"An dem Schloss, an dem Tor, an der Linde - lang ist's her, lang ist's her, lang ist's he-er. An dem Schloss, an dem Tor, an der Linde war ich glücklich und selig so sehr! Liebe Linde, ich kann's nicht vergessen, wie du rauschtest in fröhlicher Zeit, als wir dort sind so sorglos gesessen - und so ferne, so fern war das Leid!"
Die erste Strophe des "Limberg-Liedes" sagt schon sehr viel aus, wie wir Buben und auch etliche Mädchen uns in diesem wunderschönen Schloss Limberg bei Schwanberg in der Weststeiermark gefühlt hatten. Ein romantisches Schloss, an der Rückseite umgeben von dichtem Wald mit einem seitlich am Schloss vorbeifließenden Bächlein. Etwas unterhalb des Schlosses befand sich ein kleiner Badeteich und neben dem Teich ein nicht allzu großer Sportplatz. Daran grenzten Wiesen und Felder eines riesigen Bauernhofes, wo das Korn golden leuchtete, und die saftig grünen Blätter einiger Maisfelder sich sanft im Wind wiegten. Oberhalb des Moorteiches reiften riesige Kürbisse heran, und wenn man den Blick in die Landschaft schweifen ließ, sah man etliche Kilometer gegenüber ebenfalls ein Schloss: Hollenegg.
Doch wie kam ich zu diesem Schloss in die Weststeiermark?
Im Schloss befanden sich in den Sommer-Ferien an die 80 bis 100 Buben und Mädchen. Alle waren vornehmlich zur Erholung dort. Zumindest hieß das damals so, denn die Kinder waren zu dieser Zeit oftmals relativ mager, um nicht zu sagen, womöglich sogar etwas unterernährt. Bei keinem Kind war auch nur die geringste Spur von Wohlstandsspeck zu entdecken. Die Zeit nach dem Krieg war ja alles andere als rosig und auch etwa zehn Jahre danach gab es für viele Kinder in den Sommerferien noch Aufenthalte in sogenannten Erholungsheimen. Hier sollten die auf Erholung Weilenden an Gewicht zunehmen, hier wurde die Gemeinschaft gepflegt, hier wurde gesungen und musiziert, getanzt und gespielt. Ins Schloss Limberg kamen vorwiegend Pfadfinder aus Graz, dann Kinder aus Kapfenberg und Umgebung und dazu noch unsere kleine Gruppe aus Eisenerz. Da war ich dabei. Und alle blieben vier Wochen. Für manche Kinder bedeutete das vier lange Wochen und nicht selten mussten Eltern ihren Sprössling schon nach einigen Tagen wieder abholen, zu sehr hatte das Heimweh zugeschlagen und auch das beste Zureden der Erzieher konnte den Schmerz nicht lindern. Für die meisten anderen waren es vier herrliche Wochen, die vor allem mir immer viel zu schnell vergingen. "Immer" sage ich deshalb, weil ich dreimal an dieser Ferienaktion teilnehmen durfte und jedes Jahr einige wunderschöne Eindrücke wieder nach Hause mitnehmen konnte.
Dünn war ich als Kind eigentlich immer gewesen und weil ich, von der Schule heimgekommen, den Schulranzen zumeist ins Eck warf, schnell einige Bissen in meinen Hals würgte und mich zum Fußballplatz oder irgendwo anders hin davonmachte, bevor meine Mutter dieses Tun durch ihr "Nein!" verhindern konnte, deshalb standen die Chancen eher schlecht, in Schulzeiten an Gewicht zuzunehmen. Mein Drang etwas zu erleben war wesentlich größer als der Drang, Nahrung zu mir zu nehmen. Irgendwann schickten mich meine Eltern sogar aus Besorgnis wegen meiner Appetitlosigkeit zum ortsansässigen Arzt und dieser verordnete mir etliche Bestrahlungen, welche ich nur widerwillig über mich ergehen ließ. Vor allem, weil sie aus meiner Sicht Vergeudung meiner kostbaren Freizeit darstellten, und ich auch nach der x-ten Bestrahlung nicht mehr als sonst gegessen hab. Aus diesem Grund war ich sicherlich ein Paradefall für einen Erholungsaufenthalt. Ob ich da allerdings an Gewicht zugenommen hab, wage ich zu bezweifeln, weil meine Aktivitäten auch in den Ferien kaum einzubremsen waren.
