Die Ferien sind wie immer viel zu schnell vergangen. Mein Aufenthalt in Unterach war traumhaft, doch die Schule hatte mich wieder und braungebrannt saß ich im Bus Richtung Bahnhof Radmer. Irgendwie seltsam das Gefühl und irgendwie vielleicht auch verbunden mit ein bisschen Angst vor all dem Neuen, das jetzt vor mir auftauchte wie ein riesiger Berg, den es zu besteigen gab. Genau so fühlte ich mich. Und doch überwog die Freude und die Neugier, was dieser neue Lebensabschnitt wohl alles mit sich bringen würde, denn mit einem Schlag ein Hauptschüler-Dasein zu führen, das war eine gewaltige Veränderung in meinem Leben. Und jetzt saß ich in dieser alten Klepperkiste, hörte das Dröhnen des Motors, sah beim Zurückschauen den Rauch aus dem Auspuff qualmen, wenn der Mann mit der Kappe auf dem Kopf bei einer Steigung wieder ordentlich aufs Gaspedal trat, damit der Diesel uns Fahrschüler rechtzeitig zum Bahnhof und damit zum Zug brachte. Entlang am rauschenden Gebirgsbach, dessen Schaumkronen sich in der ersten Morgensonne spiegelten, wenn das Wasser über im Bachbett liegende Gesteinsbrocken Tal auswärts stürzte.
Ich war zwei Tage von meinem zehnten Geburtstag entfernt und hatte natürlich noch keinen bewussten Blick für derartige Naturschönheiten, vielmehr interessierten mich die Schönheiten, die sich innerhalb des Busses befanden und kunstvoll geflochtene Zöpfe an ihren Köpfen hatten wie etwa Renate, die Schwester meines Freundes Dietrich, für die ich mich ja schon seit einiger Zeit interessierte und die jetzt genauso im Bus saß wie die Monika aus meiner Klasse. Dietrich hatte die Qualifikation für die Hauptschule leider nicht geschafft. Aus welchem Grund auch immer. Schade. Und auch der Frantschgerl nicht. Dafür saß mein Bruder Herbert im Bus und der Horst, der Siegfried vom Bäckermeister, der Fred als eines der elf Kinder vom Mesner und sogar zwei, drei Buben aus der Hinterradmer. Die Großen saßen weit hinten im Bus und wer ganz hinten auf der Sitzbank einen Platz inne hatte, der hatte es zumindest beim Schulfahren geschafft. Durchwegs Schüler der vierten Klasse Hauptschule. Die Mädels und die Kleineren mussten sich irgendwo vorne einen Platz suchen. Es gab eben eine Hackordnung wie bei den Hühnern und wer von den Buben weiter in der Rangliste nach oben kommen wollte, der musste das in erster Linie mit seinen körperlichen Qualitäten versuchen. Schwächlinge hatten keine Chance, jemals von der letzten Reihe des Busses aus über die holprige Landstraße zum sieben Kilometer entfernten Bahnhof Radmer kutschiert zu werden.
In die Volksschule ging ich an die zehn Minuten zu Fuß, bevor ich mich für einige Stunden der Obrigkeit unterwarf. Jetzt latschte ich zuerst etliche Minuten zur Bushaltestelle beim Berger, mit dem Bus ging es ca. 20 Minuten zum Bahnhof, dann hieß es eine Viertelstunde warten auf den Zug und weitere 20 Minuten fuhren wir mit dem Dampfross Richtung Eisenerz. Zum Schluss nochmals zehn Minuten zu Fuß zur Hauptschule. In meiner neuen Umgebung waren hauptsächlich Buben aus Eisenerz, etliche aus Hieflau, dazu noch der eine oder andere aus Großreifling, der Gams, Lainbach. Ein bunter Haufen mit nur einem Fehler: Es gab in der Hauptschule keine Mädels in unserer Klasse! Die waren in einem anderen Gebäude untergebracht. Dass es dennoch nicht allzu eintönig wurde, dafür sorgten die gemeinsamen Fahrten in Bus und Zug und ganz wesentlich natürlich auch die Aufenthalte in den Bahnhöfen, vor oder nach dem Unterricht. Meine Welt war eine größere, weitere geworden, und so wie ich nach und nach um einige Zentimeter pro Jahr größer und stärker wurde, genau so vergrößerte sich in den nächsten vier Jahren meiner Hauptschulzeit auch mein schulisches Wissen und ich reifte auf meinem Lebensbaum nach und nach heran wie ein Apfel in den ersten Wochen seines Entstehens.