Für die meisten an Krebs Erkrankten bedeutet die Diagnose Krebs, sich im Verlauf der nächsten Monate oder vielleicht auch erst nach einigen Jahren des Kampfes, sich von dieser Welt mit einer Fahrkarte ins Jenseits verabschieden zu müssen. Und doch: Einige Wenige haben das Glück, zu überleben.
Eine aktuelle amerikanische Krebsstatistik bringt es ans Tageslicht: Von 100 Krebspatienten überleben nur 7.
In diesem für die Vielfalt der Leser bewusst vorerst nur ins Netz gestellten Text beschreibt der Autor seinen Kampf gegen diesen übermächtigen Feind. Manchmal scheint es ihm, als würde er dabei wie einst Don Quijote gegen Windmühlen kämpfen.
Authentisch erzählt und vor allem auch gedacht für alle Leserinnen und Leser, damit sie nicht erst in dieses Dilemma schlittern. Verbunden mit dem Motto: Vorsorgen ist besser als heilen!
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Etwas vor Mitternacht schalte ich den Fernseher aus, nicke in meinem Bett im Wohn-Schlafraum kurz ein, doch wenig später bin ich bereits wieder wach und meine Gedanken fangen an zu kreisen. Eine tiefe Niedergeschlagenheit erfasst mich, wie ich sie eigentlich seit Jahren nicht mehr verspürt hab, ich wälze mich im Bett von einer Seite zur anderen und kann einfach nicht glauben, dass mein Zustand trotz all meiner Bemühungen nicht besser, sondern anscheinend sogar wieder schlechter geworden ist. Täglich muss ich in letzter Zeit wieder zu Schmerztabletten greifen, weil meine bereits zweimal abgehobelte Prostata scheinbar wieder nachgewachsen ist und auf meine Harnröhre drückt. Dazu kommen die Schmerzen beim After-Ausgang, weil mein Stuhl nur noch ganz schwer aus mir kommt. Täglich sitze ich beinahe im Halbstunden-Takt auf der Muschel und versuche, wenigstens ein bisschen Kot aus mir zu entfernen. Kot, der mich ebenfalls peinigt und sich immer wieder unkontrolliert in kleinen Mengen in meine mit Klopapier umwickelten Einlagen entleert. Alles reinigen und wieder erneuern das ist bei mir seit Monaten zum Tagesablauf geworden. Bleistift-Stuhl nennen das die Ärzte an der Chirurgie, die solche Sachen natürlich kennen. Die Stuhlentleerung ist mit einem starken Druckschmerz verbunden und zieht sich oft über den ganzen Tag hinweg, und ich kann nur noch dort verkehren, wo ich jederzeit und schnell ein WC zur Verfügung habe, um den Schaden wieder in Ordnung zu bringen. Zu verengt hat der Krebs nach Auskunft der Mediziner die Analröhre, und wegen eines damit drohenden Darmverschlusses ist ein Seitenausgang kaum noch zu verhindern. Einer mit Endzeit-Charakter, der womöglich nicht mehr zurückoperiert werden kann. Auch das hat man mir vor zwei Wochen bei meiner letzten Visite am LKH klipp und klar ins Gesicht gesagt. Der Krebs nagt also doch weiter in mir. Trotz all meiner Bemühungen. Das macht mich beinahe wahnsinnig und vor allem auch irgendwie mutlos. Gesten bekam ich zudem die Nachricht, dass wieder zwei gute Bekannte an Krebs verstorben sind. Bekannte, für die ich täglich in meinen Gebeten und Meditationen um Fürbitte bei meinen Heil-Engeln vorstellig geworden bin. Jetzt sind beide dennoch tot. Auch das noch. Meine Fürbitten, meine Gebete haben also versagt, und wieder wälze ich mich von einer Seite zur anderen
Finster ist es in mir geworden, und die Nacht scheint kein Ende zu nehmen. Psychisch schwer angeschlagen bin ich drauf und dran, mich von meinen Heilhelfern, auf die ich so sehr gehofft hab, zu verabschieden. Meine 13 Erzengel haben mir also nicht geholfen, oder anders gesagt, vielleicht gibt es solche Engel nur in der Einbildung der Menschen. Auch in meiner waren sie vorhanden. Bis jetzt. Zwischendurch hab ich mir wirklich eingebildet, dass sie mir bei meinem Krebsleiden helfen könnten. Vor allem der Michael hat mich trotz all meiner Probleme seit meiner Diagnose Prostata-Krebs im November 2010 immer wieder psychisch gestärkt und ich hab total auf meine Engel vertraut. Und jetzt das! Wieder zwei Krebstote mehr in meinem Bekanntenkreis, wie soll ich da noch auf ihre Hilfe vertrauen können? Sie haben mich im Stich gelassen, ich fühle es ganz deutlich. Auch auf den Jesus hab ich gesetzt und ein Bild von ihm an die Wand gehängt und auch die Maria täglich gebeten, mir und meinen an Krebs erkrankten Freunden und Bekannten beizustehen. Und auch den Herrgott selbst gebeten, mir zu helfen und gehofft, dass er für meine Bitten grünes Licht gibt. Und jetzt, in meinem Zustand? Jetzt muss ich mich wohl von all meinen überirdischen Helfern verabschieden. Ein echter Schock für mich, und ich bin in dieser finsteren Nacht echt am Resignieren.
24. März 2014. Mittlerweile ist es 4 Uhr früh, ich verlasse mein Bett, setze mich an den PC und beginne mit der Gestaltung des Umschlag-Entwurfes für dieses Buch. Schlafen kann ich so und so nicht mehr. Um 6 Uhr hab ich einen ersten provisorischen Entwurf abgespeichert. Er gefällt mir und ich fasse wieder Mut. Neuen Mut. Das Dunkel der Nacht weicht langsam dem ersten Tageslicht und auch in mir wird es heller. Ich werde mich nicht geschlagen geben und fasse den Entschluss, einen letzten Versuch zu starten. Wenn auch der schief geht, dann bin ich allerdings schon sehr bald einer dieser 93 von 100, die an Krebs sterben. Noch etwas stimmt mich plötzlich positiv: Ist mein momentaner Zustand vielleicht ganz bewusst so gewollt, um zu noch besseren Ideen in diesem Kampf zu kommen? Steckt da vielleicht ein Plan dahinter? Ein Plan, den meine Engel ausgeheckt haben? Könnte so etwas möglich sein und kann ich mich womöglich wieder mit ihnen versöhnen ?
Ein kurzer Rückblick.
Ich hab bereits erwähnt, dass ich mich nicht geschlagen geben will und eigentlich wollte ich schon seit meiner frühesten Kindheit immer als Sieger vom Platz gehen. Bei allem, was mir das Leben zum Kämpfen vor die Füße geworfen hat. Deshalb will ich kurz darauf eingehen: In einem meiner Tennisbeiträge für ein Tennismagazin hab ich mich einmal mit meinen Gegnern verglichen und dazu Pferde als Vergleich hergenommen. Ich hab mich damals zum Haflinger gemacht, etliche meiner Gegner hab ich ganz locker eher als Maulesel, denn als richtige Rennpferde eingestuft, ohne natürlich jemals einen Namen genannt zu haben. Einige wenige musste ich jedoch zu echten Vollblut-Arabern zählen. Wenn ich gegen die antreten musste, da war ich immer schon von vornherein sauer, weil ich mich in meinem Haflinger-Dasein noch so sehr abstrampeln konnte, doch am Ende ging jedes Mal einer dieser Gegner lächelnd vom Platz, während ich mich irgendwohin verdrückte. Jawohl verdrückte. Damals vor vielen, vielen Jahren. Ich konnte alles ertragen, nur keine Niederlagen. Schon als Kind nicht, wenn einer beim Schanzenspringen weiter als ich gehüpft ist. Oder wenn einer meiner kindlichen Mitstreiter in unserem kleinen Gebirgsdorf höher auf einen Baum geklettert ist als ich selbst. Da war ich immer stinksauer, aber ehrlich gesagt, das schafften nur die schon wesentlich Größeren und Stärkeren. In meinem Jahrgang, in meiner Schulklasse kaum jemals einer. Doch schon kurz nach Abschluss meiner Volks- und Hauptschulzeit und einer Übersiedlung in die Großstadt kam mir vor allem als Lehrling ab und zu zum Bewusstsein, dass ich im Leben zwar manchen Sieg, aber auch bereits etliche Niederlagen einstecken musste. Vor allem, wenn ich mit Pflichten, Geboten und Verboten regelrecht eingedeckt wurde. Bedingungslos zu gehorchen, immer schön artig und brav im Leben dahinzulatschen das war niemals das, was mir vorschwebte. Doch bei den Mädels hab ich meistens gepunktet, ohne jedoch jemals der große Abräumer gewesen zu sein. Herrlich, die Jahre als total freier Mensch mit gutem Einkommen als junger Schriftsetzer-Geselle. Herrlich die Siege mit meiner Fußballmannschaft und herrlich auch, das erste Auto erworben zu haben und damit durch die Gegend brausen zu können. Wie rote Kirschen lachte mancher weibliche Mund zu mir her und ich konnte genießen und mich des Lebens erfreuen. Wunderschön die Gefühle mit meiner ersten Langzeit-Freundin, die es geschafft hatte, mich für einige Jahre an die Leine zu legen, bevor ich mich doch noch einmal kurz losreißen konnte. Wieder so etwas wie ein Sieg. Dann kam einer meiner schönsten Siege, als die Kirchenglocken läuteten und ich die begehrteste Maid aus unserem Heimatdorf hin zum Traualtar führen durfte, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, dass etliche Jahre später die totale Niederlage in meiner Ehe folgte. Zuvor hatten allelrdings im Verlauf dieser Ehe vier Kinder für weitere Siege gesorgt. Damit konnte ich die nach und nach immer heftiger in mir aufkommenden Gedanken zu einer ganz allgemeinen Lebens-Niederlage einigermaßen eindämmen, die nach vielen Ehejahren, mehreren Job-Wechseln und einer beruflich-materiellen Erfolglosigkeit sich immer nachhaltiger in mir einnisteten und meinen Lebensbaum wie Borkenkäfer bearbeiteten und in Form von Freudlosigkeit und einer echten midlife-crisis in mir Fuß fassten. Alle meine Lebensträume waren irgendwie geplatzt. Zumindest kam dieser Eindruck immer stärker in mir hoch. Aus einem ehemaligen Siegertypen war ein sich den täglichen Pflichten hingebender und mit seinem Dasein unzufriedener Loser geworden. Zumindest hatte sich dieser Eindruck tief in meiner Seele festgesetzt. Bis eines Tages diese Maid auftauchte. In unserer Firma. 19 Jahre jung, ich exakt 25 Jahre älter, und ich als Haflinger-Hengst wild zu wiehern begann, meine Vernunft unter einem riesigen Stein zu liegen kam und mich nur noch gewaltige Gefühle steuerten. Nach einem fürchterlichen Erdbeben, bei dem schließlich mein Lebenshaus in Trümmer ging, gab es dennoch einen Sieger und der hieß Krebs! Er hatte sich nach und nach in mir eingenistet, ohne dass ich auch nur die geringste Ahnung davon hatte. Mein genetisch bereits relativ gut gefülltes Krebsfass hatte sich im Lauf der Jahre weiter gefüllt. Schuld hatte der Stress in mir. Der psychische Stress mit all den Problemen, die ich plötzlich vom Schicksal in mein Leben gestellt bekam: Zerrüttete Ehe, weinende Kinder, den nicht geliebten Job hingeschmissen, endgültige Trennung von meiner Gattin und Wegziehen nach Salzburg zu meiner jungen Geliebten. Riesige Schuldgefühle den Kindern gegenüber, und als auch die, für die ich neben den gewaltigsten Hochgefühlen auch all das Elend auf mich genommen hatte, letztlich den Schlüssel zu unserer Mietwohnung auf den Tisch legte und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, da ging der Krebssamen voll und ganz in mir auf, ohne dass ich die Gefahr richtig erkennt hätte, weil die Ampel bereits seit Jahren in meinem Inneren rot leuchtete. Damals schwappte das Fass über und der Feind in mir setzte zu seinem Siegeszug an und in einem wahren Jahrzehnt des Grauens machte er sich immer mehr in mir breit. Tiefste Depressionen, tiefste Schatten hatten sich in meiner Seele eingenistet und meine Lebensgeister waren täglich vom Erlöschen bedroht, wie das Friedhofskerzen sind, die bei Wind und Wetter neben Laternen im Freien stehen und auf das Ausgehen warten. Mein in mir seit meiner Geburt installiertes Krebsfass hatte sich also im Verlauf meines Lebens weiter gefüllt und war schließlich übergelaufen. Der Feind in mir wollte den Mann, der in den letzten Jahren so viel Mist gebaut hatte, bestrafen und mich und mein Leben vernichten. Ich war ohne es vorerst zu wissen oder auch nur zu ahnen zu einem Krebsfall geworden, und dieser Feind in mir begann sein schändliches Werk ***
Die letzten vier Jahre meines Krebs-Daseins in zehn Runden zusammengefasst.
Erste Runde.
Ausgangssituation: Der Gegner übermächtig. Ein wahrer Hüne, der mir bereits mit der Diagnose "Prosta-Krebs"und irgendwie verbunden damit auch der Angst vor einem viel zu frühen vorzeitigen "Abgang" die ersten echten Schläge versetzt hat, und ich fühle mich in etwa so, wie sich der David gefühlt haben musste, als er dem Goliath gegenüberstand. Nur mit seiner Steinschleuder bewaffnet. Meine Waffen? An vorderster Stelle steht mein Kämpferherz. Dazu kommt in dieser ersten Runde mein Krebsbuch mit dem Titel: Krebs ist keine Krankheit! Untertitel: Krebs ist ein Überlebens-Mechanismus! Autor: Andreas Moritz. Ich vergrabe mich regelrecht in die Zeilen und Seiten des Buches, markiere mir wichtig scheinende Ausführungen des Autors und lege mir eine Strategie zurecht. Der Krebs in mir? Der hofft vielleicht, dass ich wie die meisten Krebspatienten zu den gängigen Krebs-Behandlungs-Methoden greife und lächelt deshalb wohl bereits siegesbewusst. Aber bei mir hat er es mit einem doch etwas anders geschnitzten Gegner zu tun. Wie wir gleich sehen werden.
