Es war Sommer, Ferienzeit, für uns die schönste Zeit im Jahr und wir Kinder konnten den ganzen lieben Tag im Freien herumtollen, in der Tenne ins duftende Heu springen, konnten die Schweine und Hasen mit dicken Plotschen füttern, spielten im Stall und in den umliegenden Hütten verstecken und fanden dabei das eine oder andere gelegte Ei. Auch kletterten wir auf alle nur erdenklichen Bäume, schossen mit unseren Steinschleudern, die wir aus Astgabeln, zwei Gummibändern von alten Radschläuchen und einem Lederfleck in der Mitte angefertigt hatten, durch die Gegend, und so manche leere Flasche zersplitterte klirrend, wenn wir sie vom Gartenzaun schossen, auf den wir sie gestellt hatten. Es war diese herrliche Zeit, wo wir zum nahen Bach gingen, um dort Tümpel anzulegen, indem wir riesige Steine ins Wasser schleppten, zwischen die Fugen Moos, Schlamm und abgerissenes Gras oder Zweige steckten, damit der Staudamm einigermaßen dicht wurde, um dann laut johlend im kalten Gebirgsbach unsere ersten Schwimmversuche zu machen. Natürlich stellten wir dabei auch den Fischen nach und so manche Forelle landete am Spieß und brutzelte im am Bachrand klammheimlich errichteten Lagerfeuer. Es war die Zeit, wo vor allem ich sehr oft bei meinem Freund Dietrich viele Stunden am Bauernhof seiner Eltern verbrachte, von dem ich auch noch berichten muss, und ich könnte stundenlang von unseren Ferien erzählen.
Während der Sommermonate brachten viele Bewohner vor allem Kälber und Ochsen für einige Monate auf irgendeine Alm, damit sie dort das fette Hochgebirgsgras in ihre Mäuler stopfen konnten und in dieser lieblichen Almgegend mit der würzigen Gebirgsluft an Gewicht für den kommenden Winter zulegen sollten. Hinter dem Talkessel von Hinterradmer gibt es auch heute noch etliche solcher Almen, auf denen zumeist eine Sennerin die Tiere betreut, täglich das ihr anvertraute Vieh zählt und dazu sehr oft auf steilen Gebirgswiesen herumkraxeln muss. Damals waren noch alle Almen bewirtschaftet, jetzt leider nur mehr einige wenige. Meist hatte diese Sennerin zwar keinen Mann mit auf der Alm, doch der Jäger kam ja hin und wieder vorbei und ließ einen ordentlichen Schuss (bei ihr) los. Erzählte man sich zumindest. Ein Körnchen Wahrheit könnte ja tatsächlich dahinterstecken. Vor allem, wenn es sich um eine junge, hübsche Sennerin gehandelt hat, und auch ein entsprechender Jäger zugegen war. Zu den Ochsen und dem Jungvieh hatte die Sennerin aber auch einige Kühe mit auf der Alm und deren Milch verarbeitete sie zu Topfen, Käse, Butter oder einem Rahmkoch, an dem sich die Wanderer laben konnten oder sie ließ die übriggebliebene Milch sauer werden. Ein Häferl mit dieser sauren Milch, gekühlt im Brunntrog, aus dem das Wasser eiskalt hervorquoll, das war auch für mich immer eine Delikatesse.
Auch unsere zwei Ziegen waren den Sommer über auf der Seekaralm. Zur Erholung sozusagen und wohl auch zum Zweck, geschwängert im Herbst wieder zurückzukommen. Auf dieser Alm waren hauptsächlich Ziegen untergebracht, aber auch etliche Schafe, zwei, drei Kühe und einige Ochsen, dazu ein, zwei Schweine und zudem zwei, drei Pferde, auf deren Rücken vor allem Nahrungsmittel auf die weit über tausend Meter hoch gelegene Alm gebracht wurden. Zum Inventar gehörten auf der Seekaralm aber nicht nur die Miatz (die Sennerin Maria), dazu gehörten auch die Ziegenböcke, von denen einige ganz gewaltige Hörner hatten, beinah wie Steinböcke, und tiefschwarze Ziegenbärte hingen an der Unterseite ihrer Köpfe. Ständig jagten sie hinter den Ziegen her, um dann auf die Geißen aufzureiten. Für uns Buben jedes Mal von neuem ein gewaltiges Schauspiel, und die Ziegen meckerten jämmerlich, wenn die Böcke sie mit wilden Stößen bearbeiteten. Keine Ziege hatte da auch nur die geringste Chance, ungeschoren davonzukommen, und jede war nach so einem Almsommer total geschwängert und von zahlreichen Böcken beglückt. Das gab mit Sicherheit Kitze im Frühjahr. Wenn wir gelegentlich auf die Alm gingen, um unsere Ziegen zu besuchen, dann rochen wir die Geißböcke schon kilometerweit, so sehr stanken diese wilden Gesellen.