Ein Aufenthalt in der Weststeiermark war für mich schon deshalb besonders schön, kannte ich doch bereits einen kleinen Teil davon durch meine Aufenthalte bei Onkel Hermann und Tante Hedwig in Köflach und den damit verbundenen Fahrten mit Pferd und Kutsche zu den umliegenden Bauernhöfen, die mein Taufpate als Tierarzt immer wieder in die nähere und weitere Umgebung machen musste und bei denen ich sehr oft mitfahren durfte. Was ich besonders liebte, war die Fahrt mit dem "Roten Blitz" in die Weststeiermark und mein Herz pochte, als unsere Gruppe in Graz in den Zug stieg und wir wenig später durch die Gegend brausten. Ohne Dampflok und wohl auch um einiges schneller als der Zug zum Schulfahren. Vorbei an riesigen Feldern und Wiesen, nicht ein einziger Berggipfel zu sehen, alles flach und die Strecke zumeist schnurgerade. Dann das Hupen des Zuges bei Bahnübergängen, kein Pfeifen wie aus den schwarzen Dampfloks bei unseren Schulfahrten, das Dröhnen des Dieselmotors im Inneren des Triebwagens und wir mit leuchtenden Augen an den Fenstern. Nicht viel mehr als zehn Kinder und zwei Begleitpersonen und als wir in Schwanberg ankamen, wartete bereits ein Mann mit einem riesigen Hut auf dem Kopf mit einem Pferdefuhrwerk auf uns. Schnell luden wir unsere Koffer und Rucksäcke auf den Leiterwagen und drei, vier Kinder durften sich noch zum Gepäck auf den Wagen setzen. Unterwegs haben wir uns dabei abgewechselt, denn der Weg zum Schloss war doch einigermaßen weit und dahingehatscht bin ich eigentlich niemals gerne.
Nach gut einer Stunde tauchte vor uns das Schloss auf mit seinen Türmen und den vielen Fenstern und der riesigen Linde im Hof vor dem Tor. Unter der Linde standen etliche Holztische mit Bänken links und rechts daran. Ganz so wie man diese oftmals in Heurigen-Lokalen sehen kann oder bei Zeltfesten von Feuerwehren. Etwas weiter hinten hatten die Pfadfinder zur Begrüßung von uns "Zivilisten" eine Fahne gehisst, die uns freudig entgegenflatterte. So schien es mir zumindest zu sein. Das Pferd dampfte vom Ziehen des Wagens und der Kutscher reichte uns das Gepäck vom Pferdefuhrwerk, wünschte uns einen schönen Aufenthalt und machte mit seinem Gaul kehrt. Dann wurden wir ganz offiziell von einem älteren Herrn begrüßt, an dessen Seite eine ebenso ältere Frau stand. Es war dies sozusagen der "Schlossherr" mit seiner Assistentin, wie sich später herausstellte. Doch es gab auch junge Erzieher bzw. Betreuer und einer davon führte uns durch den riesigen Torbogen in den Innenhof des Schlosses und wenig später hatten wir unsere Zimmer bezogen. Wir Buben wurden im Erdgeschoss einquartiert, die Mädels mussten die schmale Stiege rauf und bekamen im Obergeschoss ihre Betten zugeteilt. Für uns war ein riesiges Zimmer mit vier Stockbetten reserviert. Passte exakt für uns acht Buben aus der Eisenerzer Gruppe und wenig später sah man uns bereits beim Betten überziehen. Es gab keine Mama, die das für uns erledigt hätte, nur der Erzieher gab seine Anweisungen, ohne uns dabei wirklich zu helfen. Das fing ja gut an, roch direkt ein wenig nach Arbeit. Und das in den Ferien ...
