Wenn der Schnee die Wiesen meterhoch bedeckte und selbst die Tiere des Waldes einer zusätzlichen Fütterung bedurften, weil sie zu wenig Genießbares in der tiefgefrorenen Winterlandschaft vorfanden, dann sah ich sehr oft Männer in Lodenhosen durch den Schnee stapfen, den Hut tief in die Stirn gezogen, den Gamsbart darauf hin- und herfedernd, die Gamaschen weit herauf bis zu den Knien zugeschnallt, damit der Schnee nicht in die wetterfesten Winterschuhe geraten konnte, und über den Rücken das Gewehr hängend, aus dem vielleicht noch vor kurzem donnernd eine Kugel gefahren war und einem kranken Hirsch den Gnadenschuss verpasst hatte oder einem Reh, das sich halbverhungert durch den Schnee geschleppt hatte. Vor dem Jäger bahnte sich der Jagdhund den Weg durch das Weiß, die Zunge hing ihm weit aus dem Maul und er machte immer wieder halt, um zu seinem Herrn zurückzublicken und auf ihn zu warten. So stapften beide der Wildfütterung entgegen, dem schlichten Holzbau, dessen Oberteil im Sommer mit Heu gefüllt worden war. Heu, das im Winter den Tieren des Waldes das Überleben sicherte. Und weil fleißige Menschen diesen Vorrat im Sommer einbringen mussten, deshalb kann ich jetzt diese Geschichte erzählen.
Es war ein wunderschöner Sommertag und heiß brannte die Sonne vom Himmel. An solchen Tagen fuhren unsere Eltern nicht irgendwohin in ein Bad, um sich in der Sonne zu räkeln und Sonnencreme auf ihre Haut zu schmieren oder sich in die Fluten zu stürzen. Sie standen im Morgengrauen auf den Wiesen, die Männer ließen die Sensen durch das taunasse Gras sausen und mähten jeden Halm nieder und die Frauen schulterten die Gabeln und stapften hinter ihren Männern nach, um die umgeschnittenen Halme mit Hilfe dieser Gabeln durch die Luft zu wirbeln und auf dem Boden zu verteilen. Erst danach ging es zum Frühstück, der Kaffee rauchte aus ehernen Kannen und der Sterz brutzelte in riesigen Pfannen, bevor er in den Mäulern der Anwesenden verschwand.
Langsam stieg die Sonne hinter den Bergen hoch, warf ihre Strahlen auf die Wiese hinter unserem Haus und fing an das geschnittene Gras zu trocknen. Das war die Zeit, wo unsere Eltern in den Stall gingen, um die Ziegen zu melken oder die Kuh, den Mist aus den Stallungen zu radeln und auf den Misthaufen zu schütten, auf dem der Hahn mit seinen Hennen nach Würmern scharrte, dazu immer wieder krähte und sich stolz aufrichtete. In diesen drei, vier Stunden gab es genug zu tun, bis auch die Sonne ihre erste Arbeit getan hatte. Dann war es soweit, und die "Heuer" rückten wieder aus. Diesmal jedoch nicht mit Sensen und Gabeln, sondern mit Rechen bewaffnet und sie kehrten das auf einer Seite bereits trockene Gras um, wozu eine eigene Technik erforderlich war. Eine einigermaßen mühsame Arbeit, doch wenn die Glocken vom Kirchturm die Mittagsstunde ankündigten, dann war das Umkehren zumeist erledigt, dann konnte die Sonne auch die Rückseite des Futters trocknen. Dann war aber auch die Zeit gekommen, wo die Mutter am Herd stand, das Feuer im Ofen knisterte, die Suppe in einem riesigen Topf kochte und die Nocken soeben in die Pfanne mit Schweineschmalz geleert wurden, bevor zu guter Letzt das Sauerkraut aus dem Keller geholt wurde und zu den Nocken in die Pfanne kam. Einfach herrlich. Vor allem, wenn einem der Magen vor Hunger knurrte. Zuerst die saure Suppe mit den speckigen Kartoffeln, dem Kümmel und vielleicht ein bisschen Zwiebel und dazu die Krautnocken aus der Pfanne. Als Nachspeise gab es zumeist einen selbstgebackenen Kuchen und dazu eine Schale Kaffee.