Die ersten Treffer gehen, wie gesagt, an meinen Gegner, das Wissen von nun an ein "Krebsfall" in einem doch eher fortgeschrittenen Stadium zu sein, das ist auch für mich nur ganz schwer wegzustecken und bringt mich ins Taumeln. Dazu macht mir der seit meinem ersten Besuch beim Urologen eingesetzte und mehrmals gewechselte Dauer-Harnröhren-Katheter Probleme, denn ab und zu nässt es richtig aus dem Schlauch, vorbei an meinem Penis, ab in die Unterwäsche. Dann wieder liege ich stundenlang wach in der Nacht und denke trotz meiner guten Vorsätze, mich nicht so leicht geschlagen zu geben, manchmal bereits an einen vorzeitigen Abschied von dieser Welt, wenn ich Schmerzen verspüre, richtige Schmerzen vor allem am Glied ganz vorne, und nachdem ich eine Chemotherapie und auch eine Testosteron-Blockade mit Hilfe von Medikamenten zum Missfallen meines Urologen abgelehnt habe, fühle ich mich auch nicht besser. Aber ich muss das ganz einfach so machen, sagt mir mein Bauchgefühl, denn ich hab erst vor kurzer Zeit einen guten Bekannten durch Krebs verloren. Der hat alles machen lassen, was ihm die Ärzte empfohlen haben und eine Menge Geld in seine Heilung investiert. Mit dem Erfolg, dass er dennoch relativ schnell im Sarg gelandet ist. Ich will zu anderen Methoden hinfinden und folge in etwa den Ratschlägen aus meinem Krebsbuch, in dem klar und deutlich steht, wie der Krebs arbeitet, wie es zum Befall kommt und welche Mittel es evtl. gibt, um dem Feind erfolgreich die Stirn zu bieten. Alles in allem: Die erste Runde geht dennoch klar an meinen Gegner, zu schwach ist meine Gegenwehr, mit festen Schritten stapft er zurück in seine Ringecke, während ich eher wacklig dort ankomme. Zu sehr schmerzen noch die ersten Schläge meines Gegners, der sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein scheint.
Zweite Runde.
Bestrahlungen und auch Anti-Krebs-Tabletten hab ich vorläufig abgelehnt. Allein das Kutschieren mit der Rettung zu Bestrahlungen würde vermutlich bei mir großen Stress auslösen und meinen Körper zusätzlich psychisch schwächen. Vermute ich zumindest. Mein Ex-Chef, nach einer Diagnose Knochenkarzinom, lässt sich mehrmals monatlich zu Bestrahlungen in weit entfernte Krankenhäuser karren. Er vertraut voll und ganz auf die Schulmedizin, ist ja selbst Arzt, kennt etliche Kollegen noch aus seiner Studienzeit und hat vor seiner Pensionierung als Primar ein Reha-Zentrum bei uns geleitet. Auch seine Gattin ist Ärztin und gemeinsam haben sie eine Krebs-Strategie für ihn erstellt. Sein Zustand ist einigermaßen stabil, wir treffen einander ab und zu bei ihm, denn er war nicht nur mein Chef, sondern auch einer meiner Tennispartner in all den Jahren, und wir verstehen uns sehr gut. Mittlerweile weiß er von meiner Krebs-Erkrankung und kann nicht verstehen, dass ich eine andere Art der Behandlung als die gängigen Methoden ins Auge gefasst habe. Nicht nur einmal fragt er mich: Sind Sie auch sicher, dass Sie damit nichts Falsches machen? Es fällt mir einigermaßen schwer, ihn von meinen Argumenten zu überzeugen. In dieser Zeit beginne ich einige mir wichtig scheinende Punkte für eine evtl. Heilung in meinen PC zu tippen. Doch es wird mehr daraus, und eines Tages entstehen die ersten Seiten für mein Büchlein: Sich selbst-heilen. An grauen Novembertagen 2010 sitze ich stundenlang am PC und konstruiere nach und nach zehn Punkte aus meinem Bauchgefühl heraus. Im Jänner 2011 bin ich mit dem Manuskript fertig, und wenig später lasse ich das Buch im Eigenverlag drucken. Der Krebs in mir fühlt sich dadurch vielleicht sogar etwas in die Enge gedrängt, denn es kommt durch das Niederschreiben meiner Selbstheilungspunkte Licht in mich und in meine Seele. Ich bin zuversichtlich und versuche all das von mir für mich selbst und für interessierte Leser erstellte Therapieprogramm einzuhalten und arbeite mit Freude an meinen zehn Heilungspunkten. Außerdem rät mir die Gattin eines Tenniskollegen einige ihrer Spezial-Öle einzusetzen, die sie für eine Firma vertreibt. Auch das scheint mir einen Versuch wert zu sein, werden diese Öle doch als richtige Wundermittel für alle möglichen gesundheitlichen Probleme angepriesen und ich beschließe, lieber in sie als in Medikamente zu investieren. Die Katheterprobleme habe ich inzwischen einigermaßen in den Griff bekommen und der Plastikschlauch aus meinem Penis mit dem Urin-Auffang-Sack am Oberschenkel oder manchmal auch mit einer längeren Leitung an mein Schienbein gehängt, stören mich zwar nach wie vor und haben meine Lebensqualität verschlechtert und doch der Harn kann damit wieder aus mir fließen und ich versuche, möglichst hygienisch damit umzugehen. Schon einmal musste ich mit Schmerzen in die Uro-Ambulanz fahren, weil sich der Harn infiziert hatte. Die Gefahr einer Infektion ist relativ groß, wenn man trotz Katheter zu viele Aktivitäten durchführt, wie ich das mache, auch Tennis damit spiele, was beim Rennen über die Sandplätze natürlich Staub dazu kommen lässt. Außerdem bin ich nicht der Typ, der nur noch brav zu Hause sitzt oder im Bett liegt und seine Krankheit bejammert. Vorsicht ist also geboten. Irgendwann werde ich es schaffen, den Katheter wieder wegzubringen. Das schwebt mir vor. Bei einem Katheterwechsel in den folgenden Wochen gelingt mir das allerdings nicht. Ich lass zwar den Katheter an der Uro-Ambulanz weggeben, trinke gleich danach viel Wasser und warte noch im Krankenhaus, bis ich einen Harndrang verspüre. Auf dem WC bin ich freudig erregt, es fließt aus mir und ich verabschiede mich aus dem LKH, setze mich ins Auto und fahre guter Dinge nach Hause. Doch schon sehr bald muss ich den ersten Parkplatz aufsuchen und wiederum Harn entsorgen. Allerdings kommt trotz Druckschmerz nur spärlich Urin aus mir. Ich fahre weiter, muss wieder auf einen Parkplatz, weil der Harndrang groß ist, und wieder tropft es nur spärlich aus mir. Ein echter Volltreffer, den mir mein Gegner damit versetzt. Kurz entschlossen verlasse ich die Autobahn an der nächsten Abfahrt und steuere wieder dem LKH zu. Angekommen, wird mir erneut ein Katheter gesetzt und ehrlich gesagt ich bin erleichtert und mehr als nur froh, dass es Ärzte und Einrichtungen gibt, die einem in solchen Nöten helfen können. Der Harn fließt wieder ruhig aus mir und in den nächsten Wochen und Monaten gelingt es mir nicht, den Katheter wegzubringen. Er ist mittlerweile zu einem fixen Bestandteil meines Krebs-Daseins geworden. Der Krebs hat mich zwar nach wie vor in seinen Krallen, doch ich lass mich nicht unterkriegen, arbeite täglich so gut es geht an meinen zehn Heilungspunkten und bringe dadurch Zuversicht, Hoffnung und Energie in mich, und meine Seele dankt es mir mit einer wieder deutlich gesteigerten Lebensfreude. Im Feber nehme ich sogar wieder an Steirischen Landesmeisterschaften im Tennis teil. Trotz Katheters und auch wenn es mir einigermaßen Mühe macht, mich bis ins Finale durchzukämpfen und sich zwischendurch mein Kathetersack immer wieder rot färbt. Das bringt wohl die übergroße Anstrengung mit sich. Doch ich will und muss durchhalten. Am Ende stehe ich mit dem Pokal in der Hand als Sieger fest. Dieser sportliche Erfolg gibt mir zusätzlich Kraft, weiter an mich und an meine eigenen Heilmethoden zu glauben. Noch etwas freut mich: Mein Buch Sich selbst-heilen findet Anklang, und ich verteile einige Exemplare unter Freunden und Bekannten. Im Mai 2011 spiele ich für mein deutsches Tennisteam alle Matches in der Meisterschaft, und man sollte es nicht glauben ich kann tatsächlich trotz Katheter sechs von sieben Matches für mein Team gewinnen. Schmerzen verspüre ich hin wieder am Spitz meines Penis, aber das kann meine innere frohe Grundstimmung kaum bremsen. Ich fühle mich wesentlich besser als in den letzten Wochen und Monaten und beschließe nach Turnierteilnahmen in Ungarn, der Türkei und auf Mallorca, im Dezember 2011 meine Prostata abhobeln zu lassen. Mit einem Lächeln kann ich meine Ringecke aufsuchen, denn in dieser Runde hat mir der Krebs kaum einen Schlag versetzt. Schuld daran war in erster Linie mein Selbst-Heilungs-Programm für meinen Körper, aber viel mehr noch für meine Seele und ich neige beinahe dazu, den Feind in mir zu ignorieren. Eine Runde, die ich einigermaßen klar für mich werte!
Auf zur dritten Runde.
Dezember 2011, der erste Schnee liegt bei uns im Tal, und ich warte auf meine Prostata-OP im LKH Leoben, um die angesprochene Prostata-Abhobelung machen zu lassen. Nach den üblichen OP-Tauglichkeits-Untersuchungen stimme ich zu, den Eingriff nicht in Vollnarkose, sondern mittels Kreuzstich durchführen zu lassen. Mein PSA-Wert ist relativ hoch und beträgt vor der OP in etwa 70. Die Prostata-Abhobelung soll meine Prostata wieder soweit verkleinern, dass kein vermehrter Harndrang zu spüren ist und der Harn wieder ohne größere Probleme aus mir fließen kann. Die Ärzte im LKH sind nett und der für meine OP zuständige Oberarzt macht einen guten und kompetenten Eindruck auf mich. Was mich einigermaßen stutzig macht, ist die Tatsache, dass er mich bei der letzten Visite vor der OP noch fragt, ob ich nicht auch gleich meine Hoden mit wegmachen lassen will. Dann hätte ich kein Hormonproblem und müsste nicht später zu Hormonblockern greifen, weil vor allem die Hoden das Testosteron, also das männliche Sexualhormon, erzeugen und weiter im Körper verbreiten, was zur Folge hat, dass sich Metastasen auch außerhalb der Prostata verbreiten würden. Ich bin entsetzt, will mich wirklich nicht zum Ochsen machen lassen und lehne dankend ab. Mein Gegner im Ring registriert das mit einem Lächeln. Er meint wohl, dass er damit noch bessere Karten gegen mich in der Hand hat und holt zum Schlag aus. Ich ducke mich jedoch und so trifft er mich vorerst noch nicht.
Die OP verläuft gut und nach knapp einer Woche kann ich das Krankenhaus verlassen. Was mich besonders freut, ist die Tatsache, dass auch mein Schließmuskel einigermaßen gut funktioniert und nur wenig Harn unkontrolliert austropft. Mit Einlage ist das kein Problem. Ein total neues Lebensgefühl kommt außerdem in mich, weil ich nach über einem Jahr mit Dauerkatheter jetzt wieder ohne den Plastikschlauch und ohne den dazugehörigen Kathetersack durch mein Leben gehen kann. Einfach herrlich und mit dieser neuen Lebensqualität punkte ich voll in dieser Runde. Dazu kommt, dass ich mich nach wenigen Wochen auch wieder im Besitz meiner vollen Kraft und Energie fühle, und ich starte einen Anlauf für ein neues Buch mit dem Titel: Prostata-Probleme. Untertitel: Sexuelle Verabschiedung? Darin versuche ich alles mir wichtig Scheinende festzuhalten. Mit Berichten zu PSA, Biopsie, OP, Krankenhaus-Aufenthalt, Gedanken und Gefühlen auch zum Thema Sex und ob so etwas nach Prostata-OPs noch möglich ist. Dazu beschreibe ich einen meiner Tagesabläufe und meine Maßnahmen zur Krebsbekämpfung, in die ich erstmals auch überirdische Kräfte mit eingebaut habe, und zwar in Form eines ganz besonderen Helfers, dem Erzengel Raphael. Die Gattin eines meiner deutschen Tenniskollegen hat mir ein Buch geschenkt mit dem Titel: Die Heilkraft der Engel. In diesem Buch wird beschrieben, was Engel alles bewirken können. Auch bei der Heilung von Krankheiten. Ich will zumindest versuchen, auch diese Kräfte zu nützen, denn jede Hilfe ist mir willkommen, sofern sie nicht darauf auszielt, mich durch starke Medikamente mit bedenklichen Nebenwirkungen zu schwächen. Natürlich kommt auch die Ernährung aufs Tapet. Alles übersichtlich beschrieben und nicht nur für mich selbst, sondern auch für all jene gedacht, die wie ich mit Prostata-Problemen zu kämpfen haben. Mitte 2012 lasse ich das Buch drucken. Ich spiele wieder vermehrt Tennis für meine Clubs in Wien und auch in Deutschland. Mit meinem Wiener Verein gelingt es mir sogar, den Staatsmeistertitel zu holen, und auch in Deutschland gelingen mir wie im Vorjahr etliche Siege für mein Team. Dazu kommen Turnierteilnahmen im Verlauf des Sommers und im Herbst, ich spiele in Ungarn am Balaton, fliege wieder nach Mallorca zum großen Mallorca-Open-Tennisturnier für Senioren und werde zu meiner großen Freude ins Weltmeisterteam für Österreich einberufen, wo ich im Oktober in der Türkei mit weiteren drei Teamkollegen im Einsatz bin.
Meine Prostata macht mir in dieser Zeit so gut wie keine Probleme, ich fühle mich gut, besser als in den Jahren zuvor, und irgendwie bin ich sogar dankbar, das alles erlebt zu haben. Mir nach der OP dringend empfohlene Hormonblockaden habe ich nach einigem Überlegen dankend abgelehnt. Irgendein Gefühl in mir und auch meine innere Stimme haben mir zugerufen, mich nicht durch eine Testosteron-Blockade körperlich schwächen zu lassen. Wo doch Testosteron für Männlichkeit, Kraft und Energie in uns zuständig ist und etliche Spitzensportler und viele Männer, die körperlich gute Leistungen vollbringen wollen, eher danach Ausschau halten, mittels Nahrungsergänzungsmitteln etc. zu einer zusätzlichen Testosteron-Zufuhr zu kommen. Ich wollte mich nicht in die andere Richtung begeben und meinen Körper damit bewusst schwächen. Auch auf die Gefahr hin, dass damit der Krebs vielleicht eine bessere Chance hätte, sich weiter in meinem Körper zu verbreiten. Schon die mir nach der Diagnose Prostatakrebs empfohlene Chemotherapie habe ich 2010 abgelehnt, weil ich aus meinem Krebsbuch entnommen habe, wie schädlich sich solche Behandlungsmethoden manchmal auswirken können. Zudem wusste ich von mehreren an Krebs Erkrankten, dass trotz aller Bestrahlungen und chemischen Behandlungen die Sache am Ende schief gegangen ist. Leider. Es war ein gutes Jahr für mich und diese Runde werte ich deshalb voll für mich.
Vierte Runde.
