"Wohnen da keine Menschen, das muss ja ein richtiges Höllenfeuer sein?"
"Keine Ahnung. Aber im Sommer brennen oft ganze Landstriche in dieser Gegend."
"Und wie löschen sie dieses Flammenmeer wieder?"
"Wird wohl zum größten Teil von selbst erlöschen müssen."
Die Propeller der viermotorigen "Franz Schubert" dröhnten durch den nächtlichen Himmel, während mein Bruder und ich unsere Köpfe an die Scheibe drückten, um das Buschfeuer im Anflug auf Korsika zu beobachten. Gespenstisch flackerte das Licht unter uns, als die Stimme des Kapitäns erklang: "Wir landen in zehn Minuten. Bitte legen Sie die Sicherheitsgurte an!" Wir hatten einen 14-tägigen Korsika-Aufenthalt gebucht und irgendwie ergriff auch mich die Unruhe vor der Landung. Hatten die Fluggäste während des zweistündigen Fluges bis jetzt munter drauflosgeschwatzt, so wurde es nun im Inneren unseres Vogels merklich ruhiger und zurückgelehnt wartete ich auf meine erste Landung. Ich spürte wie das Flugzeug an Höhe verlor und bald darauf setzte der Pilot die Maschine rumpelnd auf dem Boden auf. Meine erste Landung war geglückt und nach einer Nachtfahrt mit einem klapprigen Bus in einem wahren Höllentempo über die enge, kurvenreiche Straße von Bastia nach Calvi kamen wir nach Mitternacht am Ort unserer Bestimmung an. Ruhig standen die Bungalows im spärlich beleuchteten Camp und bald drauf lag ich in meinem Stahlrohrbett und schlief der aufgehenden Sonne entgegen - ohne zu wissen, dass dieser Korsika-Aufenthalt durchaus das Prädikat "abenteuerlich" erhalten könnte.
"Es ist besser, wir gehen!"
Ängstlich sagt es meine Tischnachbarin und rückt näher an mich heran.
"Warum sollen wir schon gehen?"
"Siehst du nicht, wie die drei zu uns herstarren. Die haben wahrscheinlich eine Wut, weil wir nicht mit ihnen Tanzen gegangen sind."
"Haben sie euch aufgefordert?"
"Ja, vorhin, als du noch nicht bei uns warst. Und jetzt bist du gekommen und hast mit uns getanzt."
"Die sind wohl von der Fremdenlegion und scharf auf Mädels."
"Komm gehen wir! Bitte!"
Nach einem traumhaften Tag, den der Großteil unserer Gruppe am Sandstrand von Calvi verbracht hatte und an dem wir die Sonne und das Meer genossen hatten, waren einige von uns nach dem Abendessen von unserem Feriencamp nach Calvi aufgebrochen, um sich noch ein wenig zu amüsieren. Ich war mit meinem Bruder und zwei Bekannten unterwegs. Wir tranken da und dort ein Bierchen, nippten an dem einen oder anderen Glas Rotwein und irgendwann war ich in jenem Lokal gelandet, in dem ich zu den drei Wiener Mädels von unserer Gruppe traf. Meine Begleiter hatte ich im nächtlichen Trubel verloren. Und jetzt starrten die drei Legionäre zu uns herüber.
"Seid doch keine Angsthasen, ich bin ja bei euch."
"Siehst du nicht, der eine hat eine Zahnlücke."
"Und die glattrasierten Köpfe - widerlich!"
"Ich hab Angst ..."
Dichte Rauchschwaden hingen im Lokal und nur wenige Gäste saßen an den Tischen. Die drei Legionäre hatten wohl vergessen, in ihre Kasernen einzurücken, denn es war bereits einiges nach Mitternacht als wir bezahlten und dem Ausgang zustrebten. Auch die drei riefen nach dem Ober und verließen beinahe gleichzeitig mit uns den Ort, an dem sie anscheinend kräftig über den Durst getrunken hatten.
"Die folgen uns auf Schritt und Tritt."
"Sie werden wohl den gleichen Heimweg haben", versuche ich die Mädels zu beruhigen. Doch ich ahne bereits Schlimmes, als wir die letzten Laternen von Calvi hinter uns gelassen haben und nur noch der Mond sein Licht auf die Schotterstraße wirft, auf der wir unserem Camp entgegenschreiten. Dicht hinter uns die drei Typen von der Legion ...
