Chauffeur sein, mit einem komfortablen Bus auf einer lieblichen Landstraße durch die Gegend kurven, im Inneren des Busses lauter nette, wohlerzogene Menschen, dezente Musik aus gut funktionierenden Lautsprechern das kann ich mir durchaus schön vorstellen. Chauffeur sein mit einem Bus voll Fahrschülern, nicht selten übermütig lärmenden und sich womöglich auch noch im Bus balgenden Schreihälsen das wird womöglich zu einem frühen Alterungsprozess bei manchem dieser Leute mit der Kappe auf dem Kopf führen. Daran hat sich bis heute nichts geändert und wenn ich manchmal mit dem Auto an einer Haltestelle vorbeifahre, wo zig Schüler auf den Bus warten, dann steigen Erinnerungen in mir hoch.
Bei den Chauffeuren war es bei uns so wie bei den Lehrern. Manche mochten wir und bei denen gab es kaum jemals größere Schwierigkeiten, was Disziplin, den Verlauf des Unterrichts bzw. die Fahrten zur Schule und von dort wieder nach Hause betraf. Solche Unterrichtseinheiten und auch solche Fahrten verliefen harmonisch und es herrschte dabei eine für alle spürbar angenehme Atmosphäre zwischen Schülern und Lehrer bzw. zwischen Fahrschülern und Chauffeur. Wieder andere hatten wir weniger in unsere Herzen eingeschlossen, da kamen hin und wieder Spannungen auf und der Lehrer bzw. der Chauffeur hatte in so einem Fall alle Hände voll zu tun, um Ordnung und Disziplin herzustellen. Meist mit Hilfe von autoritären Maßnahmen wie ständigen Ermahnungen und nicht selten dem Androhen und manchmal auch dem Verhängen von Strafen. Dann gab es vereinzelt auch Lehrer oder Chauffeure, die wir Schüler regelrecht hassten. Da kam wenig Freude auf. Sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite und hin und wieder arteten solche gegenseitigen "Liebesbeziehungen" in richtige Gemeinheiten aus.
Ich will hier von unseren Chauffeuren berichten. Wir hatten drei Stück davon. Den, den wir am meisten mochten, der fuhr allerdings am seltensten. Er war sozusagen nur Urlaubsvertretung oder kam vor allem dann zum Einsatz, wenn einer der beiden ortsansässigen Hauptchauffeure erkrankt oder auf Urlaub war. An solchen Tagen liebten wir es regelrecht, zur Schule zu fahren, denn hinter dem riesigen Lenkrad des dahinschnurrenden Diesels werkte ein Mann, der uns Schüler bei seinen Fahrten beinahe zum Jauchzen brachte.
Die Straße von Radmer durch das enge Tal hinaus nach Hieflau war kurvenreich und mit etlichen Steigungen und damit auch wieder Gefällen versehen. Es handelte sich um eine buckelige Schotterstraße, auf der bei Schönwetter eine Staubfahne weithin sichtbar die Fahrt des Busses begleitete, wenn er mit brummendem Motor über so manches Schlagloch schaukelte oder, noch besser, holperte. Und dieses Holpern über die Schotterstraße wurde für uns Schüler zum echten Genuss, wenn der "Dienstler", wie wir den Aushilfschauffeur nannten, mit seiner riesigen Kappe auf dem Kopf hinter dem Lenkrad saß und ordentlich Gas gab. Allein das unterschied ihn schon von seinen zwei Kollegen. Er trieb den Diesel über Stock und Stein und jagte den Bus durch die Kurven, so dass wir im Inneren richtiggehend hin- und hergeworfen wurden, und wir konnten im Rückspiegel dabei sein lachendes Gesicht sehen. Zudem war der Mann stets freundlich, niemals schimpfte er mit uns, und wenn er auch klein von Statur war, für uns war er dennoch der Größte. Zum Dank für seine stets nette Art uns gegenüber gab es dafür beim Anstellen zum Einsteigen von unserer Seite keinerlei Drängeleien und als Gegenleistung für seine tollen Fahrten verhielten wir uns auch beim Fahren diszipliniert und hinterließen keinerlei Abfälle irgendwelcher Art im Bus. Wir mochten den "Dienstler" und er mochte uns. So einfach ist das manchmal im Leben.
Die beiden anderen Chauffeure? Beide richtige "Grantler". Immer meckernd, immer auf übergroße Disziplin achtend und mehr als nur kleinlich und intolerant. Sofern einer von uns seine Wochenkarte, die bei jeder Fahrt dem Chauffeur vor die Nase zu halten und von diesem mit einer Zange zu zwicken war, zufällig vergessen hatte, wurde ein riesiges Problem daraus gemacht. Ebenso, wenn beim Anstellen zum Einsteigen nicht alles in Reih und Glied stand. Da gab es Ermahnungen und Erklärungen und nur widerwillig folgten wir den Anordnungen dieser beiden Chauffeure. Zudem krochen sie auf der Strecke dahin, dass wir beim Mitfahren beinahe einschliefen. Ganz einfach zum Gähnen, richtig langweilig und ohne irgendwelche Höhepunkte.
