Es war ein wunderschöner Sommertag und die Glocken vom nahen Kirchturm bimmelten mich sozusagen aus dem Schlaf. Ich rieb mir die Augen und spähte zur Pendeluhr an der Wand: sieben Uhr. Im Grunde genommen liebte ich das Geläute der Glocken, hab als Ministrant selbst sehr oft an den Stricken gerissen und damit die eine oder andere Glocke zum Läuten gebracht, bevor schließlich dieses elektrische Geläut angebracht worden war. Da war es dann aus mit dem Läuten für uns und den Mesner. Den Schwung besorgte ab jetzt der Strom aus der Leitung. Eigentlich schade! Vor allem das Abschwingen war für uns Knaben immer eine tolle Sache, da hingen wir wie Marionetten an den Stricken und es riss uns immer wieder ganz gewaltig in die Luft, ehe wir diese gusseisernen Ungetüme endlich zum Stillstand gebracht hatten. Jetzt bimmelten sie vom nahen Kirchturm zu uns her.
Mein Bruder und ich hätten an diesem Sonntag ganz bestimmt ein wenig länger geschlafen, wäre nicht die Balkontür wie immer in der warmen Jahreszeit einen Spalt geöffnet gewesen und hätte uns das Bimmeln nicht geweckt. Mein Bruder gähnte ebenso herzhaft wie ich und vielleicht haben wir uns auch einen guten Morgen gewünscht. Wahrscheinlich sogar. Ich drehte mich in unserem Doppelbett nochmals in die Decke und war froh, heute nicht zur Schule fahren zu müssen. Mein Bruder war bereits am Freitag mit Tante und Onkel von Graz nach Hause gefahren gekommen. Er lernte im zweiten Lehrjahr bei den Puchwerken und wohnte bei der Schwester meines Vaters, sie hatte bereits in jungen Jahren nach Graz geheiratet. Manchmal fuhren Onkel Kurt und Tante Rosi übers Wochenende zur alten Sala-Mutter nach Radmer. Darauf freute ich mich immer besonders, hatten die beiden doch eine allerliebste Tochter und ich war ein absoluter Fan meiner Cousine. Waltraud und ich verstanden uns bestens, sie war gleich alt wie ich und ein richtig wohlerzogenes Stadtkind. Ich war ja auch ein Kind, aber weder von der Stadt noch gab ich mich für gewöhnlich allzu wohlerzogen. Und jetzt besuchte ich die dritte Klasse der Hauptschule.
Den Sonntag genoss ich immer besonders, weil ich nicht stundenlang in der Schulbank hocken musste. Lang währte meine Freude allerdings nicht, denn schon bald nachdem das Glockengeläute verstummt war, öffnete sich die Tür zu unserem Schlafzimmer und die Stimme meiner Mutter war zu vernehmen: "Guten Morgen. Aufstehen, waschen, anziehen, frühstücken. Ihr wisst ja, heute ist Sonntag, da geht's in die Kirche!"
Ich zog die Decke über den Kopf - das war meine Antwort darauf. Warum so früh aufstehen? Ist ja ein Wahnsinn, wo ich ja so in zehn Minuten mit allem fertig sein würde. Aber irgendwann war es dann doch so weit. Warum Mütter manchmal so hartnäckig sein können. Ich stieg also aus dem Bett. Geachtet hab ich ganz sicher nicht darauf, doch es muss wohl der linke Fuß zuerst auf dem Boden gelandet sein. Wenn ich daran denke wie dieser Sonntag für mich geendet hatte.