***
"Schau, da liegt einer."
"Wo?"
"Da vorn im Straßengraben."
"Das gibts doch gar nicht. Das ist ja mein Bruder."
Meine Begleiter, mit denen ich am Abend nach Calvi gegangen war, befanden sich auf dem Heimweg. Zuerst hatten wir zusammen einige Lokale besucht, doch irgendwann war ich plötzlich allein unterwegs. Vielleicht nicht ganz ohne Hintergedanken, wusste ich doch, dass drei Wiener Mädels von unserer Gruppe auch in der Gegend waren. So gingen wir eben an diesem Abend verschiedene Weg. Im ersten Morgengrauen kamen sie nun an jener Stelle vorbei, wo ich einige Zeit vorher mit den Legionären zusammengekracht war.
"He, aufwachen!"
"Der schläft wie ein Murmeltier."
"Er wird sich doch nicht zum Schlafen in den Straßengraben gelegt haben."
"Bei dem ist alles möglich", sagte mein Bruder und rüttelte mich an der Schulter.
"Schau, sein Gesicht ist blutverschmiert."
"Und sein Leibchen ist zerfetzt."
Mir brummte der Schädel gewaltig, als ich wenig später neben meinen drei Begleitern stand und ihnen erzählte, was geschehen war.
Die Legionäre hatten uns schließlich überholt, waren noch einige Schritte vor uns hergegangen, dann plötzlich stehen geblieben und versperrten uns den Weg. Sie wollten uns wohl einschüchtern und vielleicht hätten sie sich sogar an den Mädels vergriffen, wer weiß. Doch so weit kam es nicht. In gewissen Situationen wurde ich zum Terrier, der vor nichts zurückschreckte, auch nicht vor drei Fremdenlegionären. Ich versetzte dem mir am nächsten Stehenden einen Tritt ans Schienbein, dass er sich mit einem Schrei zusammenkrümmte und wuchtete dem zweiten die Faust ins Gesicht. Der dritte rannte davon und ich hinter ihm her. Doch ich stolperte über irgendein Hindernis und landete auf dem Boden. Das war schlecht, denn jetzt schienen sich die drei zu besinnen, dass sie in der Überzahl waren und sie stürzten sich auf mich. Es folgte eine wilde Schlägerei, ich langte kräftig zu, trat und schlug wild um mich, bevor es dunkel vor meinen Augen wurde. Einer der drei hatte mich mit einem Hieb ins Gesicht in den Straßengraben befördert. Dort musste ich wohl "eingeschlafen" sein.
Mit einigen Kratzern und Beulen und einer grün-blau schillernden Wange ließ ich mich in den nächsten Tagen von den Mädels feiern und betreuen. Sie waren am Beginn der Schlägerei gelaufen so schnell sie konnten und hatten schon bald das schützende Camp erreicht. Um mich hatten sie sich weiter keine Sorgen gemacht. Ich würde mit der Situation wohl allein zurechtkommen. So rechtfertigten sie sich am nächsten Tag. Die feigen Hennen.
Weil die Story dazu passt und sie sich überdies wenige Tage danach am Sandstrand von Calvi direkt vor unseren Augen abspielte, deshalb will ich auch davon kurz berichten. Wir waren von unserem Camp aus wie immer durch das Pinienwäldchen zum Strand gegangen und genossen Sonne, Meer und nette Geselligkeit. Plötzlich ging ein Raunen durch die Anwesenden.
"Da rennt einer und wird von drei Männern verfolgt."