Einmal sorgte ich jedoch für so einen "Höhepunkt", weil uns dieser Mann am Vortag wieder einmal ganz gehörig diszipliniert hatte und die ganze Reihe etliche Minuten vor der verschlossenen Bustür stehen ließ, bis wir uns schließlich in Reih und Glied angestellt hatten. Das erregte vor allem meinen Zorn. Am Tag darauf schlich ich mich während der Fahrt mit einem weißen Säckchen in der Hand im Bus nach vor, duckte mich zwei Reihen hinter dem Chauffeur hinter die Sitzreihe, öffnete das Säckchen und leerte etwas von dem grauen Pulver in meine Hand. Ganz vorsichtig, um nur ja nicht dabei mit dem Säckchen zu rascheln und sehr tief hinter die vordere Sitzlehne geduckt, damit mich der Chauffeur auch ganz bestimmt nicht im Innenrückspiegel sehen konnte. Dann die Hand in Gesichtshöhe gehoben und leicht über die Handfläche geblasen. In Richtung Chauffeur, versteht sich. Und wieder tief geduckt. Das Niesen war laut zu hören und auch das Lachen meiner Mitschüler artete beinahe zum Gejohle aus, als der Gute nach dem dritten oder vierten Mal Hinblasen wieder furchtbar nieste. Doch einer lachte wenig später nicht mehr: Der Chauffeur ahnte wohl etwas, hielt den Bus kurz entschlossen an, drehte sich im Sessel um und entdeckte mich zwei Reihen hinter sich.
Schwarz qualmte der Rauch aus dem Auspuff, als der Bus um eine Straßenbiegung aus meinen Augen verschwand. An die fünf Kilometer musste ich noch zu Fuß zurücklegen und meine Wange brannte auch irgendwie. Alle meine Beteuerungen, das Niespulver hätte in keiner Weise ihm gegolten, hatten leider nicht geholfen.
Nicht allzu lange danach hab ich mich aber für die Ohrfeige gerächt und für das Hinausschmeißen aus dem Bus, das natürlich nicht wörtlich zu nehmen ist. Aber irgendwie hatte es so etwas wie Hinausschmeißen an sich, als mich der Chauffeur mit einigen Schimpfkanonaden aus dem Bus jagte und meinte, so einen Lümmel würde er nicht mehr mitnehmen und ich solle gefälligst zu Fuß nach Hause marschieren. Ich fühlte mich zwar nicht gerade zu Unrecht bestraft, und doch irgendetwas musste ich diesem Mann noch antun. Eine kleine Retourkutsche sozusagen. Und ich wusste auch schon, was.
Es war Februar und jede Menge Schnee in unserem Gebirgstal. Manchmal kam es sogar vor, dass zu viel Schnee gefallen war und der Bus nicht fahren konnte. Weniger, weil der Schneepflug die Schneemassen nicht bewältigen konnte oder irgendetwas bei diesen Einsätzen am Schneepflug defekt wurde. Das gabs natürlich auch, aber viel öfter kam es vor, dass die Straße wegen einer oder mehrerer abgegangener Lawinen ganz einfach unpassierbar war, so dass niemand aus unserem Tal hinaus aber auch kein Mensch zu uns nach Radmer kommen konnte, ehe die Schneemassen nicht weggeräumt wurden und die Straße wieder freigegeben worden war. Für uns Schüler eine herrliche Zeit. Nicht, weil wir die mit diesen Lawinenabgängen verbundene Gefahr so liebten, sondern ganz einfach, weil wir damit nicht zur Schule mussten.
Aber ich will ja vom Chauffeur berichten und von meiner kleinen Rache an ihm für den Verweis aus dem Bus und dem über eine Stunde Dahinhatschen müssen, bis ich endlich zu Hause war und zudem meiner Mutter erklären musste, warum ich erst so spät von der Schule kommen würde. Die ganze Wahrheit konnte ich nicht berichten und deshalb musste ich auch hier noch nach einer Ausrede suchen. Also nur Unannehmlichkeiten in diesem Fall. Deshalb sollte auch der Chauffeur eine kleine Unannehmlichkeit erleben.
Wie jeden Tag stand der Bus am Straßenrand hinter dem Bahnhof Radmer. Alle Fahrschüler waren bereits ausgestiegen, der Chauffeur auf eine Schale Kaffee zum Fahrdienstleiter in dessen geheizte Stube gegangen, bevor er in wenigen Minuten die Weiterfahrt Richtung Eisenerz antreten würd. Warum wir Schüler am Bahnhof Radmer aussteigen und mit dem Zug weiterfahren mussten, das ist mir bis heute nicht klar, wo doch der Bus auch nach Eisenerz fuhr. Aber es war eben so. Wir mussten an der Radmer-Station an die zehn Minuten warten, ehe wir in den Zug aus Richtung Hieflau kommend, steigen konnten. Jetzt war die Luft rein und die Gelegenheit günstig. Ich schlich hinter den Bus, ballte Schneebälle und schob einen nach dem anderen in den Auspuff des Diesels. Etwa fünf Stück, wobei ich bei jedem in den Auspuff gestopften Schneeball kräftig nachdrückte. Dann haute ich ab.
Schon kam der Chauffeur um die Ecke und zufrieden leckte er sich den Rest seines genossenen Kaffees von den Lippen, ehe er in den Bus stieg. Dann schloss er die Seitentüre und startete. Besser gesagt, er versuchte zu starten. Doch außer einem mühevollen Durchdrehen des Starters rührte sich nichts. Noch ein Versuch. Wieder nichts! Noch einmal. Nichts! Ein erster Fluch war zu vernehmen. Dann eine Pause. Wieder das Anlassen des Starters. Nichts!
Mich hatte zum Glück niemand bei meiner Aktion gesehen. Das rettete mich sozusagen, denn irgendein Mitschüler hätte ganz sicher nicht dicht gehalten. Obwohl der Chauffeur vermutete, dass ich hinter der Aktion stecken würde, leugnete ich standhaft. Zugegeben hab ich absolut nichts! Wäre in diesem Fall auch nicht sehr klug von mir gewesen. Schaden war auch kein größerer entstanden.
Ich hatte meine kleine Rache!
Der Chauffeur kniete mit einem Stück Eisendraht in der Hand fluchend hinter dem Bus und kratzte den Schnee aus dem Auspuff, bevor er schließlich mit einiger Verspätung abdampfte ...