Es ist die Story von einem Mann und wie könnte es anders sein von einem weiblichen Wesen, in das sich unser Mann eines Tages richtiggehend verknallt hatte
Heute war Vollmond, und unser Mann lag kurz vor Mitternacht in seinem Bett und schaute hin zum vollen Rund, das sich aus einer Wolkenschicht hervorgewunden hatte. Er dachte an sie und an diese vergebene Chance in seinem Leben
Es war vor etlichen Jahren, und unser jetzt doch bereits ein bisschen in die Jahre gekommener Hauptdarsteller lernte bei einem seiner Reisen ein Wesen kennen, bei dem es ihm so ähnlich erging, wie wenn ein Tiger durch die Taiga in den Weiten Sibiriens streift und plötzlich Witterung aufnimmt. Witterung von einer wunderschönen jungen Tigerkatze. Sein Körper strafft sich, sein Schwanz wedelt kurz hin und her und seine Augen nehmen diesen Blick an voll Entschlossenheit und Neugier.
Unser Mann konnte dieses weibliche Wesen zwar nicht wittern wie der Tiger das Tiger-Weibchen, doch das Schicksal meinte es gut mit ihm, und so konnte er sie eines Tages ganz gut sehen. Ein herrliches Stück Weib mit tollen Rundungen und zwei Augen, in denen sich das Licht der ganzen Welt zu spiegeln schien. Dazu kamen noch wunderschön geformte Lippen und diese wohlklingende Stimme. Was soll ich noch lange sagen: Er war ganz einfach fasziniert von ihrer Erscheinung und irgendwie schien eine gute Fee bereits mit im Spiel zu sein bei der nun folgenden Geschichte, die vorerst genau so endete, wie sich das die Fee wahrscheinlich vorgestellt hatte. Und so, wie der Schnee am Beginn des Frühlings auch in höheren Regionen schmilzt, genau so schmolzen die Herzen der beiden dahin, und mit jedem Mal, wenn sie sich bewusst oder vielleicht manchmal auch unbewusst sahen, begann das Feuer in ihnen immer stärker zu brennen
Er konnte sich noch genau an den Abend in diesem Lokal mit den Rosen erinnern. Sie war da und er saß neben ihr. Sie lachten, waren guter Dinge. Zwei, drei Gläser hatten sie wohl schon geleert. Mit einigen Freunden waren sie eher zufällig hierher gekommen. Oder hatte das die gute Fee genau so für sie arrangiert? Könnte durchaus sein. Jedenfalls saß er nahe bei ihr und irgendwie spürten wohl beide, dass es ein ganz besonderer Abend zu werden schien
Kurz vor Mitternacht kam einer dieser Rosenboys ins Lokal. Hatte auch das die Fee arrangiert? Nein! Oder vielleicht doch? Jedenfalls war unser Mann spontan genug und er sagte zu dem Rosen-Boy: Sei so nett und gib jeder Lady an unserem Tisch eine Rose! Natürlich war auch sie mit inbegriffen, und er selbst suchte eine sehr schöne rote für seine Tischnachbarin aus. Er sah, wie ihre Augen leuchteten, als er sie ihr mit einem Lächeln überreichte
Die Fee hatte ganze Arbeit geleistet an diesem Abend und alles lief so, wie es die Natur zwischen zwei Menschen genau so wollte und anscheinend immer wieder will.
Es graute der Morgen, als beide erwachten. Bei ihr. In ihrem weichen Bett. Groß genug, um mit einigem Abstand voneinander ruhig schlafen zu können. Doch sie schmiegte sich zärtlich an ihn. Und er: Er klebte total an ihr. Nicht nur mit seinem Körper, auch seine Seele schien in ihre eingedrungen zu sein
Die Tage vergingen, die Jahre auch. Sie liebten sich, und auch wenn sie an und für sich weit voneinander entfernt lebten, so versuchten sie sich doch so oft als möglich zu sehen, und heiß brannte die Liebessonne an solchen Tagen und auch Nächten auf sie nieder
Irgendwann war es vorbei. Die Fee hatte sich anscheinend anderen Liebespaaren zugewandt. Jedenfalls schien es so zu sein. Irgendwie hatte sich das Feuer ihrer einstigen Leidenschaft verändert. Es war niedergebrannt. Wie das immer wieder zwischen Liebenden geschieht, wenn sich die Liebes-Fee aus der Verbindung zurückzieht.
Jetzt lag er in seinem Bett und dachte an sie und an die vergebene Chance. Hätte er doch richtig zugegriffen. Damals. Doch er war eben in seiner ganzen Art dieser Tiger in der Taiga. Mit dieser ganz gewaltigen Sehnsucht nach Freiheit ...
Doch jetzt, nach etlichen Jahren des Umherstreifens in seiner Taiga plagte ihn auch eine Art Sehnsucht: nach ihr! Immer stärker spürte er das in seinem Inneren und er wusste es auf einmal ganz genau: Sie ganz allein würde die richtige Frau für sein weiteres Leben sein! Das war ihm inzwischen immer deutlicher bewusst geworden! Er versuchte wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen, doch sie zeigte ihm die kalte Schulter und ließ ihn abblitzen. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Auf e-mails, Anruf- oder SMS-Versuche. Sie hatte ihn scheinbar aus ihrem Leben gestrichen. Vielleicht hatte sie längst einen anderen gefunden
Sollte er ihr dennoch irgendwie versuchen zu sagen, dass er sie immer noch tief in seinem Herzen spürte. Dass er die Streifzüge durch die Taiga mit dem täglichen Jagen satt hätte. Dass er bereit wäre, mit ihr gemeinsam in ihrem Zoo zu leben. Gezähmt und friedlich an ihrer Seite. Täglich würde er sich an ihr erfreuen. Ja, er war bereit, sein Leben total zu verändern, zu ihr ziehen und neu durchzustarten. Im Winter den Schnee vor ihrem Haus wegräumen, den Garten im Sommer betreuen. Die Kosten für Heizung und Strom übernehmen und versuchen, ihr ein guter Freund und Partner zu sein. In allen Lebenslagen. Sie selbst und mit ihr die Natur genießen und nicht nur in Vollmondnächten ihr Herz an seinem schlagen zu hören
Wieder schaute er zum vollen Rund des Mondes und wünschte sich, dass die gute Fee erneut in sein Leben eingreifen sollte. Denn eines war ihm klar: Ein zweites Mal würde er sich diese Chance nicht entgehen lassen