Der Krebs in mir scheint nicht besonders erfreut zu sein über den Ausgang der letzten beiden Runden und mit besonderem Elan kommt er aus seiner Ecke zurück in die Mitte des Ringes, um den Kampf gegen mich wieder aufzunehmen. Leider, muss ich wohl sagen. Vielleicht habe ich mich auch schon zu sicher gefühlt, vielleicht meine Deckung zu sehr vernachlässigt und gehofft, dass es in dieser Art für mich weitergeht. Doch die Sache nimmt einen anderen Verlauf, wie wir gleich sehen werden. Das Jahr 2012 neigt sich dem Ende zu, der Herbst mit seiner bunten Pracht leitet das Absterben in der Natur auch bei uns ein, ich gehe sehr oft in die nahe Umgebung meiner kleinen Wohnung und erfreue mich an den klaren, hellen Tagen und bin wenig begeistert, als die ersten grauen Novembertage mit ihrem kalten Nass ins Land ziehen. Ich sehe nicht nur die Veränderung in der Natur, ich spüre irgendwie auch eine Veränderung in mir selbst. Der Harnfluss ist in letzter Zeit schwächer geworden und ich musste auch wieder vermehrt in der Nacht Wasser lassen. Konnte ich noch vor wenigen Wochen zwar nicht durchschlafen, doch kaum jemals mehr als einmal meine Nachtruhe durch Harndrang unterbrechen, so hat sich das geändert und mein Schlaf wird in letzter Zeit zumindest zweimal, manchmal bereits dreimal unterbrochen, worüber ich alles andere als erfreut bin. Noch beunruhigt mich das nicht allzu sehr, und doch ich fühle instinktiv, dass eine Veränderung in meinem Körper vor sich geht. Mein Gegner schafft es damit, wieder einmal einen Treffer zu landen. Das merke ich deutlich, weil ich durch diese neue Situation irgendwie verunsichert bin. Kommt der Krebs in mir wieder zu neuem Schwung? Schickt er sich womöglich an, wieder aktiver seinem schändlichen Tun nachzugehen? Das frage ich mich bereits mehrmals, als sich die Sache nach Weihnachten noch weiter verschlechtert, ich zum dünnen Strahl aus meinem Penis hin und wieder auch Schmerzen an meinem Blasenausgang verspüre und das eine oder andere Mal am Abend zu Schmerztabletten greifen muss, weil ich mit den dadurch entstehenden Druckschmerzen kaum einschlafen kann. Auch dann nicht, wenn ich vorher versuche, Harn abzulassen. Versuche sage ich hier ganz bewusst, denn es handelt sich wirklich eher um Versuche als um eine erfolgreiche Entleerung meiner Blase. Dieses Gefühl kenne ich nur zu gut aus der Zeit, bevor ich meinen Katheter eingesetzt bekommen habe. Da war die Situation ähnlich. Einen echten Tiefschlag versetzt mir mein Gegner allerdings noch während des Winters, als mir aus eher heiterem Himmel plötzlich meine Stuhlentleerung Probleme macht. Anstatt wie bis jetzt mit einer einmaligen morgendlichen Stuhlentleerung auskommen zu können, verspüre ich auch tagsüber mehrmals einen unangenehmen Stuhl-Entleerungsdrang. Das Unangenehme dabei ist jedoch, dass ich trotz des Dranges kaum jemals eine echte und befreiende Entleerung vornehmen kann und der Kot aus meinem Darm nur sehr dünn und eher flüssig aus mir kommt. Ähnlich, wie wenn man eine mit Senf gefüllte Tube nicht mit einem Mal entleert, sondern dies im Verlauf der nächsten zehn Stunden macht, indem man jede halbe Stunde ein etwa fünf Zentimeter langes Stück, stark mit Wasser vermischt, herausdrückt. Was die Sache noch unangenehmer macht: Dieser Bleistiftkot, wie das die Ärzte bei der nächsten Untersuchung zu bezeichnen pflegten, sucht den Weg in die Freiheit mittels etlichen unkontrollierbaren Furzen und fängt immer öfter an, sich unkontrolliert in meine Unterwäsche zu entleeren. Eine Unterwäsche, die ich mittels Einlagen verstärken und bereits mehrmals täglich wechseln muss. Beunruhigt suche ich die Urologie-Ambulanz wieder einmal auf, berichte von meinen Problemen und bekomme zur Antwort, dass der Krebs anscheinend sein Werk fortsetzen und diese Gewebe-Verengungen, sowohl vorne beim Urin als auch im Analbereich, hervorrufen würde. Der behandelnde Oberarzt macht mich auf den Ernst der Lage aufmerksam, stellt mir die Rute ins Fenster und fordert mich auf, sofort mit einer Hormontherapie zu beginnen. Er verschreibt mir Medikamente in Form einer Hormon-Spritzenkur, die mir mein Hausarzt monatlich einmal verabreichen soll, ordnet außerdem eine CT-Untersuchung für meinen Beckenbereich an, um die Ursachen der Verengung im Analbereich festzustellen. Es ist mittlerweile März geworden, ich bin ob dieser wenig erfreulichen Neuigkeiten einigermaßen verunsichert. Sollten sich meine Eigentherapien womöglich als nutzlos herausstellen und meine vielen Bemühungen, den Krebs zu stoppen, mehr oder weniger umsonst gewesen sein? Ich kann das einfach nicht glauben, und doch alles scheint darauf hinauszulaufen. Ein neuer PSA-Wert wird erstellt: Etwas über 700. Ein Wahnsinn eigentlich, wenn man bedenkt, dass sich der Normalwert in einem Bereich von 0 bis 4,5 bewegt und viele Männer schon stark beunruhigt sind, wenn bei ihnen ein Wert knapp unter 10 festgestellt wird. Und ich? Ich hole tief Luft, als ich meinen neuen Wert sehe. Dabei hatte ich gehofft, dass er von den ehemals 70 sich weiter nach unten bewegt hätte. Mein Gegner hat mir damit nach längerer Zeit wieder die ersten schweren Treffer zugefügt. Beim Gong wanke ich in meine Ecke. Diese Runde geht glatt an ihn.
Runde 5.
Was soll ich sagen? Ich fühle mich seelisch zwar noch immer einigermaßen gut, doch die ständigen Schmerzen und die riesigen Probleme bei der Stuhlentleerung haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Zweifel nagen an mir, ob ich mich weiter auf dem richtigen Weg befinde, den Krebs zwar nicht gänzlich heilen zu können, aber zumindest seine Verbreitung in mir zu stoppen. Bei meinen Blicken in den Spiegel versuche ich jedes Mal festzustellen, ob so ein schwer an Krebs Erkrankter aussieht? Eher nicht, versuche ich mir einzureden, ein Blick auf die Waage sagt mir allerdings, dass ich in letzter Zeit drei Kilogramm abgenommen habe. Auch das registriere ich eher mit Sorge, wo man doch weiß, dass von Krebs Befallene sehr oft kontinuierlich an Gewicht verlieren. Der Feind punktet also auch damit und ich muss alle noch in mir weilende Zuversicht aus meiner Seele hervorkramen, um nicht in eine negativ-depressive Stimmung zu kommen. Was mir zusätzlich Sorgen bereitet, ist die Sache mit meinem Tennis. Durch die Stuhlentleerungs-Probleme muss ich relativ oft ein WC aufsuchen. Das geht beim normalen Spielen einigermaßen gut, Wettkämpfe dauern allerdings zumeist über eine Stunde, und da muss ich dann während eines Matches den Platz verlassen, um die Sache wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Eine WC-Pause steht einem ja grundsätzlich zu, doch zu mehr sollte es nicht kommen. Da heißt es dann eben die Zähne zusammenbeißen und versuchen, durchzuhalten. Auch wenn die Schmerzen wegen des immer heftiger werdenden Stuhlentleerungs-Drucks dabei groß sind. Im April mache ich dennoch an einem mehrtägigen Trainingslager in der Oststeiermark mit. Vor allem deshalb, weil ich für meine Teams in Deutschland und Wien Meisterschaft spielen will und trotz Bedenken in letzter Zeit diese Termine im Mai nicht abgesagt habe. Das Wetter ist schlecht in dieser letzten April-Woche, doch wir können bei Wind und Kälte dennoch im Freien trainieren, um uns auf die kommende Meisterschaft auf Sand vorzubereiten. Ich mit Schmerzen, die täglich nur noch mit etlichen Tabletten-Einnahmen einigermaßen zu ertragen sind. Ich merke, dass mein Urin nur noch sehr schwer aus mir fließt und trotz verstärktem Harndrang meine Blase sich kaum noch richtig entleeren lässt. Bei der Heimfahrt vom Trainingslager lenke ich mein Auto aus einem Bauchgefühl heraus hin zur Uro-Ambulanz Leoben. Ich spüre, dass ich dringend Hilfe benötige. In der Ambulanz angekommen soll ich eine Harnprobe abgeben, was nicht gelingt. Anstatt Urin tropft nur ein bisschen Blut aus meinem Penis. Was die Sache ganz schlimm macht, ist die Tatsache, dass der Druckschmerz wegen der übervollen Blase bereits sehr groß ist. Der behandelnde Oberarzt versucht einen Katheter durch den Penis zu setzen, doch die Harnröhre ist derart verengt, dass er auch den dünnsten Katheter nicht in die Blase einführen kann. Um die Sache jetzt wieder mit einem Boxkampf zu vergleichen: Mein Gegner landet damit einen Volltreffer und ich gehe zum ersten Mal echt zu Boden.
Was passiert weiter? Der OA entschließt in aller Eile ein Zistofix anzulegen, womit der Harn von der Blase durch den Bauchraum ausfließen kann. Eine Maßnahme, die mir vielleicht sogar das Leben rettet. Denn mittlerweile ist meine Blase zum Bersten gefüllt und die Schmerzen sind für mich unerträglich geworden. Die Rettung also in letzter Minute, und ein unendlich großes Danke kommt aus meinem Mund an den Mann im weißen Mantel, der mir nur mittels einer örtlichen Betäubung diesen Schlauch durch den Bauchraum in die Blase einsetzt. Als der Harn danach ruhig aus diesem Schlauch ins Freie fließt, die Schmerzen nach und nach verschwinden, da fühle ich mich wie von den Toten auferstanden. Mit sehr viel Glück überstehe ich diesen Niederschlag. Allerdings komme ich erst bei 8 wieder auf die Beine, schramme also ganz knapp an einem vorzeitigen K. O. vorbei. Es erübrigt sich festzuhalten, für wen diese Runde gewertet wird. Der Krebs hat ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt
Runde 6.
Mit dem Schlauch aus meinem Bauchraum, diesem Zistofix-Katheter, durch den der Harn jetzt wieder ohne zu stauen aus meiner Blase fließen kann, fühle ich mich nicht nur wieder besser und spiele nicht nur täglich wieder Tennis, um meinen Plan, die Matches im Mai für meine beiden Clubs mitmachen zu können, ich bin sogar so frech, zur Europameisterschaft nach Sofia zu fliegen, um mich mit allen möglichen Gegnern zu messen. Allerdings wäre ich nicht hingeflogen, hätte ich nicht bereits den Flug und das Hotel gebucht gehabt. Den Katheter aus dem Bauch habe ich bald im Griff und kann mich gut darauf einstellen, was die Entleerung und das Tragen am Körper betrifft. Was allerdings bestehen bleibt, ist mein Kot-Entsorgungs-Problem, das hat sich leider nicht gebessert. Was ich vergessen habe, zu berichten: Beim Aufenthalt in der Urologie-Ambulanz haben wir uns auf einen OP-Termin für eine Harnröhrenschlitzung Anfang Juli geeinigt. Ich hab um diesen Termin gebeten, weil ich die Meisterschaft für meine Clubs noch spielen wollte. Mit Ende Juni wäre alles unter Dach und Fach gewesen, was Tennis betrifft. Aber man sollte eben die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Der Feind in mir hat diese Schwachstelle registriert und in den nächsten Tagen und Wochen begonnen, richtig loszulegen. Täglich muss ich nun bereits vier, fünf Schmerzmittel nehmen. Täglich sitze ich vermehrt auf den verschiedensten WC-Muscheln, um zumindest ein bisschen Kot dabei zu entsorgen. Täglich wechsle ich mehrmals die Einlagen in meiner Unterwäsche. Täglich werden die Probleme größer. Bei der EM in Sofia muss ich das zweite Match abbrechen, zu groß sind die Schmerzen im Afterbereich und ich kann den Heimflug kaum erwarten. Für mein Deutsches Team kann ich zuvor auch nur ein einziges Match bestreiten, dann sage ich schweren Herzens die weiteren geplanten Einsätze ab. Für Wien spiele ich trotz aller Probleme zwei Matches und schleppe mich dabei elendiglich über den Platz, ohne jede Chance, eine ordentliche Leistung abrufen zu können. Dann werfe ich das Handtuch, begebe mich wieder in die Urologie nach Leoben und ersuche um einen früheren OP-Termin. Es gelingt mir, wenigstens eine Woche früher als geplant unters Messer zu kommen. Man sollte es nicht glauben, ich fühle mich zwar physisch stark angeschlagen, psychisch jedoch noch bei weitem nicht total am Boden. Ist vielleicht ähnlich, wie wenn ein Hochwasser durchs Land braust, doch die Dämme halten noch immer. Mit meinem Therapieprogramm der letzten Monate scheint es mir tatsächlich gelungen zu sein, mich psychisch zu stärken. Noch hält mein Damm, um alle diese Rückschläge der letzten Zeit irgendwie zu verkraften. Dennoch kann ich den OP-Termin kaum erwarten, denn ich spüre, dass es höchst an der Zeit ist, zu handeln. Nur die OP kann mir helfen und ich setze voll darauf. Vor allem, weil ich von einem Tenniskollegen mit ähnlichen Stuhlentleerungs-Problemen weiß, die sich bei ihm nach einer Prostata-Abhobelung weitgehend normalisiert haben. Das lässt mich hoffen. Dennoch muss ich auch diese Runde wieder an meinen Gegner geben.
Zwischenbilanz über die ersten sechs Runden.
Runde 1, 4, 5 und 6 an meinen Gegner. Für mich kann ich momentan nur die 2. und 3. Runde werten. Alles in allem sieht die Sache also nicht allzu gut für mich aus. Der Krebs liegt eindeutig auf Siegeskurs und scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Ganz anders verhält sich das bei mir: Ich denke zwar noch lange nicht an ein vorzeitiges Schmeißen des Handtuches aus meiner Ringecke und fühle mich noch immer irgendwie stark genug, um den Kampf doch noch für mich entscheiden zu können, sitze in der Pause in meiner Ecke und versuche mir neuen Mut zuzusprechen. Vor allem hoffe ich auf die OP. Die wird mich wieder stärken und mir die notwendige Kraft bringen, um mich in den letzten Runden doch wieder entschieden besser dem schier übermächtigen Gegner entgegenstemmen zu können. Die Bilanz ist allerdings schlecht: 4:2 für den Krebs. Ich muss in den letzten vier Runden zumindest dreimal punkten, um vielleicht doch noch zumindest ein Unentschieden holen zu können. Ein echtes K.O. gegen den Krebs könnte mir nur durch ein Wunder gelingen, und dieses Wunder hieße einzig und allein: Wunderheilung! Wie man das in dem einen oder anderen Fall bei der Krebsbekämpfung zu Ohren bekommt, wenn von Tausenden und Abertausenden Erkrankten tatsächlich einer als Sieger aus dem Kampf steigt. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings mehr als nur gering und die Chancen dafür in etwa mit einem Treffer in der Klassenlotterei zu vergleichen. Darauf kann und will ich nicht hoffen, und es wäre bereits ein echtes Wunder für mich, wenn ich alle noch ausstehenden vier Runden für mich entscheiden könnte. Das ergäbe ein 6:4 für mich und würde meine Rettung bedeuten. Darauf hoffe ich.