Dabei war vorerst noch alles in bester Ordnung. Den Kirchgang hatten wir hinter uns gebracht. Für die alten Weiblein, die Mütter und auch für die bereits den Kinderschuhen entwachsenen Mädchen hatte der Kirchgang wohl einen ganz anderen Stellenwert als für uns Buben. Die Mädels wollten schließlich gesehen werden in ihrer jugendlichen Pracht und so manche wird den sonntäglichen Kirchgang benützt haben, um eventuell anwesende männliche Wesen auf sich aufmerksam zu machen. Die Mütter haben ganz bestimmt andächtig am Gottesdienst teilgenommen und so manche Mutter wird wohl ihre Hände ordentlich gefaltet haben. Vor allem, um den Beistand von "oben" zu erbitten, was die Familie und deren Wohl anlangte. Dann die alten Weiblein: Auch die saßen in den Bänken und ihr Blick richtete sich nach vor zum Altar und zum Pfarrer. Mit schwacher Stimme beteten und sangen sie mit und all ihr Denken wird sich in diesen Minuten wohl schon "hinauf" gerichtet haben und ihr sehnlichster Wunsch wird wohl gewesen sein, die Tür nicht verschlossen vorzufinden, wenn es heißt Abschied von dieser Welt zu nehmen. Für mich bedeutete der sonntägliche Kirchgang immer so etwas wie "Sonntags-Arbeit", war ich doch Ministrant und auch der Pfarrer mag die Sache für sich ähnlich gesehen haben.
Das Mittagessen schmeckte mir wie immer an Sonntagen ganz besonders. Sehr oft gab es da Rindsuppe mit Frittaten, Rindfleisch mit Semmelkren und Kartoffeln, dazu Salat aus dem eigenen Garten und zum Abschluss vielleicht Walderdbeeren mit Sauerrahm als Nachtisch. Ein echter Hit für meinen Magen und auch mein Bruder langte kräftig zu. Anscheinend schmeckte ihm das Essen in seiner alten Heimat besonders, wo er doch jetzt nur noch selten nach Radmer kam. Zu weit war Graz entfernt und die Fahrt mit Zug und Bus dauerte etliche Stunden. Doch diesmal war er mit Onkel und Tante mitgefahren. Und zwei, drei Stunden nach dem Essen saß er bereits wieder bei ihnen im Auto. Neben meiner Cousine und sie winkten zum Abschied aus den hinunter gekurbelten Fenstern. Meine Mutter wischte sich eine Träne aus dem Gesicht, mein Vater hob die Hand und blickte ernst nach und ich seufzte irgendwie. Wann würde sie wohl wieder kommen, meine allerliebste Freundin. Doch wie heißt es so schön: Das Leben geht weiter, auch wenn es immer wieder irgendwelche Abschiede zu verkraften gibt. Auch mein Leben ging weiter an diesem Sonntag. Sehr schön sogar. Vorerst.
In unserem Ort gab es so etwas wie ein Lichtspieltheater. Vornehm ausgedrückt. Es handelte sich um eine Art Filmvorführung im Saal eines Gasthauses. Mit zwei Vorstellungen. Eine um 15 Uhr und eine weitere um 17.30 Uhr. Immer nur an Sonntagen. Manchmal saßen auch wir Kinder im Kino und erfreuten uns an dem auf einer nicht allzu großen Leinwand Gezeigten. Diesmal hatte ich etwas anderes vor. Etwas viel Besseres, obwohl es auch etwas mit dem Kino zu tun hatte, wie wir gleich sehen werden.
"Hermann, willst du nicht mit ins Kino gehen? Ein sehr schöner Heimatfilm."
"Nein, danke! Der Rudi und ich machen einen kleinen Radausflug."
Heimatfilm - so ein Schmarren, dachte ich mir und schüttelte den Kopf. Meine Mutter war mit meiner Antwort zufrieden. So konnte sie sich wenigstens das Geld für meine Karte sparen.
"Wir kommen gleich nach dem Kino zurück. Stellt nur ja nichts an!"
"Ist schon gut", meine Antwort. "Was sollen wir schon anstellen?"
"Bei euch weiß man das ja nie!"
Meine Mutter hatte womöglich so etwas wie eine Vorahnung. Vorahnungen hatte normalerweise eher mein Vater. Der hatte doch tatsächlich oft so etwas wie einen sechsten Sinn in dieser Richtung, wenn ich wieder einmal irgendwo etwas ausgefressen hatte. Doch jetzt war er nirgendwo zu sehen, wahrscheinlich zog er sich gerade seinen Sonntagsrock über, während wir im Hof auf der Hausbank saßen.
"Und fahrts nicht zu weit fort!"
"Nein, nein. Nur ein bisschen in der Gegend herum."