Doch wir waren beileibe nicht allein im riesigen Schloss. Wir waren sozusagen die "Zivilisten" und die anderen Schloss-Bewohner waren Pfadfinder. Gesehen hab ich diese Menschen zuvor noch nie. Alle steckten sie in gelb-braunen oder erdfarbenen Khaki-Uniformen mit riesigen dunkelbraunen Hüten auf den Köpfen und eigenartig geknüpften Lederriemen um den Hals, die ihnen sozusagen als Krawatten zu ihren Hemden dienten. Alle trugen grüne oder blaue Halstücher, deren verschiedenfarbige Bedeutung ich erst viel später erfahren sollte. Seltsam anzusehen, aber durchaus hübsch und irgendwie sogar elegant ganz das Gegenteil von uns anderen im Schloss weilenden Kindern, die wir zumeist in kurzen schwarzen Glatthosen unterwegs waren oder in Lederhosen und vielfach barfuss durch die Gegend liefen. Die Pfadfinder hatten zwar auch kurze Hosen an, doch diese waren mit Gürteln versehen und ihre Beine steckten in festem Schuhwerk. Die Mädels unterschieden sich, außer dem zumeist längeren Haar und dem zarteren Körperbau vor allem durch das Tragen von Röcken von den männlichen Pfadfindern. Doch auch sie trugen diese Khaki-Uniformen und waren darin sogar irgendwie lieblich anzusehen und manch hübsches Mädchengesicht steckte unter dem riesigen Hut.
Was mich am meisten faszinierte waren die für mich total unüblichen Gepflogenheiten, die diese Gruppe in ihren Tagesablauf einbaute. Schon am Morgen standen sie stramm an der Fahnenstange, während zwei von ihnen die Pfadfinderfahne mit dem Wappen darauf bedächtig am Fahnenmast hochzogen. Danach wurde ein Lied geträllert und so etwas wie ein "Tagesbefehl" ausgegeben, worin jeder aus der Gruppe aufgefordert wurde die Regeln des Pfadfinderdaseins strikt einzuhalten und, wenn irgendwie möglich, eine oder mehrere gute Taten an diesem Tag zu vollbringen. So oder ähnlich war das damals bei den "Pfaderern", wie wir sie etwas respektlos zu bezeichnen pflegten. Ordnung und Disziplin war oberstes Gebot bei den Uniformierten. Von den Jüngsten und Kleinsten, den sogenannten "Wölflingen" an bis hinauf zu den Gruppenführern, von denen manche bereits im Erwachsenenalter waren. Doch der Großteil der Gruppe bestand aus Kindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren.
Irgendwie roch es damals im Schloss nach Zwei-Klassen-Gesellschaft, ohne dass wir natürlich von der Bedeutung dieses Wortes auch nur das Geringste gewusst hätten. Aber die Pfadfinder ließen uns irgendwie spüren, dass sie nicht nur anders gekleidet waren als wir wobei ich mit dem anders durchaus besser meine sie verhielten sich vielfach auch anders: Sie sangen lauter als wir, sie standen strammer als wir, ihre Aktivitäten und Spiele waren besser organisiert als unsere und zudem hatten ihre Gesichtszüge so etwas wie Stolz an sich und irgendwie schien es mir manchmal, sie würden sich uns gegenüber sogar großtuerisch und überheblich benehmen und uns "Zivilisten" ein wenig belächeln. All das schrie förmlich nach Rivalität und wo immer wir konnten, versuchten wir sie ein bisschen zu ärgern oder dem einen oder anderen von ihnen handgreiflich zu zeigen, dass auch wir durchaus unsere Qualitäten hatten. Das fiel uns deshalb wesentlich leichter, weil wir mittlerweile wussten, dass ihnen das Herumprügeln mit anderen Kindern streng verboten war. Sie liefen viel eher davon als sich zur Wehr zu setzen, was unseren Mut natürlich anfachte. Trieben wir dieses Spiel allerdings zu bunt, wurden wir von ihren Gruppenführern gehörig zur Rede gestellt und von unseren Betreuern oder Erziehern auch dementsprechend diszipliniert und bestraft. Die härtesten Strafen bestanden aus Badeverbot für einen oder mehrere Tage oder Hausarrest. In letzterem Falle durfte der Bestrafte sein Zimmer einen Tag lang nicht verlassen. Außer zum Essen oder um aufs Klo zu gehen.