Die OP-Tauglichkeits-Untersuchungen bringe ich hinter mich. Mit nicht allzu großer Freude. Zweimal Blutabnahme, zuerst beim Praktiker, um ein allgemeines Blutbild durch ein spezielles Labor erstellen zu lassen, dann wieder im LKH Bad Aussee anlässlich weiterer Untersuchungen wie z.B. einer Röntgenuntersuchung für den Brustraum und einem EKG für Herz und Lunge. Eine weitere Blutabnahme wird bei der Einweisung ins LKH Leoben/Urologie vorgenommen und zusätzlich eine Röntgenaufnahme von meinem Bauchraum gemacht. Vor allem die ständigen Blutabnahmen registriere ich mit wenig Wohlwollen. Mir scheint das im Übermaß zu erfolgen. Und doch bin ich froh, endlich im LKH gelandet zu sein, nachdem meine OP-Tauglichkeit bescheinigt ist. Der absolute Hammer bei diesen Untersuchungen führt nicht nur bei mir zu einem ungläubigen Kopfschütteln: Mein PSA-Wert vor der OP, festgestellt durch ein dafür zuständiges Labor ist in eine wahre Rekordhöhe geschnellt. Sie lesen richtig: 3764,33. Damit kein Zweifel an der Richtigkeit aufkommt, steht dabei: Kein Irrtum! Zweifachbestimmung! Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass zusätzlich zu den Schlägen des Krebses eine Pistole auf mich gerichtet ist
Runde 7.
Dennoch setze ich all meine Hoffnungen auf die OP und neu motiviert komme ich aus meiner Ecke zurück in die Ringmitte und bin guter Dinge, in dieser Runde dem Krebs entscheidend entgegentreten zu können. Die Situation rund um die OP ist mir bereits von meiner ersten Prostata-Abhobelung vertraut. Auch diesmal werde ich in ein 6-Bett-Zimmer eingewiesen, einen Raum, in dem sich alle Patienten befinden, die keine Zusatzversicherung vorweisen können, also zum ganz normalen Fußvolk gehören. Zum Unterschied dazu gibt es richtige Versicherungs-Profis, mit Zusatz-Versicherungen aller Art für den Fall der Fälle, sollten sie irgendwann einmal in die Lage kommen, in eine Krankenanstalt eingeliefert zu werden. Mit Sonderklasse in Ein- oder Zweibettzimmern untergebracht. Eigenen Fernseher, Telefonanschluss, gesonderte Speisenkarte und zusätzlich in den meisten Fällen auch einer speziellen Betreuung durch Ärzte und Schwestern, auf die Klassepatienten Anspruch haben. Auch wenn vielfach bestritten wird, dass es eine Zweiklassen-Gesellschaft in Krankenhäusern gibt, was Betreuung und Behandlung betrifft, so kann man durchaus annehmen, dass es dennoch so ist. Ein bestens versicherter, zahlungskräftiger oder womöglich sogar prominenter Patient dürfte auch bei der Auswahl der Chirurgen zu einer OP ein bisschen anders behandelt werden als ein x-beliebiger Patient mit 3.-Klasse-Status. Na ja, wie auch immer. Ich nehme es wie es ist und bin froh, durchaus nett behandelt und betreut zu werden, auch wenn es nicht immer Spaß macht, mit fünf weiteren oftmals in einem bedenklichen Gesundheitszustand sich befindlichen und sehr oft alten Männern in einem Schlafsaal untergebracht zu sein. Schlafsaal sage ich hier bewusst, denn zumeist dösen frisch Operierte vor sich hin oder sie schnarchen fürchterlich, stöhnen und seufzen. Echt bedauernswert. Auch der Verkehr in so einem 6-Bett-Zimmer ist enorm. Da geht es den ganzen Tag Tür-auf und Tür-zu dahin und von Ruhe kann eigentlich kaum die Rede sein. Ruhe, die Patienten zur Genesung brauchen würden. Dazu kommen noch viele Besuche und ich sehne immer den Abend herbei, wenn endlich einigermaßen Ruhe einkehrt. Ruhe, die nur durch Stöhnen, Furzen, Schnarchen und das Hantieren der Nachtschwester an Infusionen, Wechseln der Leibschüsseln und dergleichen gestört wird. In meinem Buch Prostata-Probleme berichte ich über eine dieser Nächte im Krankenhaus.
Weiter zum Kampf in dieser Runde: Für die OP wähle ich diesmal die Voll-Narkose als Betäubungsmittel. Ganz bewusst, denn meine Gedanken gehen auch dahin, vielleicht nicht nur für die OP ruhig einschlafen zu können. Wäre doch auch eine gute Verabschiedung von dieser Welt. Ganz relaxed einschlafen zu können. Für immer und ewig. Ich schlafe auch herrlich weg und erwache erst wieder in meinem Zimmer. Mit den üblichen Infusionsflaschen und den Schläuchen, die in mich und aus mir ragen. Keine Probleme, keine Schmerzen, einfach herrlich. Ich fühle mich echt erleichtert und geborgen in meinen weißen Laken. Zwei Katheter sind allerdings noch an mir: Der neu hinzugekommene aus dem Penis und der alte aus dem Bauchraum. Den hat man noch nicht entfernt. Der Sack an meiner Bettwand ist vom Blut rot gefärbt, die Infusionsflasche wird ständig erneuert und bei der nächsten Visite erscheint mein Operateur und sagt, dass alles gut verlaufen sei. Allerdings macht er mich darauf aufmerksam, dass die Harnröhrenschlitzung sehr intensiv ausgefallen ist und es nicht auszuschließen ist, dass eine bleibende Inkontinenz auf Grund eines doch einigermaßen in Mitleidenschaft gezogenen Schließmuskels zu erwarten ist. Diese Aussage erfreut mich weniger und bringt wieder einen Treffer für meinen Gegner. Inkontinenz ein Alt-Männer-Leiden, mit dem viele Prostata-Geschädigte leben müssen, wenn der Schließmuskel nicht mehr dicht hält und der Harn mehr oder weniger unkontrolliert austropft oder manchmal sogar ausfließt. Und doch, ich bin guter Dinge, auch dieses Problem zu meiner Zufriedenheit lösen zu können. Man hat mir ja schon viel prophezeit in den letzten Jahren. Am ärgsten war die Aussage eines Arztes, als ich gängige Behandlungsmethoden abgelehnt habe: Sie werden fürchterliche Schmerzen bekommen, Ihre Knochen werden brechen und Sie werden unendlich leiden! Wenn Sie nach wie vor unsere vorgeschlagenen Behandlungs-Methoden ablehnen! Der Krebs hat zu diesen Worten gelächelt und genickt. Damals. Diesmal bestimmt auch wieder, und er reibt sich wohl schon die Hände und freut sich über meinen Starrsinn. Und ich? Auch ich freue mich. Vor allem darüber, dass ich noch immer lebe und noch immer bereit bin, zurückzuschlagen. Mit meinen eigenen Methoden, mit meinen eigenen Ideen, und nach nicht einmal einer Woche halte ich meine Entlassungspapiere in der Hand und verabschiede mich mit einem Lächeln und einem ehrlichen Danke! aus dem LKH Leoben. Verabschiede mich von netten und fürsorglichen Menschen, die dort wirken und werken. Vom Pfleger über das Schwesternpersonal, Ärzte aller Stufen bis hinauf zum Chef persönlich. Allerdings lautet ein Spruch hier, und eine Schwester bringt ihn mir zu Gehör: Einmal Urologie immer Urologie! Als ich im Auto sitze und meine Behausung ansteuere bin ich guten Mutes, diesem Kampf eine Wende zu geben und die Sache doch noch für mich entscheiden zu können. Die Katheter sind entfernt, die Schmerzen wie weggeblasen. Jetzt wird es weiter mit mir aufwärts gehen. Das nehme ich mir ganz fest vor. Wäre doch lächerlich, wenn ich diesen Kampf nicht gewinnen sollte. Ich, der Kämpfer seit meiner frühen Kindheit. Krebs hin, Krebs her. Ich will gar nichts mehr davon hören! Meine Methoden sind die richtigen! Das spüre ich ganz tief in mir! Ich werde siegen! Mit dieser Einstellung scheint mein Gegner allerdings keine Freude zu haben. Er hat es diesmal nicht geschafft, mir entscheidende Treffer zuzufügen, und als der Gong ertönt, schreite ich mit festen Schritten in meine Ecke zurück. Ich werde weiter voll und ganz auf meine Heilungspunkte und auf meine neu installierte Lebensweise vertrauen. Und auch die Engel werden mir weiter helfen. Da bin ich ganz sicher. Diese Runde darf ich wohl für mich werten! Oder? Ja, ganz sicher sogar!
Einige Gedanken zwischendurch, ehe ich mich in die drittvorletzte Runde stürze: Heute ist Montag, der 28. April 2014, und ich hab soeben weiter an meinem Krebsbuch geschrieben. Nicht einfach, die Sache ohne zu verschönern, ohne zu verharmlosen, aber auch ohne zu übertreiben hinzuzimmern. Immer bemüht, der Realität ins Auge zu blicken und den Lesern all das, was mir wichtig scheint, aufzutischen. Allerdings bin ich der Typ, der auch beim Schreiben gerne verändert, weil ich immer wieder zu neuen Ideen komme. Das selbe gilt für die Mittel, die ich in meinem Kampf gegen diesen starken Gegner einsetze. Immer wieder komme ich auch hier zu neuen Erkenntnissen und neuen Ideen. Was zumindest für mich die Sache spannend macht: Wie geht es weiter? Wem gehören die letzten drei Runden? Gewinnt der Krebs nur eine davon, dann gibt es ein Unentschieden. Obwohl es bei so einem Kampf eigentlich kein Unentschieden, sondern nach diesen zehn Runden nur einen Sieger geben kann. Wer das ist, das wird sich schon sehr bald herauskristallisieren. Oder sollte ich mich da irren? Könnten wir vielleicht den Kampf unentschieden werten, wenn es mir gelingt, zumindest noch weitere zehn Jahre am Dasein teilzunehmen? Ein Mensch, der zwar nicht laut jauchzend durch sein weiteres Leben springt, der aber sein Dasein noch in zumindest einigen Bereichen als lebenswert empfindet. Ohne von Medikamenten abhängig dahinsiecht, wie es vielen Krebspatienten geht, die sich immer wieder bestrahlen und mit starken Medikamenten behandeln ließen. So ein Dasein werte ich nicht als Unentschieden, das ist für mich eine echte Niederlage. Ein Unentschieden bedeutet für mich, zwar einigermaßen weit entfernt zu sein von einer vollständigen Heilung, doch ebenso weit entfernt von einem Siechtum, gepaart mit ständigen Untersuchungen, immer wieder Krankenhaus-Aufenthalten und gefangen im Würgegriff der Pharma-Industrie mit täglichem Medikamentenkonsum im Übermaß. So sieht die Niederlage für mich aus! Siegt der Krebs, ist die Fahrkarte ins Jenseits gelöst. Früher oder später echt gelöst und durch den Krebs verursacht. Das gilt nicht nur für mich, das gilt für alle von Krebs Befallenen. Manche treten die Reise sofort an, einige nach Monaten oder bestenfalls einigen Jahren. Siegt der vom Krebs Befallene oder die vom Krebs Befallene, dann kann man von einem Wunder sprechen, sofern das Leben wieder beschwerdefrei und angereichert mit frischer Lebensfreude abläuft. Ab und zu hört man von solchen Wunder-Heilungen, und so halte auch ich mich an ein altes lateinisches Sprichwort, das lautet: Dum spiro spero! Was auf gut Deutsch heißt: So lange ich atme, hoffe ich! Vielleicht gibt es auch bei mir ein solches Wunder.
8. Runde.
Was soll ich sagen? Die OP ist gut verlaufen, der Strahl aus der frisch aufgeschlitzten und geweiteten Harnröhre ist zwar keineswegs als überwältigend zu bezeichnen, doch der Harn fließt wieder aus mir und unkontrolliertes oder ungewolltes Nässen gibt es zwar vor allem körperliche Anstrengungen, z.B. auch das Niesen oder Husten führen zu einem ungewollten Ausfließen von Urin. Mein Gegner punktet damit wieder mit einem kräftigen Schlag in meine Psyche. Auch das Kot-Entsorgungsproblem ist nach wie vor vorhanden, doch die Schmerzen halten sich dabei in Grenzen und ich bin fest davon überzeugt, auch hier weitere Fortschritte machen zu können. Anfang Juli erfolgte die OP, nicht einmal eine Woche später bin ich schon wieder mit Spaziergängen in den nahen Wald und meiner täglichen Morgentherapie am Werken, die vor allem meiner Seele gut tut, aber auch einige Übungen beinhaltet, um mich körperlich wieder in eine gute Verfassung zu bringen. Optimistisch blicke ich jedem neuen Tag entgegen und fühle mich keineswegs als schwerkranker Krebs-Patient. Im Gegenteil, das Licht in mir ist voll angedreht und ich mache mich an die Arbeit und beginne in diesen Tagen mit dem Text zum ersten Kapitel meines neuen Krebsbuches mit dem Titel: Nicht übliche Strategien für ein (Über-)Leben mit Krebs. Hier beschreibe ich alles, was mir zur Krebsbekämpfung einfällt, hier beschreibe ich aber auch eigene neu dazugekommene Strategien, zu denen ich in den letzten Wochen und Monaten gefunden habe. Ausführlich und verständlich hingeschrieben und nicht nur für mich gedacht, sondern auch für alle an Krebs Erkrankten, um dadurch wieder mehr Licht und auch eine neue Hoffnung in ihr Dasein zu bringen. Im Dezember 2013 habe ich alles unter Dach und Fach, Anfang Jänner erscheint das Buch wieder im Eigenverlag, weil ich auch beim Drucken meiner Bücher einen eigenen Weg eingeschlagen habe: Nicht als Bittsteller bei Verlagen aufzutreten, sondern die Produktion in Eigenregie in die Wege zu leiten und meine sechs Bücher mit meinen eigenen Vorstellungen unter die Menschen zu bringen. Ohne Hast und Eile und ohne den Hintergedanken, damit irgendwelche Geschäfte machen zu wollen. Wobei nicht auszuschließen ist, dass ich mir irgendwann einen geeigneten Verlag suchen werde, um hier beim Vertreiben meiner Bücher professionell vorzugehen, will ich ja allen Betroffenen Interessantes anbieten, sie zusätzlich zur Schulmedizin auf neue Ideen bringen, verbunden mit dem Wunsch, vor allem wieder mehr Licht, Hoffnung, Zuversicht und Freude in ihre Seele zu bringen! Für mich scheint festzustehen: Eine Krebserkrankung kann durchaus auch Positives in unser Leben bringen. Auch darüber halte ich einige Gedanken in meinem neuen Krebsbuch fest. Die ersten Minuten der achten Runde gehen damit einigermaßen deutlich an mich, weil ich mir mit meinen Ideen zur weiteren Krebsbekämpfung selbst Mut mache und das Niederschreiben meiner Gedanken zusätzlich eine Therapie für mich darstellt. Die Wende bringen allerdings einige Treffer meines Feindes in den nächsten zwei, drei Monaten, wofür vor allem mein Stuhl-Entsorgungs-Problem verantwortlich ist. Schmerzen stellen sich wieder vermehrt ein in Form von relativ großem Druckschmerz, wenn der aufgestaute Kot aus mir entsorgt werden will, die Ausgänge jedoch zu eng sind, um den Kot mit einem einzigen WC-Besuch entsorgen zu können. Das bereitet mir Sorge und sehr oft sitze ich im Halb-Stunden-Takt wieder auf den verschiedensten WC-Muscheln, um diese Entsorgung im Verlauf doch einiger Stunden hinter mich zu bringen. Mein Gegner ist damit voll am Punkten, doch mit dem Gong rette ich mich in meine Ringecke. Diese achte Runde will ich dennoch für mich werten, auch wenn ich eher mit Sorge der nächsten Runde entgegenblicke. Sowohl der Krebs als auch ich konnten bisher jeweils vier Runden für sich buchen. Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage rückt merklich näher. Wer wird das bessere Ende für sich haben? Fühle ich mich noch stark genug, um auch in den letzten zwei Runden noch voll fighten zu können oder hat mir der tägliche Kampf mit dem Krebs schon über die Maßen zugesetzt, mich körperlich und seelisch geschwächt und vielleicht sogar mürbe gemacht?
