Gefeiert haben die Menschen vermutlich schon immer und sie werden es auch weiterhin tun, so lang sich unsere Erde dreht und es menschliche Lebewesen darauf gibt. Ob dies in Afrika bei Trommelklängen geschieht oder ob die Menschen in New York aus ihren Hochhäusern kommen und sich in irgendwelchen Lokalen oder wo auch immer zu Festivitäten versammeln, sich Eskimos in einem riesigen Iglu treffen, Fische braten, singen und sich vor allem die Männer betrinken egal, Feste zu feiern gehört zum Jahresablauf wie die Nächte mit Vollmond und diese Feierlichkeiten sind so etwas wie Brennstoff, um damit die Lebensfreude der Menschen anzuheizen.
Gefeiert wurde natürlich auch bei uns in Radmer. Wir hatten ja nicht nur einen fürstlichen Forstbetrieb, sondern auch einen kleinen Erzberg, wo Eisenerz abgebaut wurde. Da gab es nicht nur Schwerarbeit zu verrichten, sondern eben auch Feierlichkeiten - zumindest einmal im Jahreskreis. Die Bergleute machten das bei ihrer jährlichen Barbara-Feier. Mit Fackeln marschierten sie im Morgengrauen in einer Prozession zur Kirche, feierten mit dem Pfarrer und ihren Angehörigen die heilige Messe, dankten dem Herrgott für dieses und jenes und vor allem, dass sie nicht im Stollen verschüttet wurden oder irgendwo anders beim Eisenerzabbau zu Schaden gekommen waren. Bie dieser Feier wurde die Bergwerkstracht getragen, das Bergwerkslied gesungen, der Verunglückten und der Verstorbenen gedacht, da krachte mancher Böller, es spielte die Blasmusik und bis weit über die Mitternacht hinaus ging es hoch her im riesigen Saal beim Erzbergwirt. Ausgiebig wurde gegessen und getrunken, die Musik sorgte zusätzlich für Stimmung und es wurden auch allerlei Gedichte und Gedanken über den gesamten Jahresablauf vorgetragen. Reden wurden gehalten, Ehrungen für Dienstjubiläen vorgenommen und so manchen Kumpel sah man "vollgefeiert" zu später Stunde nach Hause wanken.
Genauso machten dies die Forstleute zu Clementi. Mit der Fürstin an der Spitze und den beiden Prinzen an ihrer Seite. Dem Forstmeister, den Förstern und Jägern, den Holzknechten und allen beim Forstamt Beschäftigten. Auch hier der beinahe gleiche Ablauf der Feier mit Gottesdienst und Fackeln im Morgengrauen, anschließend der Gang zum Wirtshaus und zur eigentlichen Festlichkeit mit Blasmusik und Gesang, und der eine oder andere Jauchzer hallte von den Saalwänden wider. Nach einem ausgiebigen Festessen sorgte die Tanzmusik für Stimmung und mancher Magen wird an diesem Tag wohl übergequollen sein vom Schweinebraten oder anderen Köstlichkeiten, die manch verwegen dreinblickender Holzfäller zudem in flüssiger Form in sich steckte. Und wie es bei den Jägern nun einmal so ist: Ab und zu hörte man vor dem Haus eine Büchse knallen, wenn ein Schuss zur Feier des Tages in den nächtlichen Himmel abgefeuert wurde.
Feiern im Jahreskreis gab es noch etliche. Es gab die Erstkommunion-Feier mit den ganz in weiß gekleideten Mädchen, den Buben in den Steirer-Jankerln und den Lederhosen, genauso wie das Fest mit den Firmlingen, denen der "Heilige Geist" Erleuchtung bringen sollte. Sehr schön war immer Fronleichnam, wo viele Fenster an den Häusern, an denen die Prozession vorüberzog, mit Heiligenbildern und Blumen geschmückt wurden, immer wieder Birkenzweige den Weg der Fronleichnam-Prozession zierten und der Pfarrer unter dem künstlichen Himmel die Monstranz von Station zu Station trug. Die Gläubigen beteten und sangen, die Blasmusik spielte und junge Männer trugen schwere Fahnen des Weges.