Doch wir versuchten auch mit durchaus tauglichen Mitteln uns mit ihnen zu messen und sie zu besiegen. Zu diesem Zweck organisierten unsere Erzieher Wettkämpfe zwischen beiden Gruppen. Beliebt war vor allem unser wöchentliches Fußballmatch zwischen der Pfaderer-Auswahl und unserem Zivilisten-Team. Da ging es ordentlich zur Sache und hin und wieder siegten wir nicht nur, sondern es humpelte auch der eine oder andere Pfadfinder mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Platz. Womit wir vor allem bei unseren weiblichen Fans ordentlich punkteten. Dann wieder schwammen wir mit ihnen im Teich um die Wette oder unser Erzieher Horst, als einer der damals besten Zehnkämpfer in Österreich, sorgte für Vergleichskämpfe im Wettrennen, Weitspringen und Handballspielen. Beliebt waren auch Hindernisläufe durch den angrenzenden Wald, wobei die einzelnen Teams verschiedene Stationen auffinden mussten, die weitum versteckt und mit Betreuern besetzt waren, und diese je nach raschem oder weniger schnellem Auffinden des Verstecks Punkte vergaben. Wer zuerst dort war, bekam einen Punkt, der fünfte fünf Punkte usw. Sieger wurde das Team mit der niedrigsten Punktezahl. Natürlich spielten wir sehr oft "Völkerball", was vor allem bei den Mädels sehr beliebt war, errichteten Baumhäuser und verbrachten so manche Stunde im sogenannten Rittersaal. Einem riesigen Saal mit darin stehendem Klavier, auf dem unser Erzieher Klaus vor allem an Regentagen sein Können zum besten gab und wir etliche Lieder trällerten. Durchaus friedlich vereint mit den Pfadfindern.
Die Pfadfinder versammelten sich wie schon am frühen Morgen, so auch am Abend vor ihrem Fahnenmast, hissten wiederum ihre Fahne und kürten jeweils ein Mädchen und einen Buben mit dem blau-roten Halstuch. Als deutlich sichtbares Zeichen für die beste "gute Tat" des Tages. Dieses Halstuch wurde den beiden von ihren Vorgängern umgehängt und sie durften es einen Tag lang tragen. Auch wir sorgten sooft es ging für gute Taten, wobei diese guten Taten vor allem darin bestanden, uns selbst etwas Gutes zu tun. Dann, wenn wir zum Beispiel in den Garten an der Hinterseite des Schlosses schlichen und von den dort friedlich wachsenden Tomatenstauden den einen oder anderen Paradeiser rissen. Nicht selten auch noch nicht ganz reife Tomaten, sofern die roten bereits vergriffen waren. Oder wir machten uns über die Pflaumen her und die Birnen oder Äpfel, die rund ums Schloss wuchsen und die durchaus noch etliche Sonnentage zum Reifen vertragen hätten. Wir Buben erquickten uns auch an den halbreifen Köstlichkeiten und büßten unser unerlaubtes Tun dann eben mit vermehrten "Sitzungen" an gewissen Örtchen.
Um allerdings das Bauchweh nicht allzu stark werden zu lassen und um unsere tägliche Verpflegung etwas schmackhafter zu gestalten, schlichen wir an manchen Tagen ins Dachgeschoss des Schlosses. In einem finsteren Gang im obersten Stockwerk hatten wir irgendwann diese Leiter entdeckt, die sich mit einem Haken aus dem Plafond ziehen ließ und über die wir unbemerkt auf den Dachboden klettern konnten. Und dort haben wir eine weitere Köstlichkeit in einem Gitterkäfig entdeckt. Leckeres Geselchtes, zum Lufttrocknen aufgehängt. Für uns beinahe so etwas wie ein Schatz, wenn man bedenkt, dass Fleisch damals bestenfalls an Sonn- und Feiertagen auf dem Speisezettel stand. Normalerweise stellten wir uns täglich am Nachmittag zu unserer Jause an. Da gab es ein, zwei Stück Brot, dazu einen Apfel und eine Schale Milch. Die verzehrten wir zumeist gemeinsam unter dem riesigen Lindenbaum. Seit wir jedoch diesen "Schatz" auf dem Dachboden entdeckt hatten, holten wir uns nur das Brot und die Milch und schlichen uns sehr schnell wieder davon und unsere Taschenfeitel leisteten uns beim Aufschneiden des Geselchten, irgendwo in einer Ecke, gute Dienste. Natürlich mussten wir das klammheimlich machen, denn von unserem Dachboden-Geheimnis wussten nur wenige, und wenn uns auch die Pfadfinder in manchen Dingen überlegen waren, in dieser Angelegenheit waren wir die Chefs ...
Natürlich gab es noch zahlreiche andere Erlebnisse für uns - im Schloss selbst und rund um dieses romantische Schloss. Ein bisschen will ich davon erzählen. Doch zuerst noch ein paar Geschichten von den Wespen.