Auch ich hatte mich aufgesetzt und schaute in jene Richtung, wo sich das Ganze abspielte. Ein Mann in langen Hosen und mit einem T-Shirt bekleidet rannte den Strand entlang. Vielleicht zwanzig, dreißig Meter hinter ihm liefen drei Männer. Der Verfolgte drehte sich um und plötzlich änderte er die Richtung. Schnurstracks lief er Richtung Wasser, riss sich das Leibchen vom Körper, schlüpfte aus den Schuhen und entledigte sich blitzschnell seiner Hose. Dann watete er ins Meer. Das Wasser war an der Bucht nicht allzu tief, an die fünfzig Meter mochte es wohl zuerst knietief bis hüfthoch dahin gegangen sein. Die Verfolger blieben am Ufer stehen und schauten dem ins Meer Watenden nach, der im hüfthohen Wasser stehen blieb, weil er merkte, dass seine Verfolger ihm nicht mehr nachsetzten. Dann rief ihm einer der drei etwas zu, worauf der Mann langsam zurückging. Er mochte noch ungefähr zehn Meter von ihnen entfernt gewesen sein, als die Verfolger ihre Schuhe auszogen und ins Meer wateten. Da drehte er erneut um und wollte wieder davon laufen. Doch es war bereits zu spät. Schon waren die drei bei ihm.
Was in den folgenden Minuten passierte, das sieht man hin und wieder in Filmen. Niemals hätte ich aber für möglich gehalten, dass es so etwas tatsächlich geben könnte. Die drei hatten den etwa 30-Jährigen gepackt, rissen den Mann zu Boden und tauchten seinen Kopf ins etwa fußtiefe Wasser. Dann kam sein Kopf wieder zum Vorschein und er schrie fürchterlich. Mir pochte das Herz und am liebsten wäre ich hingelaufen. Doch ich sah jetzt auch die Pistolen an den Hüften der Uniformierten, das war mir am Anfang gar nicht bewusst geworden. Die Verfolger waren anscheinend Polizisten oder Männer von der Legion. Jedenfalls waren sie uniformiert und hatten Pistolentaschen umgehängt. Und jetzt sah ich auch, dass zwei von ihnen Gummiknüppel in ihren Händen schwangen. Die ließen sie jetzt auf den im Wasser Liegenden niedersausen. Drei-, vielleicht viermal schlugen sie kräftig auf den beinahe still daliegenden Mann ein. Dann änderten sie ihre Strategie, sie fassten den Wehrlosen und zogen ihn hoch. Je einer packte ihn links und rechts an den Armen und hielt ihn so aufrecht. Der dritte im Bunde stellte sich knapp vor ihn hin und wuchtete ihm seine Faust in den Magen und danach weitere zwei-, dreimal ins Gesicht. Die Szene war an Brutalität kaum zu überbieten und wie gelähmt blickten die Badegäste diesem grausamen Spiel zu. Dann war Schluss. Gemeinsam zerrten sie den Mann in jene Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.
Keine allzu nette Story, und was immer der Verfolgte auch ausgefressen haben mochte, ich musste mich echt zurückhalten, um nicht helfend einzugreifen. Doch instinktiv ahnte ich die damit verbunden gewesene Gefahr. Zwei Tage später hätte ich allerdings auch so eine innere Warnung benötigt, dann wäre mir die folgende Sache bestimmt nicht passiert.
Mein Bruder war 23, ich noch nicht einmal 20 Jahre, und auch bei uns lautete die Devise für die nachfolgenden zwei Wochen Urlaub: genießen von Sonne und Meer, faulenzen, ausgehen am Abend, Drinks, etwas erleben wollen. Und noch etwas ganz Wichtiges: Zum Urlaub eines Junggesellen gehört ein Flirt ganz einfach dazu, sonst kannst du den ganzen Urlaub vergessen, hat einmal ein Freund zu mir gesagt. Ich hatte also durchaus gute Vorsätze in dieser Hinsicht, und hier auf Korsika gab es Mädels, dass mir beim bloßen Hinschauen beinahe die Spucke wegblieb - eine schöner als die andere. Mit pechschwarzem Haar und dunklen, glutvollen Augen und einer Figur wie aus Marmor gemeißelt. Doch obwohl ich nicht schlecht aussah hatte ich keine Chance, an eine dieser Schönheiten heranzukommen. Mehr als ein Lächeln war von keiner zu ergattern, sosehr ich mich auch in den ersten Tagen bemühte, wollte ich doch ein erotisches "Reiseandenken" mit einer schönen Korsin mit nach Hause nehmen. So blieben die Mädels aus unserer Gruppe meine einzige Hoffnung, da hätte ich wohl bei der einen oder anderen sofort einen Treffer landen können. Doch richtig zum Anbeißen fand ich nur eine Einzige und dieser Urlaubsgefährtin widmete ich auch den Großteil meiner Aufmerksamkeit in der zweiten Woche unseres Aufenthalts. Sie kam aus Wien, sah gut aus, war etwas jünger als ich und an einem ruhigen Plätzchen hinter den Sanddünen waren wir uns im Schein der im Meer versinkenden Sonne bald erfreulich nähergekommen. So nahe, dass ich in den nächsten Tagen ihre Nähe förmlich herbeisehnte. Und diese Sehnsucht brachte mich schließlich in eine mehr als nur abenteuerliche Situation.