9. Runde
Mit keinem allzu guten Gefühl begebe ich mich nach der Pause wieder in die Ringmitte und irgendwie merke ich, dass mir nach und nach die Kraft ausgeht. Vor allem die psychische Kraft, verbunden mit dem unbedingten Willen, mich nicht fertigmachen zu lassen. Der Krebs scheint wieder an Boden gewonnen zu haben, weil sich dazu noch etwas in letzter Zeit zu meinen geschilderten Problemen dazugesellt hat: Ich muss bereits wieder vermehrt zu Schmerzmitteln greifen. Wie im Vorjahr, als die Situation vor der OP ähnlich war und letztlich total kulminiert ist. Auch jetzt spüre ich wieder, wie mein Urin nur noch schwach aus mir fließt, wozu ich zu einer vollständigen Entleerung bereits wieder richtig nachdrücken muss. Ich kenne das schon und bin echt besorgt, dass auch die Probleme beim Harnlassen weiter zunehmen könnten. Deshalb entschließe ich mich, wieder einmal die Uro-Ambulanz in Leoben aufzusuchen. Vor allem, um sicher zu gehen, dass meine Nieren noch funktionieren und ob man mir sagen kann, dass trotz vermehrter, jedoch eher schleppender Urin-Entleerung kein beständiger Restharn in meiner Blase bleibt. Die Untersuchung bringt keine Probleme in beiden Richtungen ans Tageslicht. Die Nieren funktionieren gut, die Blase lässt sich trotz geringem Harnstrahl gut entleeren, auch wird die Harnröhre mittels Einführen von mehreren Kathetern hintereinander etwas gedehnt und so fahre ich guten Mutes wieder nach Hause. Und doch irgendwie merke ich eine Veränderung in mir. Irgendein ungutes Gefühl bedrängt mich in letzter Zeit und beunruhigt mich. Oder machen das die täglich zunehmenden Schmerzen aus, die sich auch von den Schmerztabletten nie ganz vertreiben lassen? Bringen die es fertig, mich aus der Bahn zu werfen? Noch etwas bedrückt mich mehr und mehr: Meine Nächte. Musste ich bis vor kurzem in etwa drei, vier Mal aus den Federn, um Wasser abzulassen oder meine Einlage zu reinigen, so hat sich auch das verschlimmert und ich liege oft stundenlang wach und kann kaum jemals wieder richtig weiter schlafen. Trotz der Schmerzmittel, die ich nicht noch weiter forcieren will. Wegen der Nebenwirkungen, die Schmerzmittel hervorrufen können, wie mir nicht nur in der Apotheke versichert wurde. Ich kann diese Nebenwirkungen auch bereits an mir spüren, wenn mich gelegentlich das Herz sticht, aus der Magengegend Schmerzen zu verspüren sind und sich diese Zustände deshalb jetzt auch auf meine Psyche äußerst unliebsam niederschlagen. Mein Gegner macht in dieser Runde mobil und punktet jetzt scheinbar nach Belieben. Irgendwie fühle ich, dass mich der Mut verlässt. Ich wanke eher durch den Ring als mich noch ordentlich zu wehren, bin eher auf der Flucht, wie man das bei angeschlagenen Boxern oftmals sieht, wenn sie sich im Rückwärtsgang befinden und der Gegner bedingungslos nachsetzt, um den entscheidenden Treffer landen zu können. Ich spüre die Hiebe rechts und links und bin am Resignieren. Da der Gong! Für wen diese vorletzte Runde zu werten ist, das brauche ich hier nicht großartig festzuhalten. Frustriert sitze ich in meiner Ringecke und wische mir das Blut aus dem Gesicht. So wird das also enden! Und es gelingt mir nicht, mich moralisch wieder aufzurichten. Ich bin kurz davor, das Handtuch zu werfen
Einige Gedanken noch, bevor ich mich in die letzte und wohl alles entscheidende Runde begebe: Was, wenn der Krebs tatsächlich als Sieger aus diesem Kampf hervorgeht? Wie soll ich mich da verhalten? Soll ich die übliche Variante wählen, wie das die große Mehrzahl der an Krebs Sterbenden tun? Die bis zum Schluss auf ein Wunder hoffen, sich den letzten Euro aus der Tasche ziehen lassen und all das machen, was ihnen Ärzte und Sterbebegleiter raten? Um schließlich chancenlos gegen den übermächtigen Gegner dennoch den Weg in die Holzkiste nehmen zu müssen? Oder soll ich mit erhobenem Kopf Abschied nehmen von meinem Dasein? Vielleicht sogar mit einem letzten Anflug von einem Lächeln und als freier Mann gehen mit gutem Überlegen, wie so etwas möglich sein könnte, ohne meinen ohnehin geschundenen Körper noch weiter Schlimmes antun zu müssen, wie das manche Verzweifelte machen, die sich von Brücken stürzen, unter Züge werfen, die Pulsadern aufschneiden oder gar zur Pistole oder zum Strick greifen? Nein, das will ich mir und meinem Körper, aber auch meiner Seele und meinen Kindern und allen jenen, die es auch in schweren Zeiten gut mit mir gemeint haben, nicht antun oder damit vielleicht sogar noch all jenen eine Freude bereiten, die sich an meinem Abgang in so einer Form ergötzen könnten. Man hat ja nicht nur Freunde im Leben und die Schadenfreude gehört zu den wohl größten Freudenspendern weltweit. Das ist nun einmal so und wird auch immer so bleiben und ich habe absolut kein Problem damit. Wie könnte also ein würdevoller und auch für mich akzeptabler Abgang aussehen? Das lasse ich noch offen, hoffe aber, dass mir dazu etwas Passendes einfällt, sofern ich zu dieser letzten Maßnahme greifen muss, um mich von dieser Welt für immer zu verabschieden
10. und letzte Runde.
Die beginne ich mit den Worten: Dein Wille geschehe! Ich erhebe mich aus meiner Ringecke und ich scheine beinahe zu schweben. Ich fühle mich plötzlich so leicht, so beschwingt und ein wunderbares Gefühl von tiefer Gelassenheit durchdringt mich, während ich der Ringmitte zusteuere. Plötzlich wird es hell in mir. Was ist los? Wie kann es so etwas geben? Bin ich am Ende gar nicht mehr im Ring? Ist der Kampf vielleicht schon vorbei, ohne dass ich das mitbekommen hätte? Wo ist mein Gegner? Wo bin ich wirklich?
Verschiedene Bilder schweben an mir vorbei und ich sehe mich am Anfang, als man mir die Diagnose Prostata-Krebs in mein Dasein gestellt hat. Dieser Schock damals und die Qual, einen Dauer-Katheter eingesetzt bekommen zu haben. Danach meine ersten Versuche, dagegen zu halten und mich nicht unterkriegen zu lassen. Ich sehe mich am PC sitzen und meine ersten Tipps für eine Selbst-Heilung in die Tastatur hämmern. Vollgepumpt von Euphorie, diese Sache für mich mit eigenen Mitteln entscheiden zu können. Krebs hin oder her. Dann ziehen Bilder aus dem Krankenhaus und von der gelungenen ersten Abhobelung der Prostata an mir vorbei und mein danach wunderbares Gefühl, dass es jetzt wieder aufwärts geht mit mir. Ich sehe mich bei der Veränderung meiner Lebensgewohnheiten, sehe, wie ich weitere Hilfsmittel zu einer Heilung einsetze. Sehe mich bei meiner täglichen Morgen-Meditation mit dem Riechen an etlichen young-living-Ölen und welch wunderbare Gefühle von wohltuender Gelassenheit mich bei diesen Meditationen immer umgeben haben. Ich denke darn, wie meine Heilengel zum ersten Mal in mein Leben eingegriffen haben und spüre auch die wunderbare Kraft, die mir der Erzengel Michael psychisch immer wieder vermittelt hat. Dann sehe ich meinen obersten Heilchef, den Erzengel Raphael, und dieser Engel der besonderen Heil-Güte-Klasse lächelt und ruft mir etwas zu, das ich jedoch nicht richtig verstehen kann. Ich sehe mich in meinem Buch Healing-Codes blättern. Wie ist das möglich? Jetzt, mitten in dieser letzten Runde. Wieder lächelt mein Heilchef und ich erwidere es hoffnungsfroh. Wird mich das noch retten? Doch dann landet mein Gegner neuerlich einen Treffer, ich wanke und es wird dunkel vor meinen Augen
Wie dieser Kampf schließlich ausgeht, das steht sozusagen in den Sternen. Könnte ich es tatsächlich noch schaffen? Oder siegt auch in meinem Fall der Krebs? Und wenn schon: Irgendwann hat alles ein Ende. Ist doch nicht schlimm, sich in den ewigen Jagdgründen zur Ruhe zu begeben. Zu einer wunderbaren Ruhe, nach der ich mich sehr oft in meinem Leben gesehnt habe. Ohne irgendwelche Probleme, ohne Sorgen, Angst und dem oftmaligen Grübeln, wie alles in meinem Leben weitergehen soll und ohne die geringsten Schmerzen
Einige Gedanken zum Schluss.
Ich hab in einem eher späten Stadium des Erkennens meines Krebszustandes meinen eigenen Weg gewählt. Ob ich damit die richtige Wahl getroffen habe, um die für mich notwendigen Selbstheilungskräfte meines Körpers anzufachen, das kann und will ich nicht beurteilen. Mein Weg ist noch immer nicht zu Ende, doch den Kampf gegen diesen übermächtigen Feind zu gewinnen, das scheint mir nicht nur sehr schwer, sondern beinahe ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Dennoch bin ich froh, den Kampf mit eigenen Mitteln aufgenommen zu haben und mit Hilfe meiner drei bereits vorliegenden Bücher hoffentlich vielen von diesem Leiden Betroffenen ein bisschen Einblick in meinen Zustand geben zu können und vielleicht auch den einen oder anderen guten Tipp unter die Menschen gebracht zu haben. Meine zehn Heilungspunkte in Sich selbst-heilen haben mir tatsächlich sehr geholfen, seelisch wieder in einen guten Zustand zu kommen, und ich hoffe sehr, dass alle daran interessierten Leserinnen und Leser Vorteile für ihr eigenes Dasein daraus ziehen können. Wobei die zehn Punkte nicht nur für bereits Erkrankte gedacht sind, sondern alle Menschen betreffen, die ab jetzt ein bisschen mehr Sorge im Umgang mit ihrer Gesundheit walten lassen wollen. Das gilt keinesfalls nur für Männer, bei denen bereits Probleme mit vermehrtem Harndrang auftreten, wie ich das in meinem zweiten Buch: Prostata-Probleme beschrieben habe. Mit Gedanken zu PSA-Werten, mit dem Bericht von meiner Biopsie, bei der Gewebeproben aus der Prostata entnommen wurden und wobei von zehn Proben alle positiv ausgefallen sind. Also Krebs in fortgeschrittenem Stadium. Das dürfte für all jene interessant sein, denen ebenfalls zu solchen Gewebe-Entnahmen ihrer Prostata geraten wird, um eine evtl. Bedrohung durch Krebs vielleicht noch abwenden zu können. Weiters habe ich meine Gefühle im Verlauf dieser Erkrankung zu beschreiben versucht, etliche Bekämpfungsmittel angeführt, einen Aufenthalt im Krankenhaus mit einer Abhobelung der Prostata beschrieben und aufgezeigt, was dabei geschieht. Mein Katheter-Dasein ein bisschen beleuchtet und wie man trotz eines solchen Anhängsels sein Leben einigermaßen gut abwickeln kann. Mit meinen Ausführungen wollte ich aber auch die Gattinnen und Lebenspartnerinnen von betroffenen Männern mit Hilfe meiner Bücher gedanklich erreichen, damit sie von nun an ihre Begleiter durchs Leben besser verstehen können, um ihnen hilfreich unter die Arme greifen zu können, wenn es nun in ihrem Sexualleben anders läuft, als dies vielleicht bis zum Ausbruch dieser Probleme der Fall war. Ich nehme darin Stellung, wie ich das sehe, und ob es für Betroffene vielleicht doch noch möglich ist, ein harmonisch-erotisch-gefärbtes Dasein führen zu können. Meine Bücher sind in einer beschränkten Auflage angefertigt worden, dennoch sollte es möglich sein, sie mittels einer e-mail (mit Betreff: farnhell-prostata) zu erhalten. Information dazu gibt es in meiner homepage www.farnhell.com im Menü wünsche. Dort Buchwunsch anklicken. Schließlich habe ich ein drittes Buch geschrieben mit dem Titel: Nicht übliche Strategien für ein (Über)-Leben mit Krebs. Hier berichte ich über meine neuesten Erkenntnisse, was mir alles zu einer möglichen umfangreichen Krebsbekämpfung einfällt. Eine Leserin hat mir mitgeteilt, dass sie das Buch in einem durchgelesen hat. Das wohl schönste Kompliment, das sich ein Autor wünschen kann ...
farnhell, im Juli 2014
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Schlechte Zeichen
Am Mittwoch, dem 3. Juni 2014 war es soweit: Man hat mir in der Chirurgie Leoben den mir bereits im Vorjahr angedrohten Stoma-Seitenausgang installiert, nachdem ich ja schon seit über einem Jahr mit meiner Stuhl-Entsorgung mehr als nur zu kämpfen hatte. Wie ich das ja bereits mehrmals zuvor erwähnt habe. Ehrlich ich war zuerst total erfreut, endlich wieder normal essen zu können und noch dazu alles, was mir schmeckt. Das war in den letzten Monaten, vor allem aber in den letzten Wochen nicht mehr möglich und ich hab schlussendlich nur noch das in mich eingeführt, was ich von meinem Bauchgefühl heraus trotz meiner Analkanal-Verengung am ehesten noch einigermaßen ohne allzu viele Probleme in einer täglich mehrstündigen Prozedur entsorgen konnte. Vielfach hab ich versucht, mich hauptsächlich nur noch flüssig zu ernähren. Was für mein Krebsproblem keinesfalls günstig gewesen sein wird. Das war mir schon klar. Meine Kräfte schwanden in den letzten Wochen vor dieser OP immer mehr, ich fühlte mich sauschlecht und doch irgendwie hab ich immer gehofft, dass ich diesen Seitenausgang noch verhindern könnte. Wo man mir doch mitgeteilt hat, dass es sich dabei vielleicht sogar um einen Stoma-Ausgang handeln würde, der nicht mehr rückoperierbar wäre. Der Stress in mir hat dadurch ganz bestimmt nicht abgenommen. Das waren für meine Heilungs-Absichten wiederum ein Dämpfer und zusätzlich ein echter Schock. Dazu täglich viele Stunden lang Schmerzen zu haben vor, während und nach der kaum noch möglichen Stuhl-Entsorgung. Als ich merkte, dass nun so gut wie nichts mehr aus mir kam, ließ ich mich von der Rettung ins LKH karren. Dort angekommen, landete ich bereits am Tag darauf auf dem OP-Tisch. Mit Vollnarkose und einer anscheinend gut gelungenen OP.