Wespen waren uns Kindern nichts Unbekanntes und wir konnten praktisch überall auf solche stoßen. Vor allem in den Ferien, wenn die Sonne vom Himmel lachte und auch wir wesentlich besser gelaunt waren als an Tagen, wo wir zur Schule gehen mussten. Und wenn wir nicht gerade ein bisschen rauften und uns wegen dieser oder jener Kleinigkeit stritten, dann konnte man auch so manches Lachen aus dem einen oder anderen Mund hören. Es sei denn, einen von uns hatte so ein Tierchen einen ordentlichen Stich versetzt. Dann verwandelte sich dieses Lachen schnell in Wehklagen. Vor allem bei den Mädchen und mit schmerzverzerrtem Gesicht wurde der kürzeste Weg zur Mutter eingeschlagen. Wie gesagt hauptsächlich, wenn eines der Mädels gestochen wurde. Da rann womöglich auch die eine oder andere Träne übers Gesichtchen. Uns Buben hörte man da schon eher laut fluchen und, anstatt die Mutter aufzusuchen, suchten wir nach einer Möglichkeit, uns an diesen Biestern ordentlich zu rächen und mit Vorliebe schlichen wir uns wie Indianer auf dem Kriegspfad an in der Wiese eingegrabene Wespennester heran. Bewaffnet mit einem Büschel Heu aus der Scheune und natürlich mit Zündhölzern aus einem unserer Verstecke, wo wir diese aufbewahrten. Denn solche mit uns zu führen, war uns ja von elterlicher Seite streng verboten. Und doch, jeder von uns Buben hatte welche organisiert, ja es war sozusagen eine absolute Notwendigkeit, für gewisse Zwecke ein paar Streichhölzer vorweisen zu können. Wie eben zum Ausräuchern von Wespennestern. Vorsichtig ans Nest herangeschlichen, blitzschnell das Bündel Heu aufs Loch gelegt, mit den Füßen festgestampft, so dass keine Wespe mehr herausschlüpfen konnte, hurtig das Heu angezündet und auf und davon gerannt. Jede Sekunde war hier kostbar, denn die heimkehrenden Wespen kannten keinen Pardon und wussten scheinbar genau, wer die Feinde waren, die ihr Nest zerstören wollten. Aus sicherer Entfernung schauten wir dann triumphierend hin zu den Flammen und zum Rauch. Für jeden Stich mussten zumindest etliche dieser Biester sozusagen ins Gras beißen.
Sehr oft haben wir Wespen auch in der Tenne beobachtet, wo das getrocknete Futter aufbewahrt wurde und zugeschaut, wie sie dort bei ihren Waben aus- und einflogen. Wir waren relativ sicher vor den Wespen, weil wir zwar munter ins duftende Heu sprangen, die Waben jedoch weit oben unter dem Dach hingen. Auch die Wespen waren relativ sicher vor uns, sofern wir nicht doch hin und wieder aus purer Abenteuerlust mit Stangen versuchten, die eine oder andere Wabe in die Tiefe zu schicken und danach sofort davon zu rennen.
Gut erinnern kann ich mich noch daran, wie mein Vater eine solche Wespenwabe von unserem Balkon entfernte, weil die Wespen von dort sehr oft in unser Wohnzimmer geflogen kamen und sich am Obst gütlich taten oder ganz einfach herumsurrten und man nicht sicher sein konnte, sich womöglich auf die eine oder andere zu setzen. Ich staunte nicht schlecht, als mein Vater eines Tages mit dem Staubsauger auftauchte, diesen einschaltete, die Bürste vom Rohr entfernte und mit dem langen Staubsaugerrohr in Richtung Wabeneingang zielte. Herrlich, wie es knisterte und raschelte, als die Wespen dutzendweise durchs Rohr in den Staubsauger gezogen wurden. So lang, bis auch die letzte eingesaugt war und die leere Wabe auf dem Boden lag. Hurtig eilte mein Vater mit dem Sauger in den Garten, um den Sack aus dem Gerät zu entfernen und ebenso hurtig sahen wir Buben ihn im Garten herumspringen und dabei heftig mit den Händen um sich schlagen. Irgendetwas schien beim Entleeren der Wespen nicht ganz so abgelaufen zu sein, wie er sich das wohl vorgestellt hatte ...