Diejenigen, die am meisten geschuftet hatten, die langten auch am kräftigsten zu, doch auch wir Kinder ließen es uns schmecken, während draußen die Sonne die Halme versengte, und wir hatten die letzten Bissen noch nicht einmal richtig im Magen, als die Mannschaft bereits wieder ausrückte und das nun bereits einigermaßen trockene Futter mit Rechen und Gabeln zusammenhäufte. Das brachte Luft unter die Halme, damit konnte der milde Sommerwind die letzte Arbeit verrichten und das Heu knisterte und wurde von Minute zu Minute trockener und dürrer. Ich liebte den Duft des getrockneten Heus, und wenn ich heute irgendwo an einem Bauernhof vorbeigehe und die Menschen bei der Heuarbeit sind, dann bleibe ich jedes Mal für einen Moment stehen und sauge diesen Duft in meine Nase.
Mein Bruder und ich waren zwar nicht mit Feuereifer bei der Sache, aber doch bei der Arbeit. Soweit ganz allgemein, doch meine Geschichte beginnt erst jetzt so richtig. Wir waren nämlich nicht allein, ein Onkel meiner Mutter weilte zu Besuch bei uns in Hieflau. Er lebte allein in Wien, vertiefte sich für gewöhnlich in dicke Bücher und trug runde Brillen auf seiner Nase. Onkel Adolf hatte eine große Leidenschaft und man sah ihm seine Erregung direkt an, wenn er sich aufmachte, um einen der Bergriesen im Gesäuse zu besteigen, von denen jedes Jahr etliche Bergsteiger in die Tiefe stürzen. Wenn man dem Friedhof von Johnsbach einen Besuch abstattet, dann sieht man mit einem Blick, dass hier mehr Bergsteiger als Einheimische in der geweihten Erde ruhen.
Onkel Adolf hatte stets einen Spazierstock zur Hand, einen Holzstock mit rundem Griff und ehernem Spitz und zudem trug er bei seinen Bergtouren stets einen Waidsack auf dem Rücken und sein weißes, lang nach hinten gekämmtes Haar bedeckte zumeist ein abgetragener Hut, der ebenso alt zu sein schien als er selbst. Ich liebte diesen Onkel, wusste er doch so wunderbare Geschichten zu erzählen. Mit Vorliebe saß er auf der Holzbank vor unserem Haus und ich Dreikäsehoch durfte mich an manchem Sommerabend, wenn die Sonne sich bereits anschickte, hinter den Bergen zu verschwinden, zu ihm auf seinen Schoß setzen. Dann las er mir aus irgendeinem Buch vor oder er erzählte mir eine Geschichte aus seiner Jugend und ich lauschte immer andächtig der melodiösen Stimme meines Onkels. Doch diesmal war der Onkel bei uns auf der Wiese, wollte er doch beim Heuen mithelfen. Seine akademischen Hände hatten wohl kaum jemals schwere Arbeit verrichtet, immer wieder wischte er sich während der Arbeit mit einem Taschentuch über sein Gesicht, dennoch tropfte ihm manchmal der Schweiß von der Stirn.
Es mochte ungefähr drei Uhr am Nachmittag gewesen sein, als meine Mutter mit einem riesigen Krug auftauchte. Sie ging damit zum Onkel, dieser machte einen kräftigen Schluck daraus, dann zu meinem Vater und auch der nippte ordentlich am Tongefäß. Dann stellte sie den Krug in die Wiese hinter einen Haufen zusammengerechneten Heus. Das Futter war bereits zum Großteil auf Kopf und Rücken meines Vaters in die Tenne geschleppt worden und mein Onkel stand in der Wiese, stützte sich auf den Rechen und schüttelte immer wieder den Kopf.
Auch ich schüttelte meinen Kopf, aber nicht freiwillig. Er wurde mir sozusagen geschüttelt und ich lachte und schlug unentwegt Purzelbäume über den einen oder anderen Heuhaufen. Meine Eltern und der Onkel meinten zuerst, ich wollte ihnen eine Kostprobe im Bodenturnen vorführen. Doch irgendwann kam ihnen die Sache nicht mehr ganz geheuer vor. Und jetzt hatte meine Mutter den leeren Krug entdeckt.
"Um Himmels Willen, der Hermann hat den Most erwischt."
Was soll ich dazu sagen? Dieses Schweben, dieses Rauschen in den Ohren und die aus weiter Ferne zu mir heranpurzelnden Stimmen. Dazu dieses Jauchzen und Singen und bei jedem Sturz auf den Boden flimmerten die Sterne vor meinen Augen ...