Unendlich erleichtert nahm ich all die Probleme, die so ein Seiten-Ausgang mit sich bringt mit Plastiksackerl am Bauch, in das nun der Kot fließen oder sich absetzen konnte und einer doch etwas aufwendigen Prozedur mit Wechseln dieses Anhängsels, Reinigung der offenen Wunde, wenn der Kot mittels abgesägten Darm aus dem Bauchraum geleitet wird usw. Kein Honiglecken auch für mich nicht, wo ich doch bereits genug mitgemacht hatte als Harnröhren-Dauerkatheterträger ein ganzes Jahr lang. Aber ich war zuversichtlich, nach der OP nun keine Schmerzen mehr leiden zu müssen. Diesen beinahe nicht zu ertragenden Druckschmerz tagsüber und vor allem auch nachts, der mich in letzter Zeit kaum noch ein Auge zudrücken ließ. Anstatt wie gesunde Menschen 5, 6, 7 oder 8 Stunden zur Erholung zu nützen, schlief ich kaum noch. Immer wieder musste ich aufs WC, immer wieder versuchte ich, danach wieder einzuschlafen. Zumeist jedoch vergeblich. Die Folge davon war, dass ich mich in einen immer schlechter werdenden Gesamtzustand hineinmanövrierte. Ich nahm erschreckend ab und viele meiner Bekannten und Freunde waren darüber echt besorgt, und nicht wenige taten das auch mündlich kund, indem sie sagten: Mensch Hermann, du bist aber dünn geworden! Dieses Problem sollte die OP jetzt beheben helfen. Mit dem Seitenausgang würde ich wieder alles essen können, was mir mundet. Und so war das schließlich auch der Fall.
Was ich allerdings in meiner Anfangs-Euphorie noch nicht wusste und auch nicht ahnte, war die Tatsache, dass die Kot-Entsorgung über den Bauchraum zwar tadellos funktionierte, meine Schmerzen im Afterbereich mit der Analkanal-Verengung allerdings keinesfalls verschwanden. Im Gegenteil hin und wieder meinte ich, die Schmerzen würden jetzt noch größer sein. Der Krebs hatte anscheinend bereits beste Arbeit geleistet und Wucherungen im Analkanal-Schließmuskelbereich hervorgebracht, die weiter permanent auf meine Nerven drücken und mir die jetzt und heute immer heftiger zu verspürenden Druck- und auch Entzündungsschmerzen verursachten und immer weiter verursachen. Bei einem Gespräch mit einem behandelnden Arzt wurde mir erklärt, dass es zwar möglich wäre, den Schließmuskel ganz zu entfernen, dazu eine künstliche Blase eingesetzt zu bekommen und zudem einen Dauerkatheter für den Urin-Abfluss anbringen zu müssen. Mit vorheriger intensiver Chemotherapie, um das Krebsgeschwulst für die OP einigermaßen einzudämmen usw. usf. Allein beim Zuhören für solche Zukunfts-Szenarien wurde die immer noch in mir schlummernde Zuversicht, es doch noch mit dem Krebs schaffen zu können, auf eine kaum noch zu erkennende Hoffnungs-Sparflamme heruntergeschraubt. Ich bin jetzt wieder dort angekommen, wo ich vor der OP schmerzmäßig eigentlich war: Trotz der vorhin bereits angesprochenen und in verschiedener Form anzuwenden versuchten Schmerzmittel peinigen mich Schmerzen vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. Jede Nacht muss ich zudem noch beinahe stündlich aufs WC, um Wasser abzulassen. Das vor allem, weil mein Schließmuskel anscheinend seinen Geist aufgegeben hat und ich dieses leidige Problem nur noch mit großen, gut saugenden Einlagen einigermaßen in den Griff bekomme, die ich ständig, wie Windeln bei Neugeborenen, wechseln muss. Und das alles nach einer neuerlichen Prostata-Abhobelung am Freitag, dem 11. Juli 2014. Die hab ich auf eigenen Wunsch hin vornehmen lassen, in der Hoffnung, dass damit meine Schmerzen evtl. gelindert werden könnten, weil die jetzt wieder vergrößerte Prostata nun nicht mehr auf den Blasen-Ausgang drücken würde. Nach nunmehr vier Wochen Probezeit muss ich leider den nachfolgenden Artikel verfassen. Vor allem seelisch einigermaßen gezeichnet, übermannt von Selbstmitleid zwischendurch und voll deprimiert obwohl ein Sprichwort lautet: Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Verfasst und schriftlich festgehalten am 5.8.2014. Alle diese Probleme sind für mich ganz schlechte Zeichen und ich befinde mich momentan in einem Zustand ohne Hoffnung, dass es eine solche für mich und mein Krebsleiden noch irgendwie geben könnte
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Wenn die Hoffnung stirbt
Ich setze mich nicht gern an den PC, um dieses wohl allerletzte Kapitel meines Lebens hinzuschreiben. Finster ist es in mir geworden, ähnlich dem Wetter an diesem frühen Nachmittag im August 2014. Auch da ist der Himmel mit dichten Wolken behangen, auch da dringt nur wenig Licht durch die Fensterscheibe meines Wohn-Schlafzimmers. Was soll ich dazu sagen? Fürs erste vielleicht nur soviel: Tief in mir spüre ich diese Leere, dieses Unbehagen und diese Freudlosigkeit, die mich in letzter Zeit immer bedrückender umgibt. Seit ich vermute, ahne, ja in manchen Augenblicken sogar ganz sicher weiß, dass es keine Rettung mehr für mich geben wird oder geben kann. Dieses Gefühl ist vielleicht ähnlich, wie wenn ein in einem tosenden Strom Schwimmender oder noch besser in den Fluten Treibender merkt, dass ihn seine Kräfte verlassen. Ein ganz schlimmes Gefühl von Ohnmacht, Schmerz und Mutlosigkeit hat sich in mir festgesetzt, seit ich immer fester vermute, dass alle meine Bemühungen, den Krebs zu besiegen, ähnlich fruchtlos bleiben werden, wie wenn ein Bauer auf dem Balkon seines Wohnhauses steht und miterleben muss, wie ein gewaltiges Unwetter mit Hagelschlag und Sturmwind das Feld vor seinen Augen verwüstet und er hilflos mit ansehen muss, wie die Naturgewalten wüten und die Mühen und die viele Arbeit eines Sommers mit einem einzigen Schlag zunichte machen. Kein Halm bleibt auf dem anderen, die beinahe reife Ernte liegt in Minutenschnelle zermatscht auf dem Boden. Aus, vorbei, und er weiß nicht, ob er fluchen und Gott und die Welt verdammen oder sich ganz einfach ohne viel Aufbäumen geschlagen geben soll
Der Bauer wird, sofern er einigermaßen versichert ist, diesen Schaden verkraften und mit frischer Kraft wird er vermutlich schon sehr bald an die Aufräumungsarbeiten herangehen. Ich? Ich bin gegen diese Lebens-Niederlage weder versichert noch verspüre ich auch nur ein kleines Gefühl von Kraft und Energie in mir, um mich nochmals gegen diesen Schicksalsschlag aufzubäumen. Mein Akku ist absolut leer, die Schmerzen trotz der fünf verschiedenen Schmerzmittel, die ich beinahe stündlich in mich stopfe, kaum noch auszuhalten. Tief sitzt nicht nur der Schmerz in meinem Afterbereich und peinigt mich Tag und Nacht. Tief sitzt er in den letzten Tagen und Wochen auch in meiner Seele und der Gedanke quält mich immer öfter und immer länger, wie ich den Abschied von dieser Welt mit einigem Anstand und einiger Würde schaffen soll. Vor einer Stunde hab ich beim Aufräumen meiner kleinen Wohnung ein Fotoalbum mit Bildern aus meiner Kindheit und Jugendzeit durchgeblättert. Welch fröhlicher junger Mensch war ich doch einst. Auch wenn es ab und zu natürlich auch damals nicht immer ganz problemlos in meinem Leben abgelaufen ist und die eine oder andere Sturmwelle über mich hereingebrochen ist. Aber jetzt: Seit meiner Diagnose Prostata-Krebs vor nahezu vier Jahren hat sich das Unwetter nach und nach in mir ausgebreitet. Allerdings versehen mit Hoffnung und Zuversicht, dass ich genug Kraft hätte, um diesem Feind energisch entgegenzutreten. So leicht würde es dieser Lebens-Auslöscher mit mir nicht haben. Dieses Gefühl hatte ich in den vergangenen vier Jahren beinahe immer irgendwo in meiner Brust verspürt. Doch in den letzten drei Wochen hat dieser Sturm um wieder beim Beispiel mit Unwettern zu bleiben hat dieser Sturm an Gewalt derart zugenommen und sich mittlerweile in einen Taifun verwandelt. Einen ganz gewaltigen Taifun, der alles dem Erdboden gleichmacht, das sich ihm in den Weg stellt. So sieht also das Ende aus, das ich niemals in dieser Form wahrhaben wollte und das die Tausenden und Abertausenden an Krebs zugrunde Gehenden wohl ähnlich wie ich verspüren, wenn sich der letzte Funken Hoffnung nach und nach aus ihrem Inneren verabschiedet und sie schmerzlich erleben müssen, wie dieses Gefühl, an das sie einmal so fest geglaubt hatten, aus ihrem Geist, aus ihrer Seele, aus ihrem Körper entschwindet und stirbt
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Anschließend eine kleine Story aus meiner Kindheit von einem, den es eines Tages auch erwischt hat.
Wenn deine Zeit gekommen ist
Es ist dies die Geschichte von unserem Kater Mohrli und stammt aus der Zeit zwei, drei Jahre nach unserer Übersiedlung aus Hieflau in dieses liebliche Gebirgsdorf Radmer in der Obersteiermark. Im Menü "memories" sind etliche Geschichten aus meiner Kindheit in diesem Tal nachzulesen. Mehrmals hatte Mohrli ja bereits Glück in seinem Katzenleben gehabt, damals, als ihn noch in Hieflau der Oberförster erschießen wollte oder nach der Übersiedlung und dem Malheur mit den Küken, die meine Mutter in unserer Wohnküche als kleine gelbe Winzlinge unter dem steinernen Herd ins sogenannte Herdloch gestellt hatte, weil die Bruthenne verendet war und nun eine neue "Betreuung" brauchten. Doch sie standen nicht lange in der Schachtel im wunderbar warmen Herdloch, wo auch die Holzscheite oftmals zum Verheizen eingelagert wurden. Der Mohrli fand die Küken und verspeiste sie in einem Augenblick, wo niemand in der Küche anwesend war, genüßlich. Das war schlimm für ihn, und er kam etliche Tage nicht nach Hause, weil ihn meine Mutter kurz danach anscheinend wegen seiner "Schandtat" doch recht eindeutig mit dem Besenstiel "verwarnt" hatte. Damals humpelte er noch einige Tage durch sein Katzendasein. Der Ärmste. War er sich doch keiner Schuld bewusst. Vielleicht dachte er sich sogar, dass die Mutter die Küken für ihn ins Herdloch gestellt hätte. Sozusagen als Belohnung, weil er immer so gut "mauste" und unser Haus von den Mäusen fernhielt. Was weiß ich. Mir tat er jedenfalls mehr als nur leid. Wie konnte sie nur so sein! Doch die Zeit heilt zumeist alle Wunden. Sagt man zumindest.
Der Kater meines Bruders hatte sich nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten nach der Übersiedlung beinahe ebenso gut in seiner neuen Umgebung eingelebt wie wir Buben. Zumindest hatte es den Anschein, denn er fraß nach etlichen Tagen wieder aus seiner Schüssel, er miaute zwar öfter und lauter als noch in Hieflau und seine Augen schauten manchmal so fragend aus seinem Katerkopf, vielleicht vermisste er eine wunderschöne Katzendame, die er jetzt einfach nicht mehr fand. Was wissen wir Menschen schon vom Leid eines Tieres? Vielleicht vermisste er in den ersten Tagen und Wochen seine vertraute Umgebung, vielleicht die Tiere im Stall, die Pferdekutschen, unter denen er sich so gerne versteckt hatte. Was weiß ich. Wenn er allzu kläglich miaute, streichelte ihn mein Bruder immer sehr lang und danach fühlten sich beide wieder besser. Irgendwann war der Mohrli wieder der "Alte" geworden, stapfte erhobenen Hauptes durch die Gegend, legte uns die eine oder andere Maus vor die Haustür oder machte ein geruhsames Nickerchen auf der Ofenbank. Er schien wieder zufrieden mit seinem Dasein und schnurrte glückselig, wenn wir ihn streichelten. Vielleicht hatte er eine neue Bekanntschaft gemacht, wer weiß, denn es gab ja auch in Radmer hübsche Katzendamen. Doch dann kam dieser unglückselige Tag, der eigentlich noch gut begonnen hatte.
Schon zeitig am Morgen, als der Tag sein erstes Licht mit dem Dunkel der Nacht austauschte und einige Nebelschwaden über den Bach schwebten, um danach im Wald zu verschwinden, während mein Bruder und ich noch fest schliefen, da saß mein Vater bereits am Küchentisch. Vor sich eine Schale mit Malzkaffee und eine große, schwarze Pfanne, in der gelb der Polenta brutzelte, den meine Mutter soeben vom Herd geholt hatte. Mein Vater liebte diese Speise aus gemahlenem Mais, aufgekocht in siedendem Wasser und mit etwas Milch und Schweineschmalz versehen. Sie spendete ihm Kraft für die Mühen des Tages und schon sehr bald danach sah man ihn die Hüttentür öffnen, nach der Sense langen und ab ging's auf die Wiese. Jetzt war die ideale Zeit zum Mähen, weil der Tau noch auf den Halmen der Gräser und an den Blüten der Wiesenblumen hing, deren Köpfe durch die Kälte der Nacht gebeugt waren. Vielleicht ließen sie aber auch deshalb ihre Köpfe so traurig hängen, weil sie merkten, dass sie in wenigen Minuten abgemäht am Boden liegen würden und niemanden mehr mit ihrer Blütenpracht erfreuen konnten. Freuen würden sich nur noch unsere Geißen, wenn die einstige Blütenpracht getrocknet im Dunkel ihrer Mägen verschwinden würde. So schnell geht das oftmals im Leben.