Doch weiter zum Schloss und weg von den Wespen. Denn die nächste Geschichte handelt von wesentlich größeren Kalibeern, die den Menschen echt gefährlich werden können. Auf die sind wir Buben eines Tages bei unserem Ferienaufenthalt im Schloss Limberg eher zufällig gestoßen.
Unter dem Schloss befand sich ein kleiner Moorteich, in dem wir unsere Schwimmkünste erproben konnten und tief genug, um von einem gut federnden Sprungbrett den einen oder anderen Bauchfleck ins Wasser zu machen, sofern ein Kopfsprung nicht ganz so ausfiel, wie es sich der Hüpfer vorgestellt hatte. Einen Bereich gab es für die Springer, einen weiteren für Schwimmer, dann abgesteckt einen kleinen Bereich für Nichtschwimmer und am Ende des Badeteiches war ein weiterer Bereich, der für uns Buben sehr interessant war. Denn an den Abenden, wenn sich die Sonne anschickte, hinter dem Schloss glutrot zu versinken, da saß ein Mann genau dort am Teich und hielt eine Angel in seinen Händen. Ein Pater mit brauner Kutte, einem weißen Strick als Gürtel um die Mitte und einer riesigen Kapuze im Nacken. Jetzt hatte er seine Ruhe, denn Badezeit war ja nur von 15 bis 17 Uhr. Ganz ruhig saß er in einem Korbsessel am Ufer, knetete Brot zu kleinen Kügelchen, befestigte diese am Angelhaken und warf die Rute ins Wasser. Zumeist saß der Mann in der braunen Kutte ruhig da, paffte an einer Pfeife und starrte aufs Wasser. Manchmal zuckte der Schwimmer etliche Male, bevor er schließlich gänzlich unterging, und der Pater heftig an der Leine riss. Tatsächlich er hatte wieder einen Fisch gefangen. Für uns Buben ein absolutes Erlebnis und nur zu gerne hätten wir selbst die Angel gehalten und den einen oder anderen Karpfen aus dem Teich gezogen. Doch der Pater war wie es schien kein absoluter Freund von uns. Vielleicht waren wir ihm zu lebhaft, zu unruhig und womöglich wollte er bei seinem Tun nicht gestört werden. Sooft er uns nämlich irgendwo erblickte, machte er unmissverständliche Handbewegungen und forderte uns meist mit Gesten, hin und wieder allerdings auch mit Worten auf, uns aus seinem Gesichtsfeld zu begeben. Das wiederum war nicht nach unserem Geschmack. Wenn er uns schon nicht die Angel halten ließ, zusehen hätte er uns bei seinem Tun eigentlich schon lassen können.
Eines Abends hatte uns der gute Mann soeben wieder verjagt, die Sonne warf ihre letzten Strahlen auf das Schloss, da kam uns die Idee. Exakt hinter dem am Teich sitzenden Pater führte ein Wiesenhang steil hinauf zu einem Feld. Und dort oben lagen sie, diese grün-gelben Kugeln wie geschaffen für unseren Plan. Unten am Teich saß der Pater mit der Angel in der Hand, oben versteckt standen wir, weil wir uns auf Umwegen zu diesem Feld geschlichen hatten. Und vor uns im Feld leuchteten die riesigen Kürbisse zu uns her. Drei Buben, drei Kürbisse. Mit unseren Taschenfeiteln schnitten wir sie ab, hoben sie vom Boden auf, schlichen uns damit an den Rand und auf eins, zwei, drei rollten wir sieden steilen Abhang hinunter in den Teich.
Wie ist der Pater doch erschrocken und in die Luft gesprungen, als die Kürbisse direkt neben ihm den Hang hinunterdonnerten und ins Wasser plumpsten, so dass es gehörig spritzte, und wie sehr sind zuerst auch wir Buben vor Freude in die Luft gesprungen, weil unser Plan bestens gelungen war. Doch dann hörten wir es plötzlich summen und dann sind wir nochmals gesprungen auf und davon und diese Biester schwirrten hinter uns her. Beinah so groß wie kleine Vögelchen. So kam es mir zumindest damals vor. Den Hornissen konnten wir gerade noch entkommen, weil wir in wilder Flucht davonrannten. Aber drei Tage Badeverbot war hart für ein bisschen Spaß. Außerdem mussten wir am nächsten Tag die Kürbisse zum Bauernhof tragen und uns für das Abreißen entschuldigen.