Schon bald fuhren wir wirklich. Mein Freund Rudi und ich. Doch wir saßen nicht auf unseren Rädern, sondern auf dem Moped meines Vaters. Meine Eltern waren kaum aus unseren Augen verschwunden, da war ich schon an der Hüttentür angekommen. Schnell noch einen Blick hin zum Fenster der "Feuersingerin", ob die nicht etwa zufällig herausschauen würde. Aber die Nachbarin unter uns im Parterre war wohl anderweitig beschäftigt. Zum Glück. Denn wenn die mich mit dem Moped gesehen hätte, da hätte sie ganz sicher meinen Vater später gefragt, ob er mir das denn auch erlaubt hätte. Dann hätte es vermutlich Stunk gegeben. Sein Moped war nämlich sein ganzer Stolz, vergleichbar etwa heute mit dem Kauf eines neuen Autos. Um dieses Gefährt anschaffen zu können, musste er sehr oft nach Dienstschluss noch zusätzlich irgendwie dazu verdienen und nach etlichen Jahren des Sparens hatte er es endlich geschafft und sich seinen Moped-Traum erfüllt. Jetzt war ich also bei der Tür. Kurz am Riegel gedreht, das Moped von der Abdeckung befreit, den Fußraster hoch und heraus damit aus der Hütte. Nicht, ohne vorher noch meinem Freund einen Wink gegeben zu haben, dass er schauen soll, ob die Luft "rein" war und nicht irgendwo Erwachsene zu erspähen wären.
"Geht!", rief der Rudi, und schon schoben wir das Moped hinter die Holzhütte hin zum Stall. Besser, es dort anzustarten. Wegen des Lärms. Sicher ist sicher, dachte ich mir. Den Benzinhahn geöffnet, den Kompressor kurz angezogen, am Kickhebel hinuntergetreten und schon schnurrte das Geräusch des laufenden Motors wohlig in meinen Ohren. Auch wenn die Nachbarin jetzt um die Ecke gekommen wäre und vielleicht gerufen hätte: "Verdammte Lausbuben, lasst das Moped stehen!", so hätte das nichts mehr genützt. Zu gierig war ich aufs Fahren. Der Rudi setzte sich hinten auf die Doppelsitzbank, ich legte den ersten Gang ein und weg waren wir.
Es gibt Tage, an denen läuft alles wie geschmiert. Hin und wieder sind allerdings welche darunter, da klebt einem das Pech geradezu an den Fingern und alles geht daneben. Dann wiederum sind auch solche dabei wie dieser wunderschöne Spätsommertag. Ein Sonntag noch dazu. Wenn jemand das Glück scheinbar gepachtet hat, dann heißt es oft sprichwörtlich: "Du bist ein echtes Sonntagskind!", ob dieser Mensch nun tatsächlich an einem Sonntag geboren wurde oder nicht. Was war mit mir? War ich an diesem Tag vielleicht drauf und dran, ein "Sonntagskind" zu sein? Es hatte durchaus den Anschein!
Zuerst die netten Stunden zusammen mit meiner Cousine Waltraud nach der Kirche, dann das herrlich schmeckende Essen, später mein Plan, nicht ins Kino mitzugehen und vielmehr darauf zu warten, bis meine Eltern dorthin verschwunden waren. Damit "grünes Licht" für meinen lang gehegten Wunsch mit dem Moped meines Vaters ein wenig durch die Gegend zu brausen. Dann noch die Gelegenheit, meinem Freund Rudi etwas Gutes zu tun, indem ich ihn auf dem Sozius mitfahren ließ. Ganz einfach herrlich dieser Sonntag! Der einzige Wermutstropfen war der Abschied von meiner Cousine gewesen und ein bisschen wohl auch der von meinem Bruder. Jetzt, wo er nicht mehr bei uns war, fehlte er mir tatsächlich manchmal mehr, als mir lieb war. So ist das oftmals im Leben: Erst, wenn man etwas nicht mehr hat, merkt man, wie schön es war, als "es" noch da war! Das Moped meines Vaters war zum Glück noch da und wir Buben preschten jetzt damit auf der Schotterstraße dahin.
"Fahr aber nicht zu wild!", bat mich Rudi noch beim Aufsitzen.
"Keine Angst, das Moped geht ja so nicht allzu schnell!" meine Antwort.
Auf der ebenen Straße hinaus zum Jagdschloss fuhren wir dennoch ganz ordentlich dahin. Allerdings nur bis zur S-Kurve vor dem Schloss, da bremste ich sorgfältig, bevor ich auf der Geraden wieder Gas gab. Zurück das gleiche Bild. Dann nochmals die gleiche Strecke hinaus und wieder zurück zu unserem Haus.
