Seit meiner Kindheit war ich ein nur schwer zu bändigender Zeitgenosse. Das brachte das Ungestüme und Überschäumende in vielen Phasen meines Lebens mit sich. Jagte ich in den ersten Lebensjahren und bis zur Mitte der Zwanzig dem Fußball hinterher, donnerte ich mit meinem Fahrrad oder später mit meinem Moped liebend gern Straßenstücke bergab und ließ mir dabei den Fahrtwind um die Ohren sausen, so hatte ich ab der Hälfte meines zweiten Lebensjahrzehnts eine neue Liebe entdeckt: den Schi-Rennsport.
Begonnen hatte alles als wir am Stammtisch in einem Lokal saßen und sich in etwa folgender Diskurs abspielte.
Einer meiner Freunde: "Nächstes Wochenende ist der Abfahrtslauf. Du bist zwar ein guter Fußballer, aber da wirst du wohl nicht mitfahren, da geht es zu steil herunter."
Ich: "Was soll da so Großartiges dabei sein? Kannst mich gleich anmelden."
Wieder mein Freund: "Da gehts aber ordentlich zur Sache, das ist nichts für Gelegenheitsschifahrer."
Ich: "Das ist mir egal, ich mache mit."
Gut kann ich mich noch an den Tag der Abfahrt erinnern. Ich stand nach beinahe zwei Stunden des Schi-Hinauftragens zum Start am Fuß dieser Alm, von wo es durch einen Waldweg hinunter zum Steilhang ging.
Die ersten zwei Minuten waren eigentlich nur für jene ein Problem, die diese Strecke in der Hocke durchfuhren, um eine gute Zeit herauszufahren. Denen brannten die Oberschenkel schon ganz gehörig, echte Schwierigkeiten gab es da aber noch keine. Doch dann kam der Steilhang mit drei Kurven im oberen Bereich, einer wilden Schußfahrt den Steilhang hinunter über eine Bodenwelle mit einem gewaltigen Sprung bis ins Ziel.
Mein Herz pochte, als der Starter seine Hand auf meine Schulter legte, ich holte noch einmal tief Luft.
"Drei, zwei, eins - ab!"
Etwa vier Minuten später stand ich im Ziel. Ein Schi war verbogen und mein Gesicht blutverschmiert. Ich keuchte noch immer und mein Blick glitt den Hang hinauf, über dessen letzte Bodenwelle es mich förmlich bis ins Ziel geschmissen hatte. Mit zwei Stürzen bereits im oberen Bereich. Wenig später hörte ich den Applaus für den Bestzeithalter aufbrausen. Zuschauer gab es genug und auch ein Rettungswagen stand bereit, in den hatte man soeben einen gestürzten Läufer gebettet. Ganz einfach brutal, dieser Lauf.
Es war vielleicht gleich, wie wenn sich ein Mann und ein weibliches Wesen begegnen und es beide beim ersten Blick in ihre Augen wissen: Es wird und muss ganz einfach sein! Freilich kommt das im Leben nur selten vor und bei manchen Menschen wahrscheinlich nie. Doch diesmal war es keine Frau, zu der es mich wie mit einem Magneten hinzog, diesmal war es diese Abfahrtspiste - und noch während ich mit meinen kaputten Schiern aus dem Zielbereich humpelte, wusste ich, dass ich bei dieser Abfahrt irgendwann einmal der Tagesschnellste sein würde. Ehrlich. Ich wusste es ganz einfach, wie man das bei manchen Dingen im Leben ab und zu beinahe schicksalhaft in sich verspürt.
Meine Freunde lachten sich beinahe schief, als ich ihnen davon erzählte.
"Mit drei Stürzen und deinem Können als Schifahrer, da willst du da herunter gewinnen? Da wird man eher am Erzberg Gold finden, als dass du da jemals auch nur unter den drei Besten bist!"
Mir war egal, was sie sagten, sollten sie ruhig lachen. Ich war infiziert. Trotz meines Misserfolgs - oder vielleicht gerade deshalb. Und in den nächsten Jahren gab es für mich beinahe nur noch ein Thema: "Wie gewinne ich Schi-Rennen?"
Heute stehen über 100 Pokale auf meinen Schränken und in Vitrinen - und einer davon bedeutet mir besonders viel.
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Einer meiner schönsten Träume war tatsächlich in Erfüllung gegangen.