"Machst du mit?"
"Wo soll ich mitmachen?"
"Wir möchten gegen die vom Alpenvereins-Camp Fußball spielen."
"Ja sicher. Wann spielen wir?"
"Wenn alles klappt, morgen."
Wir hatten unseren Aufenthalt über die Naturfreunde Österreich gebucht und befanden uns im Naturfreunde-Camp vor Calvi. Einige hundert Meter weiter weg befand sich das Camp vom Österreichischen Alpenverein. Und gegen diese Camp-Insassen wollten wir kicken. Mir konnte das nur recht sein, spielte ich doch leidenschaftlich gern Fußball und so hatte ich gegen ein bisschen Abwechslung nichts einzuwenden. Das Spielfeld war klein und holprig, die Tore provisorisch errichtet. Aber wir hatten Spaß am Match. Ich wollte meiner Wienerin imponieren und hab mich beim Spielen richtig hineingehängt und ziemlich verausgabt.
Nach dem Match packten etliche Spieler und Zuschauer ihre Badesachen und gingen Richtung Calvi. Sie wollten einen Stadtbummel machen und danach hinter der Festung baden. Da gab es Steilküste mit von der Natur geschaffenen Steinterrassen zum Liegen. Wir hatten dort bereits einmal einen Badetag verbracht, doch von unserem Lager mussten wir beinahe eine Stunde zu Fuß hinlatschen und so badeten wir zumeist am Sandstrand, der nur durch ein Pinienwäldchen von unserem Camp getrennt war. Ich wollte rasch ins Wasser und ging deshalb zum Strand. Außerdem nahm ich an, dass die Mädels an den Strand gegangen wären, während ich mir meine Badesachen vom Camp geholt hatte.
Als ich wenig später am Sandstrand angekommen, da waren sie allerdings nirgends zu sehen. Ich erfrischte mich kurz und bekam plötzlich Sehnsucht nach meiner Freundin, doch sie war offensichtlich mit zu den Klippen marschiert. Wahrscheinlich hatte sie gedacht, ich würde auch dorthin nachkommen. Wir hatten uns leider nicht abgesprochen und uns wohl beide geirrt. Zu dumm! Mein Blick glitt hinaus aufs Meer, ich schätzte die Entfernung und mein Entschluss stand fest: Ich werde hinüberschwimmen. In einer Stunde würde ich bei ihr sein. Niemand war da, der gesagt hätte: "Bist du wahnsinnig! Das schaffst du niemals! Da musst du ja die Festung umschwimmen. Lass den Blödsinn! Wenn du hinüberwillst, dann geh gefälligst zu Fuß!" Doch zum zu Fuß latschen war ich ganz einfach zu faul. Hinüber zu schwimmen wäre ganz bestimmt angenehmer. Und außerdem würde ich zumindest ebenso schnell dort sein, als wenn ich zu Fuß gehen würde. Mein Badetuch und das Sonnenöl versteckte ich hinter einem Strauch, nahm die Strecke ins Auge und ab ging es in die Fluten.