Irgendwie scheint es schon damals in mir gesteckt zu haben: Ich hab mich in meinem Leben immer nach Abwechslung gesehnt. So auch jetzt.
Ich zum Rudi hinten auf der Sitzbank: "Weißt du, was. Jetzt fahren wir hinauf zum Strasser, dann den Pfarreralmweg durch den Wald hinüber und von dort oben wieder herunter zum Haus."
Der Rudi saß hinten drauf und nickte zu meinem Vorschlag. Oder auch nicht. Gesagt hat er nichts dazu. Alles in allem waren wir vielleicht an die zehn Minuten mit dem Moped unterwegs. Zu viel Fahren konnten wir uns nicht erlauben wegen des Benzins und zudem musste noch einige Zeit bleiben, damit der Motor wieder ordentlich abkühlen und uns mein Vater nicht schon deshalb auf die Schliche kommen würde. Aber einmal rund um den Pfarreralmweg, das würde sich noch ausgehen, wenn die Straße bis hinauf zum Bäcker auch relativ steil war. Das neue Moped würde das mit uns schaffen. So war es dann auch.
Dritter, zweiter, erster Gang - rauchend mühte sich das Gefährt mit uns den Hang hoch. Zum Rennfahren war es wohl nicht geeignet, dachte ich mir, während wir uns den steilen Weg hinaufquälten. Dann durch den Waldweg hinüber. Teilweise echt eng und holprig.
"Aufpassen!"
Der Rudi rief mir das von hinten ins Ohr. Er hatte recht, nur nicht an einem Baum anstoßen und vielleicht einen Kratzer irgendwo hineinmachen. Das wäre schlimm. Da würde mein Vater wohl zu Maßnahmen nicht allzu netter Art greifen. Zuerst unerlaubt das Moped "auszahn" und dann womöglich noch einen Kratzer oder gar eine Beule in den nagelneuen Lack machen. Also Vorsicht!
Herrlich, da heroben. Der Blick zwischen den Baumriesen hindurch hinunter zu unserem Haus. Das Moped schnurrte auf dem jetzt ebenen Waldweg brav dahin und die Sonne lachte vom Himmel. Herz, was willst du noch mehr!
"Was sagst du jetzt?", ich zu meinem Freund zurück.
"Wahnsinn! Super! Taugt mir echt, das Mitfahrn!"
Der Rudi hatte anscheinend auch seine Freude mit der Fahrt durch den Waldweg. Ab und zu rumpelten wir über eine Wurzel, dann wieder ging es um eine Kurve, hin und wieder streiften wir an herabhängenden Ästen mit unseren Bubenkörpern. Aber alles bestens. Noch, muss ich hier wohl anfügen. Denn es dauerte nicht mehr allzu lang und das "Bild" hatte sich grundlegend geändert.
"Bist du auch sicher, dass du dir nichts gebrochen hast?", ich zu meinem Freund.
"Meine Schulter, die rechte Hand und mein Knie" jammerte Rudi.
"So ein Pech! Wie gibt's denn das! Dabei hab ich so aufgepasst. Diese verdammte Bremse ..."
Rudi und ich standen mit zitternden Knien und teilweise zerfetztem Gewand vor der Hüttentür. Aus meiner Nase tropfte noch immer das Blut. Meine Hände waren abgeschürft und bluteten und auch das Gesicht meines Freundes war verschmiert. Weniger vom Blut, vielmehr von der Erde. Das Moped hatten wir in die Holzhütte gezogen und sorgfältig zugedeckt. Schieben konnten wir es nicht mehr. Alles war verbogen und das Vorderrad blockierte. Der Scheinwerfer in Trümmern, das Trittbrett hatten wir dazugelegt. War abgebrochen. Der Hebel von der Vorderbremse hing vom Griff ...
Von einem "Sonntagskind" war ich in diesen Minuten wohl ebenso weit entfernt wie unsere Mutter Erde von der Sonne. Und das sollte auch für die nächste Zeit so bleiben. Aber bevor ich zur Reaktion meines Vaters komme, will ich noch schnell berichten wie es zu unserem "Unfall" gekommen ist.