Später, als wir Buben bereits größer und damit auch kräftiger waren, da mähten wir an der Seite unseres Vaters an manchem Abend, wenn der Mond bereits hinter den Bergen hochstieg oder manchmal auch bei Tagesanbruch. Mir hatte mein Vater dazu eine Sense mit einem kürzeren Holzstiel gerichtet, und das Mähen machte mir echt Spaß. An diesem Morgen mähte mein Vater allein und mit kräftigen Schwüngen fuhr die Sense durchs Gras und streckte jeden Halm, der ihr zu nahe kam zu Boden, und so mancher Hase hüpfte im wilden Zick-Zack davon, um nicht unters Messer zu kommen. Ab und zu vernahm man das Schleifen des Wetzsteins über das Sensenblatt, wenn mein Vater zuerst mit einem Büschel abgeschnittenen Grases die Sense reinigte und dann den Wetzstein aus dem mit Wasser gefüllten Kuhhorn zog und zügig über die Sense strich, damit diese wieder besser schneiden würde. Die Sonne steckte noch hinter den Bergen, als er mit dem Mähen fertig war, und er sich mit der Sense auf der Schulter wieder der Hütte näherte. Danach ging er zur Brunnhütte, zog das Hemd aus und ließ das kalte Wasser über Kopf, Arme und Oberkörper rinnen, bevor er sich notdürftig abtrocknete. Dann beugte er sich unter den Wasserstrahl und nahm einen ordentlichen Schluck von diesem köstlichen Nass zu sich. Zum Schluss stülpte er sich ein trockenes Hemd über, setzte seinen Hut auf und ab ging es zur Arbeit auf die Säge, während wir Buben soeben aus unseren Betten gekrochen waren und ihm vom Balkon aus nachwinkten.
Später, als wir bereits in der Schule waren, verteilte meine Mutter das geschnittene Gras mit einer Gabel möglichst gleichmäßig am Boden, damit die Sonne mit dem Trocknen beginnen konnte. Es war ein heißer Sommertag, ich weiß es noch ganz genau, und ich hatte eigentlich vor, nach der Schule auf unserem Fußballplatz dem runden Leder nachzujagen, doch noch ehe ich richtig daheim angekommen war, sagte meine Mutter, dass ich schnell etwas essen solle und dann mit ihr auf die Wiese gehen müsste. Was soll's? Mussten die Jungs eben ohne mich spielen. Spaß machte mir das Heuen keinen und mit einem Rechen machte ich mich auf den Weg zur Wiese. Mit dem Bus um vier Uhr kam mein Bruder von der Hauptschule zurück, wenig später auch mein Vater von der Arbeit auf dem Sägewerk nach Hause. Das Futter war mittlerweile getrocknet und mit unseren Rechen und Gabeln trugen wir das Heu zu größeren Haufen zusammen. Dann wurde eine Plache daneben aufgelegt, das Futter daraufgegabelt, die Plache mit Hilfe der Stricke kreuz und quer zusammengebunden, die Riesenladung dem Vater auf Kopf und Schultern gehoben und ab gings damit in den Heustadel. Bis auch der letzte Halm in der Tenne verschwunden war.
Und genau dort saß er, kurz bevor es dunkel wurde. Oder, besser gesagt, er lag dort. Entdeckt hatte ihn mein Freund Rudi, aufgeregt lief er zu mir in den Hof.
"Hermann, der Mohrli, komm schnell!"
Ich saß müde von der Schufterei auf der Hausbank und sah unseren beiden Nachbar-Mädels zu, wie sie mit ihren Puppen spielten. An der Vorderfront des Hauses hatten sie allerlei Puppengeschirr ausgebreitet. Die Erna hatte ihre dunklen Haare zu einem Zopf zusammengebunden und die Gerti sah witzig aus mit ihren Schwänzchen links und rechts und den weißen Maschen daran.
"Was sagst?"
Ich hatte nicht richtig hingehört. Rudi zupfte mich am Ärmel und war ganz aufgeregt: "Der Mohrli, komm schnell, der spuckt so komisch ..."
Jetzt erst begriff ich, was er meinte, und wir liefen zum Stall. Tatsächlich, da hockte der arme Kerl und hustete und würgte und ein grünlich-weißer Schaum tropfte aus seinem Maul. Wir schauten ein bisschen zu, dann liefen wir zurück zum Haus. Ich, so schnell ich konnte die Stiegen hinauf zu unserer Wohnung, wo mein Bruder bei seinen Hausaufgaben saß.
"Du, der Mohrli ..."
Schneller hatte mein Bruder seine Schulsachen wohl kaum jemals weggelegt als jetzt, und schon sausten wir die Stiege hinunter, hin zum Kater. Mit zitternden Händen und aschfahl im Gesicht hockte mein Bruder vor seinem Kater und versuchte ihn sogar noch ein wenig zu streicheln. Inzwischen war mein Vater gekommen, besah sich die Sache, schüttelte den Kopf und sagte zu uns, dass wir den Kater nicht angreifen dürften, man könne ja nicht wissen, was für eine Vergiftung er hätte. Dann schickte er uns Buben weg, er würde sich jetzt selbst um ihn kümmern. Nach einiger Zeit kam der Vater wieder und sagte zu uns, dass er den Mohrli in den Stall gesperrt hätte und eine Schale Milch dazu. Mit etwas Glück würde er davonkommen.
Am Abend lag mein Bruder in seinem Bett, ich daneben in meinem. Er hatte seine Hände gefaltet und ich hörte ihn leise sagen: "Bitte, lieber Himmelvater, lass meinen Mohrli wieder gesund werden!" Auch ich faltete meine Hände und dachte an den armen Kerl im Stall.
Manchmal verlässt auch den Glücklichsten das Glück und meinem Bruder liefen die Tränen über die Wangen, als wir seinen Kater am nächsten Tag hinter dem Stall vergruben. Tierarzt konnten wir uns damals keinen leisten, einen solchen holte man aus Großreifling nur in den allernotwendigsten Fällen. Wenn etwa eine Kuh ernsthaft erkrankt war oder eine Sau, kurz vor dem Abstechen, um nicht das Fleisch zu verlieren. Aber bei einer Katze? Mein Bruder bastelte ein Holzkreuz und steckte es auf den kleinen Erdhügel und beinahe täglich lagen frisch gepflückte Wiesenblumen darauf.
Natürlich trauerte nicht nur mein Bruder um seinen Kater, auch mir fehlte er an allen Ecken und Enden. Vor allem am Morgen, beim Aufwachen vermisste ich ihn sehr, hatte ihn doch unsere Mutter immer zur Tür hereingelassen, damit er uns wecken sollte. Dann sprang der Kater mit einigen Sätzen in unser Schlafzimmer, und weil wir Buben in einem Doppelbett schliefen, lag der Kater schon sehr bald mitten im Bett bei uns und schnurrte freudig, wenn unsere Bubenhände über sein Fell streichelten. Jetzt war er nicht mehr hier.
Doch wenn man Glück hat, dann gibt es für jeden Verlust einen Ersatz. Alles ist natürlich nicht ersetzbar, manches ist sogar niemals mehr auch nur annähernd ersetzbar, doch bei der Katze hatten mein Bruder und ich Glück. Einige Häuser weiter hatte eine Katzendame Junge bekommen und vier winzige "Knäuel" liefen eines Tages hinter ihr des Weges. Wir Buben bettelten unsere Eltern an, ob wir nicht eines dieser Katzenjungen haben dürften. Wir durften! Die Nachbarn waren froh, ein Kätzchen an den Mann gebracht zu haben, und wir suchten uns das dickste Junge aus, einen putzigen kleinen Kerl, schwarz wie unser Mohrli, mit weißen Pfoten, und schon sehr bald war er der Liebling von uns allen. Stundenlang konnten wir mit ihm spielen, und wenn er tollpatschig hinter uns herlief oder uns seine kleinen Krallen ein wenig ins Fleisch bohrte, wenn wir ihm zu nahe an den Pelz rückten und ihn deswegen schimpften, den Zeigefinger hoben und "du Schlimmer!" sagten, dann fauchte er ein wenig und zeigte uns seine Zähnchen. Unser Kinderherz lachte und wir erfreuten uns an unserem neuen Liebling.
Schon sehr bald war er zum Star in der Familie geworden und sogar mein Vater setzte ihn sich manchmal auf den Schoß und streichelte den kleinen Kerl. Irgendwie erinnerte er uns an den Mohrli. Und höchstwahrscheinlich hatte er sogar seine Gene in sich. Wo der Mohrli doch schon seit eh und je ein großer Verführer war ...
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Zum Schluss noch einige Gedanken zu einem Thema, das die meisten von uns interessieren könnte.
Danach
Wenn wir von danach sprechen, so werden wohl viele von uns vielleicht an eine eine ganz bestimmte Situation denken. Bei der manche genüsslich eine Zigarette paffen, andere ein Glas Sekt leeren, wieder andere sich eng an den Partner schmiegen, einige sich vielleicht auf die andere Seite des Bettes zurückziehen, um jetzt Ruhe zu haben, echte Machos womöglich aus dem Bett steigen, hin zum Wandspiegel schreiten, sich selbstgefällig davor aufbäumen, sich danach mit beiden Händen durchs Haar streichen und ein: Na, wie war ich? zur Partnerin hinrufen
Von diesem Danach ist hier nicht die Rede, hier will ich einige Gedanken anbringen, was wohl mit uns geschieht, wenn wir gehen müssen, wenn wir der Stätte unseres Wirkens auf diesem Planeten für immer den Rücken kehren, in einem Sarg im Erdreich verschwinden oder in einer Urne als Aschenrest festsitzen. Mit diesem Danach werden sich vor allem all jene beschäftigen, denen das Schicksal soeben einen Freund, Bekannten oder ein Familienmitglied aus ihrer Mitte gerissen hat. Oder Schwerkranke, die ein unheilbares Leiden mit einigermaßen vorauszusehendem baldigen Ablaufdatum in ihr Leben gestellt bekommen haben. Wir mir selbst, wo doch der Krebs seit mehreren Jahren an mir nagt und ich seit der Diagnose Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium schon mehrmals, um nicht zu sagen, sehr oft an dieses Danach gedacht habe oder noch drastischer ausgedrückt denken musste. Wo wir doch alle wissen, dass ernsthaft an Krebs Erkrankte tatsächlich bereits mit dem Erstellen der Diagnose ans Zusammenräumen denken müssen. An den Abschied von vielen uns lieb gewordenen Menschen oder auch von anderen Dingen, an die wir unser Herz gehängt haben. Manche haben dafür kaum noch Zeit und in wenigen Wochen ist alles erledigt, weil die Sache einen überaus schnellen Verlauf nimmt. Andere wiederum haben das Glück, noch einige Monate oder vielleicht sogar noch etliche Jahre auf dieses Danach warten zu können. Glück haben sie meiner Meinung aber nur dann, wenn ihr Leben nicht total eingeschränkt und freudlos und mit vielen Schmerzen, aber auch seelischen Qualen bestückt wird und sie die verbleibende Zeit bis zum endgültigen Abschied noch einigermaßen lebenswert hinter sich bringen können. Qualvoll dahinzusiechen, über viele Monate vielleicht oder auch einige Jahre, da wäre es zumindest für mich doch wesentlich angenehmer, noch in einem halbwegs erträglichen Zustand gehen zu können, dürfen oder müssen.
Danach: Was könnte tatsächlich mit uns nach unserem Ableben geschehen? Diese Frage geistert bestimmt seit Beginn der Menschheit immer wieder in den Köpfen der Betroffenen herum und quält sofern wir wirklich hautnah damit konfrontiert werden uns vielleicht ähnlich, wie wenn ein Mückenschwarm uns umschwirrt und wir vergeblich versuchen, diese Biester schnell wieder loszuwerden. Oder, ein anderer Vergleich, wenn uns Gedanken zu unserem Leben quälen, weil wir da oder dort in eine missliche Lage versetzt wurden und wir uns kaum noch von diesen Quälgeistern befreien können. Mit großer Bestimmtheit kann ich wohl behaupten, dass niemand wirklich weiß, was bei diesem Danach weiter mit uns geschieht. Die Spekulationen, die Vermutungen und manchmal sogar Behauptungen gehen oftmals soweit, dass sich manche Menschen einbilden, es wird so sein, wie das ihre Glaubensgemeinschaft verkündet, wenn sie steif und fest behaupten: Einem körperlichen Hinscheiden folgt eine unsterbliche Seele. Die lebt weiter. Wo und wie auch immer. An dieses Danach glauben viele vor allem ältere Menschen, die sich an diese Vermutung oder Behauptung ihrer Glaubensgemeinschaft klammern. Die meisten davon hoffen, dass sie mit einigen guten Werken sich noch die Tür zum angenommenen Himmelreich öffnen können. Die beten, spenden, entzünden Kerzen in Kirchen oder bei sich zu Hause und versuchen damit, zumindest in der letzten Phase ihres Erdendaseins einen möglichst guten Eindruck vor dem Herrgott zu machen. Einem wiederum angenommenen Schöpfer des Himmels und der Erde, der alles über uns weiß, dem nichts, aber auch gar nichts verborgen bleibt und wo vermutlich Engel in einer Art Akte Aufzeichnungen zu unserem Lebenswandel exakt festhalten. Alle guten, alle schlechten Taten werden darin aufgelistet und am Ende bei einem Jüngsten Gericht zur Sprache gebracht. Dieses Gericht entscheidet letztlich, wo alle, die an solche Vermutungen glauben, landen: Im Himmel, im Fegefeuer oder womöglich in der Hölle. Wobei sich viele dieser an solche Sachen Glaubenden unter Himmel etwas ganz besonders Schönes vorstellen oder ausmalen. Mit unendlicher Ruhe versehen, wo himmlische Klänge von Geigen, Flöten und Harfen oder anderen angenehm in unseren Ohren klingenden Instrumenten sanft das Dasein all jener im Himmel Gelandeten untermalen. Wo Friede, Eintracht und absolute Freude vorherrschen, auch die im Himmel weilenden Engel, die Helfer des Allmächtigen, mit sanftem Lächeln uns wohlwollende Blicke zuwerfen, wo Milch und Honig immerdar fließen, gebratene Tauben nur noch zum leckeren Hineinbeißen einladen, die herrlichsten Mehlspeisen unseren Gaumen verwöhnen und täglich und immerdar eine riesige Tafel mit den verschiedensten Köstlichkeiten für unser leibliches Wohl sorgen. An den besten Getränken können wir uns ebenso ergötzen wie an uns schon zu Lebzeiten erfreuenden Leckerbissen. Einfach herrlich, diese Vorstellung vom Himmel. Kein Leid irgendwo zu erblicken, absolute Harmonie herrscht unter all jenen, die es geschafft haben, auf Grund ihres ehrenhaften Lebens auf der Erde letztlich durch diese Pforte in den Himmel aufgenommen worden zu sein. Alles von einem einzigen Licht überstrahlt, das den Herrgott selbst darstellen soll, wo uns dieses Licht jedoch nicht blendet, sondern wohlig und warm in uns dringt.
