und ergeben aus ihren braunen Hundeaugen. Manche dieser Köter sind ja geradezu schwachsinnig treu, wenn sie lieber am Grab ihres Herrn verhungern als Nahrung zu sich zu nehmen und sich über eine schmerzhafte Trennung hinweghelfen zu lassen. So ein treu ergebener Hund bellt oder winselt und wedelt erfreut mit dem Schwanz, wenn sein Gebieter in sein Blickfeld kommt. Und zieht auch dann treu und ergeben duldend seinen Schwanz ein und kriecht zu Kreuze, wenn ihm dieser sein Herr soeben einen ordentlichen Tritt verpasst hat. Vielleicht aus einer Laune heraus oder wegen einer Ungehorsamkeit des Hundes. Doch das kommt zum Glück eher selten vor, die meisten Hundebesitzer sind echte Tierfreunde und beide, Herr und Hund, erfreuen sich ihr Leben lang aneinander. Ohne sich diese Treue jemals geschworen zu haben.
Anders sieht die Treue bei uns Menschen aus. Erst vor kurzem hab ich im Hörfunk eine Sendung verfolgt, in der eine Frau aus ihrem Leben erzählt hat und dass sie als Kind für zwei Jahre in den USA zur Schule ging. Täglich versammelte die Lehrerin die Kinder am frühen Morgen vor der US-Flagge im Klassenraum und alle Kinder mussten ebendort ihren Eid auf ewige Treue zu ihrem Heimatland ablegen und nachsprechen. So ein Tun klingt für mich irgendwie anmaßend. Was soll so ein "Hascherl" im Grundschulalter wohl schon von der Welt wissen und was alles im Verlauf eines Menschenlebens auf einen zukommen kann. Mit einem derartigen Schwur wird so ein Kind ja total auf eine Schiene gesetzt, von der abzuweichen wohl nur mit schweren Gewissenskonflikten möglich ist. Sofern der Ausführende so etwas wie ein Gewissen entwickelt und sich seinen einst abgegebenen Versprechungen verpflichtet fühlt. Ewige Treue - das ist ein Ausspruch, der wie ein schwerer Klotz am Fuß des Schwörenden hängen könnte. Hat doch das Wort ewig allein schon etwas Unumstößliches an sich. Mit nicht der geringsten Chance, daran etwas ändern zu können.
Doch was, wenn sich zwei frisch zu Vermählende ewige Treue schwören und diesen Schwur oftmals schon nach wenigen Monaten oder Jahren des Zusammenlebens brechen, wie das in unseren Breiten immer öfter vorkommt? Auch ich stand bis über beide Ohren verknallt neben der von mir Angebeteten, als mir der Pfarrer den Treueschwur abverlangte. Ich wollte meine junge hübsche Frau tatsächlich immer lieben und allen anderen weiblichen Wesen von nun an abschwören. In guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod uns scheiden würde.
Hatte ich darauf vergessen, als ich nach vielen Jahren der Treue dann doch eines Tages für ein paar Stunden im Bett einer anderen Lady gelandet bin? Was meiner Ehe damals eher genützt als geschadet hat, hatte ich dadurch doch wieder so etwas wie eine Selbstbestätigung bekommen, auch noch für andere Ladies begehrlich zu sein und meinen Mann stellen zu können. Außerdem bin ich ja sehr schnell wieder in die Arme meiner Gattin zurückgekehrt, ohne dass auch nur irgendeine Menschenseele von meinem ehelichen Ausrutscher erfahren hätte. Womit mein Treueschwur zwar einen Kratzer, aber zumindest nach meinem Dafürhalten keinen erwähnenswerten Schaden davongetragen hatte.
Anders schaute die Sache allerdings nach zig Jahren Ehe-Trott und im Stadium meiner Midlife-Crisis aus, als eines Tages diese junge Kollegin zu uns in die Firma kam. Mit ihren so fragend blickenden dunklen Augen und dem ermunternden Lächeln, das sie mir täglich schenkte. Ganz so wie die Sonne ihre ersten Strahlen an den erwachenden Tag verschenkt. Wie stand es da um meine auf ewig geschworene Treue, als plötzlich diese Lieder in mir erklangen? Da hatte wohl ein anderes Gefühl diesen Schwur überdeckt wie der vom Himmel fallende Schnee das letzte Grün einer Wiese bedeckt und unter sich begräbt. Eines Tages war es tatsächlich um mich und um meine Treue geschehen. Und ganz offensichtlich auch um meinen bis dahin noch einigermaßen funktionierenden Verstand.
Wie kann man nur so naiv sein und jemals einen solchen Treue-Schwur leisten! Wer hat schon die Kraft, ihn ein Leben lang durchzustehen, den angetrauten Partner immer zu lieben und niemals mehr in seinem ganzen Leben ein anderes weibliches Wesen in seinen Armen zu halten? Das jetzt als Mann gesprochen. Nur wirklich Hässliche vielleicht oder totale Sex-Muffel. Sollte jedoch auch nur einer der beiden Partner irgendwie attraktiv sein, so hat dieser Schwur nur in den alleerwenigsten Fällen eine Chance, Bestand zu haben. Da wird also bereits am Altar ein Meineid geschworen. Ohne Vorsatz natürlich und ohne zu wissen, was in einem langen Leben alles auf einen zukommen kann. Das gilt für Frauen gleich wie für Männer. Zumindest in dieser unserer fortschrittlichen Welt, in der Sitte und Moral anscheinend unheilbar erkrankt sind.
Tiere haben es da wesentlich leichter. Nehmen wir als Beispiel eine Maus. Die muss ganz allein ihren wenigen Möglichkeiten folgen, sich durch ihr Dasein zu schlagen und nur höllisch aufpassen, dass sie nicht einer Katze oder einem Mäusebussard über den Weg läuft oder einem Auto und sicherlich auch noch anderen Feinden, die sie niederzumachen versuchen. Treu wird sie ganz allein ihren angeborenen Instinkten bleiben müssen, will sie zumindest einen Sommer überleben. Doch die Möglichkeiten der Untreue sind für sie noch wesentlich kleiner als ihr Aussehen.
Ähnlich mag es wohl beinahe allen anderen Lebewesen auf unserem Planeten ergehen. Einzig wir Menschen können aus einer Unzahl von Verlockungen, die ständig auf uns zukommen, wählen. Und es tut wahnsinnig gut, wenn man hin und wieder tatsächlich auf einen Mitmenschen trifft, der allen Verführungen trotzt und stark, treu und zuverlässig seines Weges wandelt.
*** Bis dass der Tod auch ihn hinwegrafft. Auch der ist ein ganz Treuer, wenn er eines Tages vor unserer Tür steht, daran pocht und uns deutet ihm zu folgen.