Zügig kam ich voran. Ich kraulte, wechselte ab mit Brustschwimmen und war guter Dinge. Die Wassertemperatur war angenehm, nicht zu kalt und nicht zu warm und nur unbedeutende Wellen hinderten mich innerhalb der Bucht am Weiterkommen. Eine halbe Stunde mochte ich wohl schon geschwommen sein, als ich die Menschen am Strand nur noch ganz winzig ausnahm. Ein Fischerboot tuckerte in einiger Entfernung an mir vorüber und der Korse tippte mit dem Finger an seine Stirn, fuhr jedoch weiter. Die Wellen waren inzwischen zu mittelgroßen Wellen angewachsen, je weiter ich mich aus der schützenden Bucht entfernt hatte. Und noch etwas sehr Unangenehmes hinderte mich plötzlich am raschen Weiterkommen: Hier heraußen gab es Gegenströmung und eine weiße Gischt und spritzte mir in die Augen. Eine Stunde schwamm ich wohl bereits in Richtung Festung, als mich erste Zweifel überkamen, ob ich es auch schaffen würde, in absehbarer Zeit bei den Klippen zu sein. Doch ich zerstreute diese Bedenken wieder und redete mir ein, dass ich mich noch gut fühlte und mir nur meine Kräfte gut einteilen müsste. Würde ich eben länger brauchen.
"Verdammt, auch das noch!"
Ich verziehe mein Gesicht vor Schmerz, atme schwer, lege mich auf den Rücken und massiere, so gut ich kann, meinen Oberschenkel. Den Krampf hatte ich wohl dem Fußballmatch zu verdanken. Weit und breit war keine Menschenseele zu erblicken - der Fischer mit seinem Boot war längst irgendwo. Und weit weg der Strand ...
Der Krampf ließ zum Glück schon bald nach. Ich schwamm nur noch sehr langsam und kam kaum noch vorwärts. Doch die Sache mit dem Krampf verunsicherte mich irgendwie. Plötzlich dachte ich an Haie. Ob es da heraußen vielleicht welche geben könnte? Blödsinn! Oder etwa doch? Der Gedanke an diese Biester ließ mich nicht mehr los und ich zuckte jedes Mal zusammen und sah mich ängstlich nach allen Seiten um, wenn ich ein verdächtiges Geräusch vernahm. Doch es waren nur die Wellen, die mir nach wie vor zu schaffen machten. Irgendwie kroch plötzlich die Angst in mich, dass ich es nicht schaffen könnte. "Schwimm schneller!", rief mir meine innere Stimme zu. Verbissen kämpfte ich mich vorwärts, spürte jedoch, dass ich am Limit schwamm und bereits all meine Kraft aufbieten musste, um weiterzukommen. Doch ich kam vorwärts - äußerst mühsam und wegen der Gegenströmung nur sehr langsam. Bis ich plötzlich mein Ziel vor Augen sah. Da waren sie ja die Klippen. Zwar noch immer weit weg, doch bereits zu sehen. Die nächste Stunde sollte die schwerste in meinem bisherigen Leben werden. Allein und hilflos, erschöpft und mit dem schrecklichen Gedanken im Kopf, für immer im Meer versinken zu müssen.
"Hermann, aufwachen, komm. Wir gehen."
Von weit weg höre ich die Stimme meiner Freundin. In meinem Kopf rauscht es, kraftlos liege ich am Boden und meine Augen tränen.
"Wir müssen zum Abendessen im Camp sein. Steh bitte auf!"
"Ist gut, ich komm ja schon."
"Du schläfst schon seit einer Stunde wie ein Toter."
Müde rappelte ich mich hoch, meine Arme und Beine hingen wie Bleisäcke an mir und schmerzten und doch, irgendwie verspürte ich ein Gefühl von Triumph in mir. Ich lebte und hatte es geschafft. Wahrscheinlich hatte mich nur die Tatsache gerettet, dass ich hinter der Festung plötzlich mit der Strömung schwimmen konnte und mich die Strömung und die Wellen beinahe von selbst zu den Klippen getragen haben. Denn mit meinen Kräften war ich am Ende. Doch ich war zu stolz, um um Hilfe zu rufen, hab nur mit der Hand gewunken und so auf mich aufmerksam gemacht. Mein Bruder hatte mich bemerkt und war mir entgegengeschwommen. Er war es auch, der mir aus dem Wasser half, weil ich kaum noch die Kraft hatte, zu gehen.
Meine Wiener Freundin breitete ihr Badetuch auf einer Steinbank aus, ich legte mich neben sie und schlief sofort ein. Neben mir stand mein Bruder. Er schüttelte den Kopf, doch ich hörte nicht mehr, wie er zu den anderen sagte: "So ein Schwachsinn kann wirklich nur ihm einfallen."