Natürlich könnte ich versuchen diese Art Himmel noch weiter auszuschmücken, ich will jedoch nicht langweilen und komme zur nächsten angenommenen Verweil-Region, dem Fegefeuer. Hier würden meiner Meinung nach die meisten von uns landen, sollte es so etwas tatsächlich geben. Mit der Bestimmung, in diesem Feuer zu sühnen und zu läutern und uns reinzufegen von allen schlechten Taten, die wir im Lauf unseres Erdendaseins begangen haben und die noch als Überhang all dessen, was wir nicht durch gute Taten kompensieren konnten, einer Aufarbeitung, einer Sühne bedürfen, um damit unsere Seele zu reinigen und frei zu machen für eine spätere Aufnahme in den Himmel. So oder so ähnlich könnte ich mir das vorstellen, wenn wir in diesem Fegefeuer den Rest unserer Sünden abbüßen müssen. Wie es in einer derartigen Institution allerdings aussehen könnte, das kann ich nur wage vermuten. Vielleicht müssen all jene, die dort landen, und je nach der Schwere ihrer Schuld, die noch zu bereinigen ist, den Tag mit Hilfsdiensten für die bereits im Himmel Gelandeten verbringen, Reinigungsarbeiten verrichten, die ja auch auf Erden nichts anderes sind, als das Entfernen von Schmutz, um das zu bearbeitende Objekt wieder sauber, schön und vielleicht sogar glänzend zu machen. In einem Ausmaß, das der noch zu verbüßenden Schuld entspricht. Manche werden also länger, andere kürzer in dieser Stätte des Büßens verweilen müssen. Vielleicht müssen die in dieses Fegefeuer Versetzten dazu auch noch Bußgebete verrichten, in denen sie um Verzeihung für ihre Verfehlungen bitten. Gebete, die sich vielleicht täglich über Stunden hinziehen, verbunden mit Reue und demutsvollem Neigen des Kopfes und der Hoffnung, dass diese Gebete erhört werden und so zum Ziel der Läuterung und der damit verbundenen inneren Reinigung nach und nach hinführen. Soweit einige meiner Gedanken zu dieser Art von Fegefeuer. Dass es eine Art Gerechtigkeit und einen Ausgleich für gute und schlechte Taten in unserem Leben geben könnte und dass dieser Ausgleich nach unserem Tod noch vorgenommen wird sofern es ein Weiterleben einer unsterblichen Seele tatsächlich in irgendeiner Form geben könnte das scheint mir durchaus möglich zu sein. Wie immer der auch aussehen mag.
Wer es im Verlauf seines Lebens allerdings zu arg getrieben hat, wer ein echtes Schurkenleben geführt hat mit Lügen, Betrügen und schändlichen Taten an Mitmenschen oder auch an Tieren oder bewusst seine Umwelt schwer geschädigt hat, wer also überwiegend sein Dasein mit üblen Taten abgewickelt hat solche Menschen würden meiner Meinung nach tatsächlich in der Hölle landen. Vielleicht sogar mit ewiger Verdammnis verbunden und dem Teufel immer wieder von neuem als Brennmaterial für sein Feuer des Bösen dienen. Schmerzen und Qualen leidend, um auf diese Weise einen Ausgleich zu den begangenen Taten zu erdulden und zu erfahren. Vielleicht gibt es aber auch da eine Möglichkeit, sich sozusagen reinzuwaschen, um irgendwann einen Punkt zu erreichen, wo all diese Schurkentaten aus dem Erdendasein verbüßt sind. Soweit meine Vorstellungen zu einer angenommenen Hölle.
Jeder, der an ein Weiterleben unserer Seelen glaubt, wird eine andere Vision dazu haben, was in einem angenommenen Himmel, einem Fegefeuer oder einer Hölle wirklich mit unseren Seelen geschieht. Ich persönlich kann mich mit diesem Gedanken von Himmel, Fegefeuer und Hölle nur schwer anfreunden. Mir schwebt eigentlich anderes vor, wenn ich an mein Ableben denke. Und genau darüber will ich hier ein paar Gedanken anbringen.
Eine mögliche Form und vielleicht die Variante schlechthin, die mir dazu einfällt, ist die, dass mit dem Tod alles ausgelöscht wird. Einzig in den Gedanken und in der Erinnerung unserer Freunde, Bekannten, unserer Kinder oder anderer Familienmitglieder leben wir sozusagen weiter. So lang, bis nach spätestens zwei, drei Generationen auch dieses Gedenken endgültig vorbei ist. Sofern nicht der oder die Verstorbene es tatsächlich erreicht hat, sich sozusagen unsterblich zu machen. Durch ganz besondere Leistungen zu Lebzeiten dieser Menschen, wo Gedenkstätten errichtet werden, weil dieser ganz besondere Mensch es verdient, der Nachwelt möglichst lange Zeit oder bestenfalls für immer erhalten zu bleiben. Wobei dieses für immer natürlich auch eines Tages vorbei sein dürfte. Wenn es sich um Jahrhunderte oder vielleicht sogar Jahrtausende handeln sollte, die ein solches Gedenken kaum noch mit sich bringen werden. Irgendwann ist also auch dabei ein Ende abzusehen. Das sehen wir ja immer wieder. Manche Menschen sind sofort vergessen, an die denkt so gut wie niemand mehr, einige schaffen es, zumindest zwei, drei Generationen noch gedanklich bei an sie Denkenden zu überleben. Dann kommen die Ausnahmen, über die auch nach mehreren Jahrhunderten noch gesprochen oder an sie gedacht wird. Das können grausame Despoten ebenso schaffen wie begnadete Künstler, Maler, Schriftsteller und Komponisten oder Sportler mit bewundernswerten Rekorden, Könige, Kaiser, Päpste und all jene, die Geschichtsbücher füllen und damit der Nachwelt für lange Zeit erhalten bleiben. Das Leben endet und wir bleiben nur noch so lange am Leben, wie wir in den Gedanken nachkommender Generationen noch ab und zu herumgeistern.
Die Variante, die mir allerdings am besten gefallen würde und die meines Erachtens gar nicht so leicht von der Hand zu weisen ist eine, die mir erst vor kurzer Zeit in den Sinn gekommen ist. Es ist dies eine Variante des Fortlebens nach dem Tod, die mich immer mehr fasziniert und eigentlich eine ganz logische Form beinhaltet. Worum handelt es sich dabei, um meine Leser hier nicht weiter auf die Folter zu spannen? Wenn Sie die Geschichte von unserem Kater Mohrli zuvor gelesen haben, der Geschichte dieser Katze mit ihrem für uns Buben so schmerzlichen Tod, dann werden Sie auch gelesen haben, dass der Mohrli ein scheinbar sehr potenter Kater war, der für reichlich Nachwuchs gesorgt hat und womit seine Gene sich wunderbar in die Nachwelt abgesetzt haben. Mohrli lebt also auf diese Art und Weise weiter. Und weil diese seine Gene ja auch in der nächsten Generation immer noch in seinen Nahkommen vorhanden sind und immer weiter auch in irgendeiner Weise in alle folgenden Katzengenerationen übergehen bzw. weiter vorhanden bleiben, so ist damit der Mohrli praktisch unsterblich geblieben. Was sagt man dazu? Für mich ist die Sache eine durchaus logische. Und genau so könnte es auch bei uns Menschen sein. Wir leben weiter und könnten auf diese Art und Weise mit der Vererbung unserer Gene also tatsächlich unsterblich werden, sofern wir nicht eines Tages dennoch für immer verloren gehen. Auch das ist möglich, und auch darüber will ich einige Gedanken hinmalen. Verloren gehen wir dann, wenn unsere Ahnenreihe unterbrochen wird und ausstirbt. Wenn also kein Nachwuchs mehr gezeugt wird und egal, ob es sich dabei um Männer oder Frauen handelt. Nehmen wir folgendes an: Jemand hat ein Kind gezeugt und hat sich damit also in diesem Kind genetisch verebigt. Oh Schreck, das Kind bekommt keinen Nachwuchs. Warum auch immer. Dann sind wir weg. Für immer weg von diesem Planeten. Ohne Chance, das noch ändern zu können. Sollten wir allerdings zwei Kinder gezeugt haben, eines davon hat keinen Nachwuchs oder stirbt frühzeitig, das andere Kind hat allerdings wieder zwei Kinder in die Welt gesetzt, so leben wir in diesen Nachkommen weiter. Je mehr Kinder wir selbst in die Welt setzen und je öfter unsere Gene damit weiter vererbt werden, umso größer ist unsere Chance, praktisch für immer und ewig bestehen bleiben zu können. Nehmen wir an wie in meinem Fall mit vier Kindern dann bin ich mit meinen Genen bereits viermal wiedergeboren. Drei dieser Kinder bekommen Nachwuchs. In meinem Fall bin ich bereits vierfacher Großvater. Also lebe ich wunderbar auch in diesen vier Enkelkindern weiter. Nehmen wir an, auch sie gebären wieder Kinder, so setzt sich die Kette fort und breitet sich immer weiter aus, bis hin zu dem Fall, wo die Linie des Stammbaumes tatsächlich zu Ende geht. Das wird jedoch bei mehreren Kindern kaum jemals der Fall sein. Damit ist die Gefahr, dass man durch kein weiteres Gebären eines Tages ausstirbt, ganz gering. Sollte allerdings der Fall mit dem einen Kind eintreten oder womöglich auch in weiter Folge das zweite oder jedes weitere Kind keine Geburten zuwege bringen, dann sterben wir aus. Diese Gefahr scheint heute zumindest in unseren westlichen Wohlstandregionen zuzunehmen, wo die jungen Menschen sich oftmals nur für ein Kind entscheiden und dieses irgendwie verloren geht, bevor es Nachwuchs in die Welt setzen kann. Damit ist die Gefahr groß, von diesem Planeten für immer zu entschwinden. Wird die Kette der direkten Nachkommen also irgendwann unterbrochen, dann ist es um uns geschehen. Doch etliche von uns werden vermutlich bereits eine unendlich lange Ahnenkette mit sich herumschleppen. Es könnte dabei wirklich sein, dass der Ur-, Ur-, Ur-, Ur-, Ur-Großvater also noch in uns verweilt. Das gleiche gilt natürlich auch für alle weiblichen Personen. Wer an Adam und Eva glaubt und an die Geschichte mit der 7-Tage-Schöpfung, der könnte also im allerbesten Fall sogar den Adam oder die Eva tatsächlich in sich aufbewahrt haben. Wenn er oder sie direkte Nachkommen sind, bei denen ihre Ahnen-Kette sich stets weiter entwickelt hat und niemals eine echte Unterbrechung dieser genetischen Kette eingetreten ist. Wer sich für seinen eigenen Stammbaum ein bisschen interessiert, der kann vielleicht einige Generationen zurückrecherchieren, um zu erfahren, wessen Gene damit weiter in ihm ein hoffentlich munteres Dasein führen. Wird die Kette, wie bereits angesprochen unterbrochen, dann scheiden alle Vorfahren bis dahin aus und der Vorgang mit der Vererbung und unserem Weiterleben in unseren Nachkommen beginnt von neuem. So einfach ist das und für mich total logisch.
Wem es gelingt, bereits selbst mehrere Nachfahren in die Welt zu setzen, bei dem ist die Chance groß, möglichst lange in den weiteren Generationen seiner unmittelbaren Nachkommen zu überleben. Wenn er oder sie selbst einige Kinder in die Welt setzt, diese dann wiederum etliche Nachkommen zeugen und bei diesen direkten Nachkommen das in ähnlicher Art und Weise sich fortsetzt, dann werden seine oder ihre Gene, sofern es sich um ein weibliches Wesen handelt in einer Art Kettenreaktion in weiterer Folge ein Ausmaß annehmen, wo wir möglicherweise bereits tausendfach und noch viele Generationen weiter auf diesem herrlichen Planeten Erde existieren. Wie das ganz einfach zu verstehen ist, können wir bei Großfamilien nachprüfen, wo mancher von uns vierfacher Vater ist oder vierfache Mutter, dann evtl. bereits 12-facher Großvater oder Großmutter und, sofern wir noch immer leiblich auf dieser Erde wandeln, dann kommen wir vielleicht bereits auf eine Nachkommen-Kette, wo wir angenommen bereits 36-facher Urgroßvater geworden sind. Diese Zahl ist durchaus machbar und wir werden noch immer in dieser Form genetisch auf dem Planeten vorhanden sein, obwohl wir bereits leiblich von dieser Erde verschwunden sind. Mit einigem Glück erreichen wir nach 20 Generationen ein Ausmaß einer zweistelligen Tausernder-Anzahl. Damit sind wir vielleicht wirklich in eine Form der Unsterblichkeit gekommen. Wenn unsere Nachfahren nur einigermaßen zeugungswillig sind und weiter Kinder in die Welt setzen.
Damit bin ich am Ende meiner Gedanken-Malereien über ein mögliches Danach gekommen. Wobei es sicherlich noch die eine oder andere Variante geben könnte oder vielleicht sogar geben wird, wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, was noch unserm Tod weiter mit uns geschehen könnte. In meinem utopischen Roman Himmelsboten habe ich einige weitere Visionen zu diesem Thema angeführt. Zugegeben wirklich utopisch anmutende und auch für mich durchaus gewagte Möglichkeiten, was alles mit uns geschehen könnte. Ob wir vielleicht sogar in Tiere verwandelt werden oder in Blumen oder andere Pflanzen, ob wir womöglich bei den Fischen im Meer landen, um hier als Hai, Krake, Qualle oder vielleicht als Pottwal für eine Lebensperiode auf dem Planeten vorhanden sind auch darüber hab ich mir Gedanken gemacht und diese ein bisschen beleuchtet und sie meinen Leserinnen und Lesern sozusagen bildlich präsentiert. Wichtig ist für mich am Ende, dass mein ganz persönliches Danach nicht mit Schmerzen, Misslichkeiten und Qualen verbunden ist oder ich bei einer durchaus auch möglichen Wiedergeburt womöglich nur lau und freudlos irgendwo ein neu installiertes Schattendasein führen muss. Mein Leben war stets erfüllt von actions, die einzig und allein in der Zeit meiner midlife-crisis etwa zwei, drei Jahre unterbrochen war. Doch auch später und jetzt wieder in meiner Krebs-Phase verläuft mein Dasein einigermaßen bunt und ereignisreich bis hin zum körperlich absterbenden unausbleiblichen Ende. Auf mein Danach bin ich echt gespannt. Vielleicht werde ich schon sehr bald hier Gewissheit erlangen, und ich würde mich freuen, wenn dieses Danach in etwa so aussehen könnte, wie ich mir das in meinen kühnsten Vorstellungen manchmal erträume: Wenn ich nach meinem leiblichen Hinscheiden eintrete in ein echtes Paradies oder, wie es meine Freunde, die Indianer bezeichnen, wenn sie von den Ewigen Jagdgründen sprechen und sie es oftmals kaum erwarten können, in diese unendlich weiten Jagdgründe, versehen mit einer wunderbaren Naturlandschaft, auf einem ihrer wilden und edlen Mustange hineingaloppieren zu dürfen