Ich weiß noch ganz genau, welche Freude wir Kinder immer hatten, wenn im Spätherbst die Nächte kalt wurden und am Morgen der Reif von den Wiesen leuchtete. Da holten wir unsere Schlitten vom Dach- oder Hüttenboden und noch vor dem Schulgehen mussten wir ganz einfach einmal die Wiese hinter unserem Haus hinunterbolzen. Hurra, der Winter kommt! Dann kam er tatsächlich, zumeist schon Anfang November, und zu Allerheiligen lag schon sehr oft Schnee auf den Gräbern. Für uns Kinder war das immer irgendwie geheimnisvoll. Vor allem, wenn bei einbrechender Dunkelheit am Friedhof die Kerzen still vor sich hinbrannten und manchmal richtiggehend brutzelten, weil die vom Himmel segelnden Flocken in die Flammen fielen.
Manchmal gab es aber auch sonnige Allerheiligen- und Allerseelentage und wir Ministranten schritten hinter dem Pfarrer über den Friedhof, dahinter die Männer und am Ende die Frauen. Der Mesner betete laut vor und die Menge sprach murmelnd ein "Vaterunser" nach dem anderen. Der Pfarrer schritt durch die Gräberreihen, sprengte Weihwasser auf die Grabhügel, dazu schwenkte der Mesner den Weihrauchkessel und hustete, wenn ihm der Rauch zu sehr in die Nase stieg. Danach ging die Menge die Stufen hinab zum Kriegerdenkmal, um der Gefallenen und Vermissten zu gedenken, die ihr Leben irgendwo auf den Schlachtfeldern, weit weg von der Heimat, ausgehaucht hatten. Der Kameradschaftsbund war angetreten, der Männergesangverein erhob seine Stimmen und die Blasmusik spielte das Lied vom "guten Kameraden". Dazwischen krachte es mehrmals ganz gewaltig und so mancher Teilnehmer zuckte erschreckt zusammen, wenn hinter der Friedhofmauer der Schussmeister den einen oder anderen Böller entzündete.
Allerheiligen, das war die Zeit, wo wir Kinder uns für den kommenden Winter bereitmachten, keine Kerze war vor uns sicher, Wachs klebte an unseren Händen, Pullovern, Hosen und auch Schuhen, weil es einfach herrlich war, die Kerzen immer wieder dort und da hochzuheben, ein bisschen vom flüssigen Wachs zu befreien oder frisch zu entzünden, sofern sie der Wind, der Regen oder der einsetzende Schneefall ausgelöscht hatten. Dazu dienten uns kleine Äste, die von den um den Friedhof stehenden Bäumen gefallen waren, dazu nahmen wir aber auch Halme von getrockneten Gräsern, die am Boden lagen, dazu benützten wir natürlich auch das eine oder andere Streichholz. Mit Streichhölzern mussten wir sehr sparsam umgehen, sie waren eine ausgesprochene Kostbarkeit, und wenn einer von uns Buben eine Schachtel Streichhölzer irgendwo ergattert hatte, dann hütete er diese wie einen Schatz und versteckte sie irgendwo, damit die Eltern sie nicht fanden. Denn sonst waren sie weg! Und sofern nicht bereits zu Allerheiligen Schnee lag, brauchten wir nicht mehr allzu lange auf den weißen Segen zu warten.
Beim nächsten Schlechtwetter kam er in unserem Gebirgstal ganz bestimmt vom Himmel gesegelt.