Von unserem Haus führte ein Weg hoch zur Pfarreralm, dieser kreuzte sich am Waldrand mit einem Weg, quer durch den Wald hinüber zum Bäckermeister Strasser und weiter zur Kirche. An dieser "Kreuzung" waren wir angekommen, hielten kurz an und schauten hinunter.
"Verdammt viele Steine", sagte ich zu Rudi. "Da fahr ich lieber auf der Wiese."
"Soll ich absitzen?"
"Aber wo! Das schaffen wir schon! Ist ja nicht allzu steil da runter."
Gleich darauf fuhren wir wieder los. Es war tatsächlich nicht steil, es ging zwar beständig bergab, aber ohne weiteres mit einigem Bremsen zu bewältigen. Weil es so schön bergab ging, stellte ich den Motor ab und ließ das Moped im Leerlauf die Wiese hinunterrollen.
"Benzin sparen!"
Das rief ich meinem Freund zu und schien mir eine gute Idee zu sein. Vielleicht war sie aber doch nicht so gut, wie ich mir das vorerst gedacht hatte, denn das Moped wurde jetzt nicht mehr vom Motor mitgebremst, sondern einzig und allein von der Fußbremse. Auf die stieg ich kräftig. Das wirkte und wir wurden wieder langsamer. Dann ging's wieder dahin über die Wiese. Sehr holprig. Ich latschte wieder auf die Bremse, weil wir einiges an Tempo zugelegt hatten und der Gartenzaun schon in Sichtweite vor uns auftauchte.
"Verdammt!"
Ich trat noch fester aufs Bremspedal, doch das drückte ich durch. Vom Bremsen keine Spur. Noch einmal trat ich wuchtig drauf, während das Moped mit uns immer schneller dahinfuhr. Wieder keine Wirkung. Jetzt war der Zaun vor uns. Ich legte kurz entschlossen den Gang ein und ließ die Kupplung los. Zugleich zog ich die Vorderbremse. Da krachte es bereits am Zaun. Kurz darauf lagen wir mitsamt dem Moped im Garten. Der Rudi im Gemüsebeet, ich daneben im Kartoffelacker ...
Wir hatten dennoch Glück. Zumindest, was unsere Gesundheit betraf. Der hölzerne Zaun war bereits etwas morsch. Durch den - oder besser gesagt - über den hatte es uns katapultiert. Die Erde im Garten hatte unseren Aufprall etwas gedämpft. Wir humpelten zwar beide, doch am ärgsten hatte es das Moped erwischt. Und dann übrigens auch noch mich, als meine Eltern vom Kino zurückkamen und mein Vater schnurstracks der Hütte zusteuerte. Noch freudigen Gesichtes.
Ich sehe ihn noch genau vor mir, wie er die Decke hochhob und sich wenig später auf den Kliebstock setzte und aufs Moped starrte. Dann erhob er sich, blickte zum Fenster hoch, durch das ich alles beobachtete. Ich sah es in seinem Gesicht: Jetzt durfte er mich auf gar keinen Fall erwischen. Doch zum Davonrennen war es bereits zu spät. Schon stand er in der Eingangstür. Ich einen Raum weiter im Wohnzimmer. Zwischen uns der riesige Tisch, den wir irgendwann einmal von einer alten Tante vererbt bekommen hatten. Der war bei diesem "Unfall" höchstwahrscheinlich mein "Rettungsboot".
So sehr er mir auch nachhetzte, um mich zu fassen - ich war schneller. Dann besann er sich, ging einige Schritte zurück in die Küche und hob einen seiner großen Hausschuhe auf. Ein gewichtiges Ding aus Holz, selbst gefertigt von ihm. Seine Nerven waren in gewissen Situationen schlecht. Schlecht auch der Schuss mit dem Holzpantoffel. Mich traf er nicht, aber die Fensterscheibe hinter mir an der Tür hinaus zum Balkon ...
Was soll ich zu der ganzen leidigen Angelegenheit sagen? Es gab tatsächlich schon schönere Stunden in meinem Leben als die folgenden! Und noch etwas: Die holprige Wiese war an allem schuld! Durch das Rumpeln über die Löcher in der Wiese hatte sich die Bremse irgendwie gelockert ...