Doch jetzt zu meiner eigentlichen Geschichte. Weil sich unsere Ziegen auf der Alm befanden, deshalb mussten wir Buben täglich eine Kanne Milch von der Pfarreralm holen. Die Eltern meines Freundes Dietrich bewirtschafteten diese Alm, die im Grunde genommen keine richtige Hochgebirgsalm war, weil sie von unserem Ort aus in ca. 20 Minuten zu Fuß erreichbar war. Auf dieser Alm gab es genug Milch, standen doch etliche Kühe, aber auch der gewaltige Gemeindestier in ihrem Stall und Dietrichs Mutter und seine zwei größeren Schwestern zogen eifrig an den Eutern der Kühe, um die Milch aus den Eutern zu pressen. An einem sehr schönen Spätsommertag waren mein Freund Rudi und ich wieder auf dem Weg zur Pfarreralm, um Milch zu holen, und ich hatte dabei diese Idee mit dem Wespennest. Wenn ich irgendwem einen kleinen Streich spielen konnte, dann lachte mein Bubenherz für gewöhnlich und ich rieb mir genussvoll die Hände. So sollte es auch heute sein und Rudi war das auserwählte Opfer für diesen Streich.
Wir gingen zur Pfarreralm, ich hielt die blecherne Milchkanne in meinen Händen und auch einen Haselnussstock, den ich mir soeben abgerissen hatte und den ich jetzt von den Blättern befreite.
"Was machst mit dem Stecken?", fragte mich mein Freund.
"Wirst du gleich sehen!", meine Antwort, und wir gingen weiter.
"Sag schon. Warum hast du ihn abgerissen?"
"Na ja, wenn du's unbedingt wissen willst: Nach der Brücke hab ich gestern ein Mausloch entdeckt und gesehen wie eine riesige Maus darin verschwunden ist. Die werd ich aufstöbern."
Heimlich lachte ich mir bereits ins Fäustchen, denn mein Freund hatte ganz offensichtlich angebissen. Der würde Augen machen, was für eine Maus da aus dem Loch kommen würde. Unsere Schritte wurden merklich schneller und mein Freund war scheinbar ebenso neugierig wie ich. Dann waren wir am "Mausloch". Die Sonne warf ihre letzten Strahlen auf den Waldsaum, ich stand am Loch, sagte zu meinem Freund, dass er die Milchkanne halten solle und auch, dass er sich bücken und ganz genau ins Loch schauen müsste. Dann nahm ich den Haselnuss-Stock und fuhr damit ins Loch, rührte zwei-, dreimal kräftig um und lief, so schnell ich konnte, davon, während Rudi vor dem Loch stand und nicht wusste, wie ihm geschah. Ich hetzte auf der Wiese dahin und schon spürte ich das erste Brennen am Hals, dann eines an der Hand, dann schrie ich: "Renn, so schnell du kannst!"
Aber er rannte nicht, er ging langsam weg vom Loch, aus dem die Wespen noch immer hervorsurrten und wohl nur mich im Visier hatten. Keuchend war ich wenig später am nicht mehr allzu weit entfernten Bauernhof angekommen und spürte wieder einen schmerzhaften Stich. Diesmal am Kopf und auch in meinen Haaren hatte sich eine Wespe niedergelassen. Da war Dietrichs Mutter bereits bei mir.
"Um Himmels Willen, da sind ja noch viele an deinem Pullover!"
Ich fuchtelte wild mit meinen Armen, schlug um mich, klatschte die Wespen zu Boden, da brannte es bereits wieder. Diesmal in meiner Lederhose und ich schrie auf. Mich stachen in etwa zehn, zwölf dieser netten Tierchen, meinen Freund exakt eine einzige. Er war ruhig geblieben, war nicht davongerannt und die Wespen wussten womöglich, wer den Stecken in ihr Loch gesteckt hatte und damit ihre Waben zerstörte. Ich kannte Wespenstiche nur zu gut, schon öfters hatte mich ein solches Biest gestochen, weil wir Buben ja sehr oft an solchen Löchern vorbeigingen und manchmal unabsichtlich auf irgendwo im Boden versteckte Wespennester stiegen.
Die Stiche waren schmerzhaft und einige Tage hatte ich auf diese Weise noch ein "Andenken" an meine Schandtat. Meinem Freund sagte ich natürlich nicht die Wahrheit, blieb bei meiner Version vom Mausloch und dass ich selbst nicht wusste, wie mir geschah, als plötzlich anstatt der Maus die Wespen daraus hervorquollen.
Eines muss ich zu meiner Schande auch noch gestehen: Ich hab mich am nächsten Tag gerächt. Von der Motorsäge meines Vaters Benzin abgelassen, einen Stofflappen damit getränkt und bei einbrechender Dunkelheit stand ich mit meinem Feuerzeug vor dem Wespennest. Mit Ruhm hab ich mich damals sicherlich nicht bekleckert. Sie mussten sich ja ganz einfach wehren, hatten schon Probleme genug, wenn der Fuchs auftauchte, seine Rute ins Loch steckte, damit ordentlich umrührte, so dass sich viele Wespen im Fell seines Schwanzes festkrallten und er damit zum nahen Bach lief, seine Rute in die Fluten hielt und die Wespen den Bach hinunter geschwemmt wurden. Dann zum Loch zurücklief und mit seinen Pfoten das Erdreich aufgrub, um an die Honigwaben zu kommen. Der Fuchs, dieser schlaue Kerl. Bei ihm funktionierte der Plan, meiner ging leider daneben, bei dem ich meinen Freund ein bisschen erschrecken wollte. Und die Moral von der Geschicht: Grab andern eine Grube nicht! Sonst fällst du womöglich selbst hinein ...