Gefeiert wurde auch beim Almabtrieb, wo die Rindviecher mit Spiegeln und bunten Bändern geschmückt von den Almen getrieben wurden und am Anfang des Zuges ein Stier mit einem Bäumchen auf dem Kopf einher schritt, geführt vom Senner oder der Sennerin, sofern diese noch kräftig genug war, um den gewaltigen Kerl am Nasenring in der Hand zu halten. Dazwischen die Pferdefuhrwerke mit den Holzknechthütten auf den Leiterwägen, und in diesen Hütten befanden sich starke Männer mit kantigen Gesichtern, Hacken und Sägen und dazu Musikanten, zu deren volkstümlichen Weisen die Holzknechte einen Schuhplattler vortrugen und für Stimmung sorgten. Ebenso gab es Wägen, auf denen Sennerinnen soeben produzierte Almschmankerl in die Zuschauer warfen. Am Ende des Zuges kamen die Sautreiber, schwarz gekleidet und mit von Russ geschwärzten Gesichtern rannten sie hinter einigen Säuen her, schnalzten mit Peitschen, liefen vor allem jungen Mädchen nach, beschmierten diese mit Russ und versuchten, sich von der einen oder anderen Maid einen Kuss zu rauben.
Ein für uns Buben sehr schönes Fest war das Kirchfest. Die Kirche in Radmer ist dem Heiligen Antonius geweiht, eine wunderschöne Barockkirche, zu der das ganze Jahr über Wallfahrer pilgern. Sehr viele Wallfahrer kamen auch speziell zum Kirchweih-Fest. Meist in einem langen Marsch aus nah und fern pilgerten sie in unser kleines Bergdorf. Uns Buben interessierten jedoch nicht die Wallfahrer, für uns war vor allem der "Kirtag" wichtig. Die vielen Standeln auf dem Platz vor der Kirche und die Straße entlang bis hinunter in den Ort. Bei diesen Standeln gab es beinahe alles, was man sich nur wünschen konnte: Von Schaumrollen bis hin zu Trillerpfeifen, Haarbürsten, Röcken, Socken, Halstüchern, Luftballons, Taschenfeiteln, Uhren, Ringen und Ständen mit Luftdruckgewehren, mit denen man entweder auf die Scheibe oder auf Kunststoff-Röhrchen mit Papierblumen schießen konnte. Jeder wollte sich irgendetwas vom Kirtag kaufen und auch für uns Buben gab es ein bisschen Kirtag-Geld von den Eltern, von der Tante oder dem Onkel, vom Göd oder der Godi, von der Oma oder dem Opa, sofern man solche "Freudenspender" für Kirchtage in der Verwandtschaft und in greifbarer Nähe hatte.
Ganz oben auf unserer Wunschliste stand ein Taschenfeitel ein hölzernes Klappmesser mit einer einfachen Klinge rot, blau oder grün gefärbt. Dazu einige Schleckereien und eine Blase, um ein bisschen Lärm machen zu können. Dann war's aber zumeist vorbei mit der Herrlichkeit, sprich mit dem Taschengeld. Dabei hätte es noch so viele andere Dinge gegeben, nach denen alles in uns förmlich schrie. Doch es blieb beim Wunschdenken und beim Betrachten all dieser Sachen. Die Stoppelrevolver vom Vorjahr hatten wir natürlich auch mitgebracht. Jetzt brauchten wir nur noch die nötige Munition dafür. Ein bisschen Geld hatten wir dafür aufgespart.
Der "Fredi" aus Graz betrieb eine Schießbude und wir Buben verschossen bei ihm auch dieses Jahr wieder einen Großteil unseres spärlichen Kirtaggeldes. Der Fredi war wie jedes Jahr allein an seinem Stand und irgendwann zu Mittag verließ er kurz seine Schießbude, um sich im nahe gelegenen Gasthaus mit einem Paar Würstel und einem Bier zu stärken. Wir Buben sollten währenddessen auf seine Schießbude achten und Vorbeikommenden sagen, dass er schon sehr bald wieder hier sein würde. In einer Lade entdeckten wir etliche Stoppelrevolver und zu unserer großen Freude auch die dazu gehörende Munition. Als er wieder auftauchte, lobte er uns sehr für die Aufsicht über seine Schießbude und wir durften ein paar Mal gratis auf die Scheibe schießen. Ein netter Kerl, dieser Fredi. Munition hatten wir jetzt auch genug in den Taschen unserer Lederhosen. Die hatte er uns "geschenkt". Zum Dank für unseren Einsatz, während er sich im Gasthaus gestärkt hatte.
Ich hoffe, dass wir uns das nicht nur eingebildet hatten ...